BFH Beschluss v. - IV B 15/07

Bindung des BFH an Vertragsauslegung des FG; zur Frage der Einbeziehung von Abbruchverpflichtungen in den Saldierungsbereich schwebender Geschäfte

Gesetze: FGO § 118 Abs. 2, FGO § 115, FGO § 116, EStG § 5 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) —X-KG— hatte im Jahre 1996 verschiedene vermietete Gebäude erworben. Zum wurden die Mietvertragsverhältnisse beendet. Aufgrund des im September 2000 mit der Y-KG geschlossenen Vertrags sollten die Gebäude umgebaut und (voraussichtlich) ab dem an die Y-KG für einen Zeitraum von 15 Jahren vermietet werden. Mit den für den Gebäudeumbau erforderlichen Abbrucharbeiten wurde die Firma A. beauftragt. Nach dem schriftlichen Vertrag vom Februar 2001 belief sich die hierfür geschuldete Pauschalvergütung auf . DM. Die Arbeiten wurden noch im Jahre 2000 begonnen; sie sollten zum abgeschlossen werden. Die in der Bilanz zum ausgewiesenen Rückstellungen für Abbruchkosten (. €) erkannte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) im Anschluss an eine Betriebsprüfung nicht an. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) hat das FA die Rückstellungen in Höhe der in der Zeit vom 19. bis zum angefallenen Abbruchkosten (. DM) anerkannt und den Gewinnfeststellungsbescheid 2000 entsprechend geändert. Den weiter gehenden Antrag der Klägerin (Rückstellungen für sämtliche Abbruchkosten aus dem Vertrag mit der Firma A.) hat das FG abgewiesen (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2007, 665).

II. Die gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Gründe für die Revisionszulassung.

1. Dies gilt zum einen für den Vortrag, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen, weil die Ansicht des FG zur wirtschaftlichen Verursachung der Abrisskosten im Zeitraum der tatsächlichen Ausführung der Arbeiten von den Erwägungen des (BFH/NV 1998, 1212) abweicht, nach denen bereits der Entschluss des Steuerpflichtigen, ein Gebäude abzubrechen, die Tatsache seines wirtschaftlichen Verbrauchs zum Ausdruck bringe. Der Senat kann offenlassen, ob die Beschwerde hiermit eine Abweichung bezüglich der nämlichen Rechtsfrage dargelegt hat (vgl. hierzu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 58). Die Beschwerde lässt jedenfalls außer Acht, dass die Vorinstanz bereits das Vorliegen einer Abbruchverpflichtung gegenüber der Y-KG verneint und deshalb auch aus diesem Grund eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten (§ 249 Abs. 1 des HandelsgesetzbuchesHGB— i.V.m. § 5 des EinkommensteuergesetzesEStG—) abgelehnt hat. Demgemäß wäre es zur schlüssigen Darlegung einer Divergenz erforderlich gewesen, auch im Hinblick auf diese tragende Erwägung des vorinstanzlichen Urteils eine Abweichung von der Rechtsprechung des BFH (oder der Finanzgerichte) darzulegen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 60).

2. Unschlüssig ist zum anderen die Rüge, das vorinstanzliche Urteil beruhe auf einem Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), weil das FG gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung verstoßen habe (§ 76 Abs. 1 FGO), indem es einerseits den Beschluss des Aufsichtsrats der Klägerin zum Gebäudeabriss mit anschließendem Neubau festgestellt, andererseits es aber unterlassen habe, den Sachverhalt im Hinblick darauf weiter aufzuklären, dass es „sich bei den Abbruchkosten um den letzten Akt der vorangegangenen Vermietung (gehandelt habe)”. Diese —gleichfalls auf das Vorliegen des Merkmals der wirtschaftlichen Verursachung zielenden— Ausführungen sind nicht nur im Hinblick darauf lückenhaft, dass die Beschwerde es unterlassen hat, die Tatsachen konkret zu bezeichnen, die sich bei einer weiteren Sachverhaltsaufklärung ergeben hätten. Sie sind darüber hinaus auch deshalb unsubstantiiert, weil auch bei der Prüfung eines Verfahrensmangels (grundsätzlich) vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auszugehen ist (Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 68, 70, m.w.N.) und hiernach ein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ausscheidet, wenn den nicht berücksichtigten Tatsachen —aus Sicht der Vorinstanz— keine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt (hier: Ablehnung der begehrten Rückstellung mangels Vorliegen einer Abbruchverpflichtung).

3. Keinen Erfolg hat des Weiteren die Rüge, die Rechtssache sei im Hinblick auf die Frage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), ob die zukünftigen Abbruchkosten eines Vermieters (hier: Klägerin) lediglich als (nicht rückstellungspflichtiger) innerbetrieblicher Aufwand (so das FG) zu qualifizieren oder Gegenstand einer rückstellungsfähigen Außenverpflichtung (hier: gegenüber Y-KG) gewesen seien.

Die Beschwerde berücksichtigt auch in diesem Zusammenhang nicht hinreichend, dass die Vorinstanz den mit der Y-KG geschlossenen Mietvertrag in dem Sinne ausgelegt hat, dass die Klägerin sich gegenüber der Y-KG lediglich dazu verpflichtet hatte, das bereits fertig hergerichtete Gebäude gegen Mietzahlungen zu überlassen. Eine vertraglich begründete Verpflichtung zum Gebäudeumbau (als Gegenstand des Leistungsaustausches der Mietvertragsparteien) —oder gar zum Abbruch der Altsubstanz— hat die Vorinstanz ausdrücklich verneint. Da aber diese Würdigung des FG nach § 118 Abs. 2 FGO auch dann Bindungswirkung entfaltet, wenn sie nicht zwingend, sondern lediglich möglich ist, könnte sich im Rahmen eines Revisionsverfahrens die von der Klägerin aufgeworfene und als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Rechtsfrage nur dann stellen, wenn der Beschwerdeschrift zu entnehmen wäre, dass die Vorinstanz bei der Bestimmung des Vertragsinhalts gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen habe. Auch hierzu fehlen jedoch substantiierte Erläuterungen.

Hinzu kommt, dass auch dann, wenn man —entgegen der Würdigung des FG— vom Vorliegen einer Verpflichtung der Klägerin gegenüber der Y-KG zum Gebäudeabriss ausginge, die Beschwerde nicht erläutert, weshalb eine solche durch den Mietvertrag begründete Abbruchverpflichtung nicht dem Saldierungsbereich schwebender Geschäfte zuzuordnen sein sollte mit der Folge, dass —selbst bei einem drohenden Verlust aus dem (schwebenden) Geschäft— der Ausweis einer Rückstellung in der Steuerbilanz nach § 5 Abs. 4a EStG ausgeschlossen wäre (vgl. zum Kompensationsbereich Beschluss des Großen Senats des , BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735, unter B.II. der Gründe; , BFHE 219, 129; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 27. Aufl., § 5 Rz 451, 76; Krüger, Finanz-Rundschau 2008, 625, 628).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 28 Nr. 1
QAAAC-97224