Leitsatz
[1] Führt der Insolvenzverwalter das Unternehmen des Schuldners fort, fällt in die Berechnungsgrundlage für seine Vergütung nur der Überschuss nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen. Kündigungsfristlöhne sind hierbei als Ausgaben zu behandeln, wenn sie für Leistungen erbracht wurden, die für die Unternehmensfortführung verwendet wurden.
Gesetze: InsVV § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b; InsVV § 3 Abs. 1 Buchst. b
Instanzenzug: AG Saarbrücken, 59 IN 91/02 vom LG Saarbrücken, 5 T 535/06 vom
Gründe
I.
Der Rechtsbeschwerdeführer war zunächst vorläufiger Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin. Mit Beschluss vom wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Rechtsbeschwerdeführer zum Insolvenzverwalter bestellt. Er hat das Unternehmen der Schuldnerin weitergeführt und dadurch eine freie Insolvenzmasse von rund einer halben Million Euro erwirtschaftet. Eine Kündigung der Arbeitsverhältnisse erfolgte frühestens zum .
Der Insolvenzverwalter hat beantragt, seine Vergütung auf 108.603,49 € zuzüglich 16 % Umsatzsteuer (17.376,55 €) sowie Auslagen von 6.000 € zuzüglich 16 % Umsatzsteuer (960 €) festzusetzen, insgesamt 132.940,04 €. Er hat hierbei als Berechnungsgrundlage eine Teilungsmasse von 1.717.947,79 € zugrunde gelegt, hieraus eine Regelvergütung von 62.108,96 € errechnet und Kostenbeiträge gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV von 5.768,18 € hinzugerechnet. Bei der Teilungsmasse in vollem Umfang berücksichtigt hat er die Bruttolohnkosten in Höhe von 428.952,86 €, die er auch dann an die Arbeitnehmer zu zahlen gehabt hätte, wenn er die Arbeitsverhältnisse bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 113 InsO gekündigt und die Arbeitnehmer freigestellt hätte (Kündigungsfristlöhne).
Das Amtsgericht hat die Vergütung auf 106.699,35 € einschließlich 16 % Umsatzsteuer festgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht die Vergütung auf 94.876,73 € und die Auslagen auf 6.000 € festgesetzt, jeweils zuzüglich 16 % Umsatzsteuer. Insgesamt hat es infolge eines Rechenfehlers zugunsten des Insolvenzverwalters in Höhe von 4.000 € zuzüglich 16 % Umsatzsteuer die Vergütung auf 121.657,24 € festgesetzt. Amtsgericht und Landgericht haben jeweils bei der Teilungsmasse die Kündigungsfristlöhne als Kosten der Unternehmensfortführung gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV in Abzug gebracht und eine Teilungsmasse von 1.288.994,93 € zugrunde gelegt.
Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Insolvenzverwalter seinen Vergütungsantrag in vollem Umfang weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 7, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Frage, ob die Kündigungsfristlöhne bei der Unternehmensfortführung als Ausgaben zu berücksichtigen sind, ist von grundsätzlicher Bedeutung.
Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Amtsgericht und Landgericht haben die Kündigungsfristlöhne in zutreffender Weise von dem im Rahmen der Unternehmensfortführung erzielten Überschuss abgezogen.
1. Nach § 1 Abs. 1 InsVV wird die Vergütung des Insolvenzverwalters nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet, auf den sich die Schlussrechnung bezieht. Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 InsVV werden die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten grundsätzlich nicht abgesetzt. Wird das Unternehmen des Schuldners nicht fortgeführt, werden demgemäß die Kündigungsfristlöhne nicht von der Masse abgezogen.
Wird dagegen das Unternehmen des Schuldners fortgeführt, ist bei der Masse gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV nur der Überschuss zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen ergibt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift kann es deshalb keinem Zweifel unterliegen, dass die Kündigungsfristlöhne als Ausgaben im Sinne dieser Bestimmung zu berücksichtigen sind, wenn der Verwalter die zu vergütende Arbeitskraft der Arbeitnehmer des Unternehmens für die Fortführung des Unternehmens in Anspruch genommen hat (vgl. zum mitarbeitenden Insolvenzschuldner , ZIP 2006, 1307, 1308 Rn. 5).
Da es sich bei § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV um eine Ausnahme von § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 InsVV handelt, muss es sich allerdings bei den abzuziehenden Ausgaben um Masseverbindlichkeiten handeln (, ZVI 2005, 388, 389). Um solche Masseverbindlichkeiten handelt es sich bei den Kündigungsfristlöhnen gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO.
