Zustellung von Verwaltungsakten an Empfänger außerhalb des Geltungsbereichs der AO
1. Allgemeines
Durch das Gesetz zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts vom , BGBl 2005 I S. 2354, wurde das Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) neu gefasst. Es trat am in Kraft. Die Zustellung im Ausland – bisher § 14 VwZG – wird im § 9 neu geregelt.
1.1 Zustellungsarten
Zustellungsbedürftige Verwaltungsakte (§ 122 Abs. 5 AO) an Empfänger außerhalb des Geltungsbereichs der AO sind gem. § 9 VwZG zuzustellen:
durch Einschreiben mit Rückschein, soweit die Zustellung von Dokumenten unmittelbar durch die Post völkerrechtlich zulässig ist (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG),
auf Ersuchen der Behörde durch die Behörden des fremden Staates oder durch die diplomatische oder konsularische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG),
auf Ersuchen der Behörde durch das Auswärtige Amt an eine Person, die das Recht der Immunität genießt und zu einer Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gehört, sowie an Familienangehörige einer solchen Person, wenn diese das Recht der Immunität genießen (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 VwZG), oder
durch Übermittlung elektronischer Dokumente nach § 5 Abs. 5 VwZG, soweit dies völkerrechtlich zulässig ist (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 VwZG).
Sind gem. § 9 VwZG mehrere Zustellungsarten zulässig, hat die Behörde die Wahl zwischen den einzelnen Zustellungsarten (§ 2 Abs. 3 VwZG). Dabei sollte vorrangig von der Möglichkeit der Zustellung durch Einschreiben mit internationalem Rückschein Gebrauch gemacht werden.
Die Formulierung „völkerrechtlich zulässig” in § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG umfasst nicht nur völkerrechtliche Übereinkünfte, sondern auch etwaiges Völkergewohnheitsrecht, ausdrückliches nichtvertragliches Einverständnis, aber auch Tolerierung einer entsprechenden Zustellungspraxis durch den Staat, in dem zugestellt werden soll. Es kann davon ausgegangen werden, dass eine Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein oder eine Zustellung elektronischer Dokumente zumindest toleriert wird und daher völkerrechtlich zulässig ist; dies gilt nicht hinsichtlich folgender Staaten:
Ägypten, Argentinien, China, Republik Korea, Kuwait, Fürstentum Liechtenstein, Mexiko, Russische Förderation, San Marino, Schweiz, Slowenien, Sri Lanka, Ukraine, Venezuela, Zypern
Eine Zustellung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG wird aber weiterhin geboten sein, wenn im Einzelfall ein einwandfreier Nachweis des Zugangs des Verwaltungsaktes erforderlich ist.
In einigen Ländern gelten Besonderheiten. Im Einzelnen hierzu siehe Nr. 3.
1.2 Wegen der Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten im Ausland durch einfachen Brief wird auf den AEAO zu § 122, Tz. 1.8.4 bzw. AO-Kartei § 122 AO Karte 5 verwiesen.
1.3 Hinsichtlich der Aufforderung zur Benennung eines inländischen Empfangsbevollmächtigten vgl. AO-Kartei § 123 Karte 3.
2 Verfahren
Die Zuständigkeit für Ersuchen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 VwZG ist dem aus dem Bundesamt für Finanzen hervorgegangenen Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) übertragen (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 FVG). Die OFD bittet deshalb, ihr das zuzustellende Schriftstück mit 2 Ausfertigungen der StarOffice-Vorlage „AO (S) 50” zur Weiterleitung an das BZSt vorzulegen. Dabei ist Folgendes zu beachten:
2.1 Fertigung der zuzustellenden Verwaltungsakte
2.1.1 Die Verwaltungsakte sind maschinenschriftlich zu fertigen und müssen die vollständige ausländische Anschrift des Empfängers tragen.
2.1.2 Die Rechtsbehelfsbelehrung muss zutreffend erteilt werden; wegen des zu verwendenden Textes weist die OFD auf AO-Kartei ND § 356 AO Karte 1 Nr. 2.2 sowie die Anlage hin.
2.1.3 Steuer- und Haftungsbescheide müssen von der Finanzkasse abgerechnet sein und erforderlichenfalls ein Leistungsgebot enthalten. Bei Erstattungen ist der Zahlungsweg anzugeben.
Es sind stets die Konten des Finanzamts anzugeben, auf die der zu entrichtende Betrag überwiesen werden soll.
2.1.4 Wegen der Ungewissheit über die Dauer des Zustellungsverfahrens ist das Ende einer Zahlungsfrist nicht auf einen bestimmten Tag festzusetzen, sondern vom Tag der Zustellung abhängig zu machen (Fälligkeit z. B. „einen Monat nach dem Tag der Zustellung dieses Bescheides”). Vorgedruckte Texte müssen erforderlichenfalls entsprechend abgeändert werden.
2.2 Ausfüllen der Vorlage AO (S) 50
2.2.1 Die zuzustellenden Schriftstücke sind im Vordruck genau und mit Datum zu bezeichnen.
2.2.2 In den Vordruck ist die vollständige Auslandsanschrift des Zustellungsempfängers einzutragen. Sie muss mit der auf dem zuzustellenden Schriftstück angegebenen Anschrift übereinstimmen.
2.2.3 In dem Vordruck ist die Staatsangehörigkeit des Zustellungsempfängers anzugeben, weil diese für die Form der Zustellung im Ausland maßgeblich sein kann. Ist die Staatsangehörigkeit nicht bekannt, so muss dies vermerkt werden.
Das Gleiche gilt für Zustellungen an Angehörige des Diplomatischen Korps.
2.2.4 Dem Zustellungsersuchen sind als Anlagen beizufügen
die zuzustellenden Schriftstücke,
ein haltbarer, unverschlossener, mit Maschine beschrifteter Briefumschlag (kein Fensterbriefumschlag) mit der Auslandsanschrift des Empfängers, die mit der Anschrift auf dem zuzustellenden Schriftstück und der auf dem Vordruck AO (S) 50 angegebenen Anschrift übereinstimmen muss. Bei Zustellungen an Angehörige des diplomatischen Korps ist das Kuvert bereits zu verschließen.
2.3 Zustellung an nur eine Person
Eine wirksame Zustellung an mehrere Personen gemeinsam ist nicht möglich, sondern nur an einen bestimmten Zustellungsempfänger; das gilt auch für die Zustellung an Ehegatten (siehe Nr. 3.2 und 3.4 AEAO zu § 122 AO).
Die OFD bittet deshalb, für jeden einzelnen Empfänger eine Ausfertigung des zuzustellenden Verwaltungsaktes mit je zwei Ausfertigungen des Vordrucks AO (S) 50 vorzulegen.
3. Besonderheiten bei der Bekanntgabe an Personen in bestimmten Ländern (übernommen von der OFD Frankfurt am Main)
3.1 Ägypten, Libyen, Pakistan, Rumänien
Die deutschen diplomatischen und konsularischen Vertretungen in diesen Ländern nehmen Zustellungen in Steuersachen nur vor, wenn der Empfänger ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.
Zur Vornahme von Zustellungen an andere Staatsangehörige sehen sich die Vertretungen mangels einer entsprechenden Ermächtigung durch das Gastland als nicht befugt an. Eine Zustellung nach § 9 VwZG an andere Staatsangehörige ist daher nicht möglich.
3.2 Algerien
Die Botschaft in Algier ist derzeit nur eingeschränkt funktionsfähig. Bei einer Zustellung muss daher mit längeren Bearbeitungszeiten gerechnet werden.
3.3 Butan, Taiwan, Cook inseln, San Marino
Mit diesen Ländern unterhält die Bundesrepublik Deutschland keine diplomatischen Beziehungen. Zustellungen sind daher nicht möglich.
3.4 Bosnien-Herzegowina
Zustellungsersuchen werden von der Botschaft an das Außenministerium von Bosnien und Herzegowina übermittelt. Da sich die Verwaltungsstruktur derzeit noch im Aufbau befindet, muss mit längeren Bearbeitungszeiten gerechnet werden.
In Orte, die in den serbischen Gebieten von Bosnien-Herzegowina, der Republik „Srpska” liegen, kann nicht zugestellt werden, da diese Orte sich nicht unter der Kontrolle der legalen Behörden von Bosnien-Herzegowina befinden.
3.5 Bulgarien
Die Botschaft kann in eigener Zuständigkeit keine Zustellungen durchführen. Die Zustellungsempfänger werden gebeten, bei der Botschaft vorzusprechen, um die Schriftstücke gegen Unterschrift entgegenzunehmen.
3.6 Finnland und Schweden
Vorgesehen sind förmliche Zustellungen über das finnische Finanzministerium bzw. das schwedische Außenministerium. In der Praxis werden Zustellungsersuchen inzwischen jedoch den deutschen Auslandsvertretungen zugeleitet und von diesen bearbeitet.
3.7 Frankreich
Zustellungen nach § 9 VwZG sind nur an Zustellungsempfänger möglich, die die deutsche oder französische Staatsangehörigkeit besitzen. Die Zustellung an andere Staatsangehörige beschränkt sich auf Schriftstücke in Beitreibungssachen (Art. 23 DBA-Frankreich). Sonstige zustellungsbedürftige Verwaltungsakte an Empfänger in Frankreich sind nach Tz. 4 zuzustellen.
3.8 Irak, Liberia, Somalia
Die Botschaften in Bagdad, Monrovia und Mogadischu sind momentan nicht besetzt. Zustellungen sind daher zz. nicht möglich.
3.9 Italien
Ersuchen nach Italien, die nicht auf die EG-BeitRL gestützt werden können, sind nach dem Amts- und Rechtshilfeabkommen vom (RStBl 1939 I S. 377, BStBl 1957 I S. 142) nicht zulässig, wenn der Vollstreckungsschuldner italienischer Staatsangehöriger ist und seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt in Italien hat. Das gilt nicht
wenn der Vollstreckungsschuldner im Zeitpunkt der Entstehung der Forderung deutscher Staatsangehöriger war oder den Wohnsitz, den dauernden Aufenthalt oder eine Betriebsstätte in der Bundesrepublik Deutschland hatte oder
wenn das Ersuchen einen Fall betrifft, in dem eine Doppelbesteuerung aufgrund des deutsch-italienischen DBA beseitigt oder gemildert ist.
Die Einschränkungen gelten für juristische Personen oder Personenvereinigungen sinngemäß. Ersuchen, die sich auf einen Ausnahmetatbestand stützen, sind zu begründen.
3.10 Libanon
Zustellungen gem. § 9 VwZG an Empfänger im Libanon sind wieder möglich.
3.11 Monaco
Für eine Zustellung über die monegassischen Behörden werden alle Zustellungsstücke in französischer Übersetzung benötigt.
3.12 Österreich
Bei in Österreich zuzustellenden Schriftstücken kann die zuständige österreichische Steuerbehörde durch Behörden der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar – d. h. ohne Einschaltung des Bundeszentralamtes für Steuern – um Zustellung ersucht werden (Art. 4 Abs. 2 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen vom , BStBl 1955 I S. 434, i. V. m. Nr. 4 Abs. 4 der Verwaltungsanweisung zur Durchführung des vorgenannten Vertrages vom , BStBl 1958 I S. 76). Entsprechende Ersuchen sind nach dem im BStBl 1958 I S. 80, 81 veröffentlichten Muster (s. StarOffice-Vorlage „Zustellung_Rechtshilfeverkehr_Österreich”) abzufassen. Tz. 2.3 ist zu beachten.
Das österreichische Bundesministerium für Finanzen stellt auf seiner Internetseite (http://www.bmf.gv.at/service/behoerden/start.htm) über die Schaltfläche „Finanzämter und Zollämter” eine Suchfunktion zur Verfügung, die es ermöglicht, zu einem bekannten Ort das zuständige Finanzamt zu ermitteln. Soweit sich das zuständige österreichische Finanzamt danach nicht ermitteln lässt, bittet die OFD, das Zustellungsersuchen meinem Haus zu übersenden. Von hier aus wird es dann an die zuständige Steuer- und Zollkoordination des BMF Fachbereich Internationales Steuerrecht weitergeleitet.
3.13 Polen
Zustellungen werden über die deutschen Auslandsvertretungen durch Weiterleitung an das polnische Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten bewirkt und können bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen.
3.14 Schweiz, Liechtenstein
Das Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz enthält keine Regelungen über Rechtshilfe bei Zustellungen. Die deutschen Auslandsvertretungen in der Schweiz dürfen allerdings Zustellungen in Fiskalsachen an dort ansässige Empfänger nicht vornehmen. Eine Verfahrensweise nach § 9 Abs. 1 VwZG scheidet deshalb allgemein aus. Empfänger in der Schweiz sind nach § 123 AO zur Bestellung eines inländischen Empfangsbevollmächtigten aufzufordern (vgl. hierzu AO-Kartei ND § 123 AO Karte 3). Die Aufforderung ist aus Nachweisgründen ausnahmsweise durch Einschreiben mit Rückschein zu übersenden. Wird trotz nachweislichem Zugang der Aufforderung (Eingang des unterzeichneten Rückscheins) kein inländischer Empfangsbevollmächtigter bestellt, ist der Verwaltungsakt unter entsprechender Änderung der Rechtsbehelfsbelehrung (einmonatige Bekanntgabefrist!) nach § 123 Sätze 2 u. 3 AO bekanntzugeben. Ist ein Zugang des Benennungsverlangens nicht erweislich, ist nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 VwZG öffentlich zuzustellen und ein Abdruck des Verwaltungsaktes formlos an die bekannte Anschrift zu übersenden (hierzu siehe AO-Kartei ND § 10 VwZG Karte 1). Entsprechendes gilt für Zustellungen an Empfänger in Liechtenstein.
3.15 Tschechische Republik
Die deutsche Botschaft in Prag darf in der Tschechischen Republik nur formlose Zustellungen an deutsche Zustellungsempfänger vornehmen. Auch an Doppelstaatler darf nicht zugestellt werden.
3.16 Ehemalige UdSSR
Zustellungen in die Länder der ehemaligen UdSSR sind über die dortigen deutschen Vertretungen möglich.
4 Öffentliche Zustellung
Kann außerhalb des Geltungsbereichs der AO mangels bestehender Auslandsvertretung oder aus anderen Gründen nicht zugestellt werden (z. B. in Liechtenstein), so ist nach § 10 VwZG öffentlich zuzustellen), ist bei öffentlicher Zustellung die ausländische Anschrift des Empfängers bekannt und besteht eine Postverbindung, so muss dem Empfänger sowohl die öffentliche Zustellung, als auch der Inhalt des zuzustellenden Verwaltungsakts (z. B. durch Beifügen einer Ablichtung) formlos mitgeteilt werden. Eine Belehrung über den Beginn der Rechtsbehelfsfrist (§§ 355, 108 AO i. V. m. § 10 Abs. 2 Satz 3 und 4 VwZG) ist beizufügen. Diese Benachrichtigung ist gegenüber allen Staaten zulässig, da es sich hierbei mangels rechtlicher Regelung nicht um einen Verwaltungsakt handelt (hierzu siehe AO-Kartei § 10 VwZG Karte 1).
OFD Hannover v. - S 0284 - 74 - StO 143
Fundstelle(n):
VAAAC-97257