2. Mit einer verbreiteten Auffassung in der Literatur ist die Rechtsbeschwerde der Meinung, dass nur diejenigen Masseschulden abzuziehen seien, die der Insolvenzverwalter bei der Unternehmensfortführung als Masseverbindlichkeit durch erstmaliges Verwalterhandeln selbst neu begründet habe, nicht aber solche Masseverbindlichkeiten, die unabhängig von der Unternehmensfortführung entstanden seien, so genannte Auslaufverbindlichkeiten. Dazu würden auch die Kündigungsfristlöhne zählen, weil diese gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO unabhängig davon zu bezahlen sind, ob der Verwalter die Dienstverhältnisse kündigt oder ob er das Unternehmen fortführt (vgl. FK-InsO/Lorenz, 4. Aufl. § 1 InsVV Rn. 27; Hess, InsO 2007 § 1 InsVV Rn. 46; Kübler/Prütting/Eickmann/Prasser, InsO § 1 InsVV Rn. 51; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV 4. Aufl. § 1 Rn. 89).
Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden (MünchKomm-InsO/Nowak, 2. Aufl. § 1 InsVV Rn. 19; HK-InsO/Irschlinger, § 1 InsVV Rn. 9 unter f).
a) Auszugehen ist davon, dass eine Unternehmensfortführung in jedem Fall zu einer Erhöhung der Vergütung des Verwalters führt. Zunächst kann sich aus der Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV nur eine Erhöhung der Vergütung ergeben, weil nur ein Überschuss berücksichtigt wird, nicht dagegen ein erwirtschafteter Verlust ( aaO m.w.N.; LG Traunstein ZInsO 2000, 510, 511).
In allen Fällen der Unternehmensfortführung ist - jedenfalls nach § 3 Abs. 1 Buchst. b InsVV - eine den Regelsatz übersteigende Vergütung festzusetzen, auch wenn die Masse dadurch nicht entsprechend größer geworden ist. Von einer "entsprechend" größeren Masse ist auszugehen, wenn die Erhöhung der Vergütung, die sich aus der Massemehrung ergibt, ungefähr den Betrag erreicht, der dem Verwalter bei unveränderter Masse über einen Zuschlag zustände. Denn der Insolvenzverwalter, der durch die Betriebsfortführung eine Anreicherung der Masse bewirkt, darf vergütungsmäßig nicht schlechter stehen, als wenn die Masse nicht angereichert worden wäre. Ist die aus der Massemehrung sich ergebende Erhöhung der Vergütung niedriger als der Betrag, der über den Zuschlag ohne Massemehrung verdient wäre, hat das Insolvenzgericht einen Zuschlag zu gewähren, der die bestehende Differenz in etwa ausgleicht. Höher darf er nicht sein, anderenfalls würde der Insolvenzverwalter für seine Bemühungen um die Betriebsfortführung doppelt honoriert. Dies ist zu vermeiden (, ZIP 2007, 784, 786 Rn. 19; v. - IX ZB 120/06, ZIP 2007, 826 Rn. 5; v. - IX ZB 120/07, ZIP 2008, 514 Rn. 7).
Danach ist eine Vergleichsrechnung durchzuführen. Dazu ist der Wert, um den sich die Masse durch die Unternehmensfortführung vergrößert hat, und die dadurch bedingte Zunahme der Regelvergütung mit der Höhe der Vergütung zu vergleichen, die ohne die Massemehrung über den dann zu gewährenden Zuschlag erreicht würde ( aaO Rn. 8).
b) Aus § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass nur ein Teil der Betriebsausgaben berücksichtigt werden soll. Maßgebend ist hiernach vielmehr allein, ob tatsächlich Ausgaben während und für die Betriebsfortführung angefallen sind.
Soweit Ansprüche auf diese Ausgaben durch vom Insolvenzverwalter abgeschlossene Verträge oder durch seine Erfüllungswahl begründet wurden, besteht hieran kein Zweifel ( aaO).
Soweit es sich um Verbindlichkeiten handelt, die aus Dauerschuldverhältnissen entstehen, die noch vom Schuldner begründet worden und nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu Masseverbindlichkeiten geworden sind, weil deren Erfüllung für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss, gilt jedoch grundsätzlich nichts anderes.
§ 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV geht davon aus, dass bei einer Unternehmensfortführung nur der Überschuss zu berücksichtigen ist. Deshalb müssen auch die während der Unternehmensfortführung anfallenden laufenden Kosten, mit denen der Gewinn erwirtschaftet werden soll, im Rahmen der Einnahmen-/Ausgabenrechnung (vgl. hierzu aaO Rn. 15) als Ausgaben berücksichtigt werden.
Würde man diese Kosten nicht in Ansatz bringen, könnten sie zugunsten des Verwalters doppelt berücksichtigt werden, wenn mit ihnen ein Überschuss erwirtschaftet wird. Zum einen dadurch, dass die Kündigungsfristlöhne in der Berechnungsgrundlage verblieben, obwohl sie im Rahmen der Unternehmensfortführung aus der Masse abfließen, zum anderen dadurch, dass gerade mit ihnen der Überschuss erwirtschaftet wird, der wiederum bei der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen ist. So hat im vorliegenden Fall der erzielte Überschuss die Kündigungsfristlöhne deutlich überstiegen.
Wird dagegen das Unternehmen nicht fortgeführt und werden die Arbeitnehmer freigestellt, kann kein Fortführungsüberschuss erwirtschaftet werden; die Kündigungsfristlöhne werden nur einmal in der Berechnungsgrundlage berücksichtigt.
Auch bei der Unternehmensfortführung gilt der Grundsatz, dass der Insolvenzverwalter für seine Bemühungen nicht doppelt honoriert werden kann ( aaO S. 786 Rn. 19; v. aaO Rn. 7).
Deshalb ist der Senat schon bisher stillschweigend davon ausgegangen, dass oktroyierte Masseverbindlichkeiten für Leistungen, die für die Unternehmensfortführung tatsächlich in Anspruch genommen wurden, als Ausgaben zu berücksichtigen sind (vgl. aaO; v. - IX ZB 160/06, ZIP 2007, 1330, 1331 Rn. 12).
Die oktroyierten Masseverbindlichkeiten, wie sie hier in Form der Kündigungsfristlöhne vorliegen, sind deshalb bei der Einnahmen-/Ausgabenrechnung zu berücksichtigen, wenn die Gegenleistung für die Fortführung des Unternehmens tatsächlich verwendet wurde. Nur diejenigen oktroyierten Masseverbindlichkeiten sind nicht als Ausgaben zu behandeln, die für Leistungen erbracht werden mußten, die für die Unternehmensfortführung nicht verwendet wurden. Dieses wäre vom Insolvenzverwalter im Vergütungsantrag im Einzelnen darzulegen.
Da der Insolvenzverwalter die Arbeitnehmer der Schuldnerin während der Kündigungsfristen des § 113 InsO im Rahmen der Unternehmensfortführung beschäftigt hat, haben die Vordergerichte die Kündigungsfristlöhne zutreffend im Rahmen der Betriebsfortführung als Ausgaben behandelt.
c) Ein wesentliches Ziel des Insolvenzverfahrens ist es, sanierungsfähige Unternehmen zu erhalten. Dazu ist in der Regel erforderlich, sie auch nach Insolvenzeröffnung fortzuführen. Die hiermit für den Verwalter verbundenen Erschwernisse und Risiken sind angemessen zu vergüten. Dies schließt es von vornherein aus, dass der Verwalter in solchen Fällen schlechter gestellt wird, als wenn das Unternehmen nicht fortgeführt worden wäre. Darüber hinaus muss in diesen Fällen für die Unternehmensfortführung eine angemessene Vergütung des Verwalters sichergestellt werden. Dies hat jedoch im Rahmen der Gewährung eines Zuschlags gemäß § 3 Abs. 1 Buchst. b InsVV zu geschehen. Bei der hier vorzunehmenden Vergleichsrechnung ist es auch zu berücksichtigen, wenn sich die Masse durch die Unternehmensfortführung nicht in gleichem Maße erhöht hat, in dem ihretwegen oktroyierte Masseverbindlichkeiten befriedigt worden sind.
d) Im vorliegenden Fall war die Vermehrung der Masse durch die Unternehmensfortführung höher als die befriedigten Kündigungsfristlöhne. Zudem hat das Landgericht allein wegen der Berücksichtigung der Kündigungsfristlöhne als Ausgaben im Rahmen der Unternehmensfortführung einen Zuschlag von 15 % auf die durch den Gewinn durch die Unternehmensfortführung erhöhte Berechnungsgrundlage gewährt. Es hat darüber hinaus für die Unternehmensfortführung einen weiteren Zuschlag gewährt, der zwar einzeln nicht näher beziffert wurde, aber erheblich ist. Insgesamt hat das Beschwerdegericht dem Insolvenzverwalter Zuschläge in der beantragten Höhe, nämlich von 60 % zugebilligt. Der Insolvenzverwalter hatte diesen Zuschlag auch deshalb für angemessen angesehen, weil nach seiner Ansicht seine Vergütung als vorläufiger Verwalter, deren Festsetzung er nicht angegriffen hatte, unzureichend war. Dies hat das Beschwerdegericht richtig als nicht zutreffend beurteilt, den beantragten Zuschlag aber gleichwohl in voller Höhe gewährt. Die Rechtsbeschwerde macht auch nicht geltend, dass bei Zugrundelegung der Rechtsansicht der Vordergerichte zu den Kündigungsfristlöhnen der Zuschlag zu gering bemessen worden sei.
Deshalb ist auszuschließen, dass das Beschwerdegericht nach einer Aufhebung und Zurückverweisung zugunsten des Insolvenzverwalters eine höhere Vergütung festsetzen würde. Dies gilt auch deshalb, weil dem Beschwerdegericht zugunsten des Insolvenzverwalters Fehler unterlaufen sind. Deren Berücksichtigung nach einer Zurückverweisung könnte allerdings wegen des Verbots der reformatio in peius (BGHZ 159, 122, 124 f; , NZI 2008, 560 Rn. 7) auch nicht mehr zu einer Herabsetzung der Vergütung des Verwalters führen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
WM 2008 S. 2299 Nr. 49
ZIP 2008 S. 2222 Nr. 47
HAAAC-96268
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja