BFH Beschluss v. - XI B 220/07

Anforderungen an eine Nichtzulassungsbeschwerde bei kumulativer Urteilsbegründung; Voraussetzungen einer Divergenz

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, UStG § 18 Abs. 4

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Grundstücksgesellschaft, die von den Eheleuten A und B als A & B GbR (GbR) gegründet und am in eine GmbH & Co. KG umgewandelt wurde. Neben dieser GbR gab es im Streitjahr unter der Bezeichnung GbR X eine weitere Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen A und B.

In ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für das Streitjahr machte die Klägerin u.a. Vorsteuern geltend, die auf das Bauvorhaben der „GbR X” entfielen. Die Erstattungsbeträge überwies der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) entsprechend einer schriftlichen Anweisung der GbR sowie des A auf ein Konto des A bei der N-Bank. Gegen die Nichtberücksichtigung der das Bauvorhaben „GbR X” betreffenden Vorsteuern in einem Schätzbescheid legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, da die den Vorsteuerabzug begründenden Bauleistungen nicht für das Unternehmen der Klägerin erbracht worden seien. Der angefochtene Bescheid sei auch nicht deshalb rechtswidrig, weil in seinem Abrechnungsteil an die Klägerin ausgezahlte Vorsteuerüberschüsse abgezogen worden seien. Zum einen sei der Abrechnungsteil nicht Teil der Steuerfestsetzung und berühre daher deren Rechtmäßigkeit nicht, zum anderen sei die Klägerin die Schuldnerin des Rückzahlungsanspruchs.

Ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision, in der sie eine Verbindung mit der am eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde (XI B 30/08) anregt, stützt die Klägerin auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf eine Abweichung des FG von der Entscheidung des (BFHE 147, 117, BStBl II 1986, 776).

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Der in der Beschwerdebegründung erfolgten Anregung, das vorliegende Verfahren mit dem Verfahren XI B 30/08 zu verbinden, wird nicht entsprochen. Eine derartige Verbindung wäre zwar in entsprechender Anwendung des § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig, aber im Hinblick auf den unterschiedlichen Streitgegenstand und die unterschiedlichen Rechtsfragen nicht zweckmäßig.

2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen. Nach ständiger Rechtsprechung ist insoweit Voraussetzung, dass es um eine im konkreten Streitfall voraussichtlich klärungsfähige Rechtsfrage geht (vgl. , BFH/NV 2000, 1238). Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Steuerpflichtige, auf dessen Anweisung ein Erstattungsbetrag an einen Dritten ausbezahlt wurde, der zur Rückerstattung verpflichtete Leistungsempfänger ist, wenn der Erstattungsanspruch nach materiellem Recht dem Dritten zusteht, ist in einem Revisionsverfahren nicht klärbar. Das FG hat in dem angefochtenen Urteil keine Feststellungen dazu getroffen, dass die „GbR X” als Dritte zugleich materiell Erstattungsberechtigte gewesen ist. Denn es hat ausdrücklich nicht geprüft, ob der „GbR X” der Vorsteuerabzug hinsichtlich sämtlicher Baurechnungen zustünde und ob sie bei Bezug der Bauleistungen überhaupt ernsthaft beabsichtigt hatte, steuerpflichtige Ausgangsumsätze zu erzielen.

3. Abgesehen davon fehlt es an der Klärbarkeit einer Rechtsfrage im Revisionsverfahren auch dann, wenn ein FG sein Urteil auf mehrere Begründungen gestützt hat, die die Entscheidung je für sich tragen (sog. kumulative Begründung). Es reicht dann für die Revisionszulassung nicht aus, wenn nur eine der Begründungen eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft und hinsichtlich der anderen Begründung(en) kein Grund für die Zulassung der Revision gegeben ist (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 123; , BFH/NV 2005, 667).

So liegen die Verhältnisse im Streitfall. Das FG hat seine Auffassung, der angefochtene Bescheid sei auch nicht deshalb rechtswidrig, weil im Abrechnungsteil an die Klägerin ausgezahlte Erstattungsbeträge abgezogen worden seien und auf diese Weise eine Steuerschuld von . € errechnet werde, wie folgt begründet: Zum einen sei der Abrechnungsteil eines Umsatzsteuerbescheides nicht Teil der Steuerfestsetzung und berühre daher deren Rechtmäßigkeit nicht, zum anderen sei die Klägerin die Schuldnerin des Rückzahlungsanspruchs.

Hinsichtlich der Begründung des FG, der Abrechnungsteil betreffe nicht die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung, liegt jedenfalls kein Grund vor, der die Zulassung der Revision rechtfertigt. Eine grundsätzliche Bedeutung ist in keiner Weise dargelegt worden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Eine Divergenz ist nicht gegeben.

a) Die Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) ist insbesondere dann geboten, wenn das angefochtene Urteil des FG in seinen tragenden Gründen von einer Entscheidung des BFH oder eines anderen Gerichts abweicht (vgl. , BFH/NV 2008, 384).

b) Das FG stellt in seinem Urteil zwar den —auf ständiger Rechtsprechung ( BFHE 148, 4, BStBl II 1987, 405; vom VII R 100/96, BFHE 182, 506, BStBl II 1997, 787) beruhenden— Rechtssatz auf, dass es bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Umsatzsteuerfestsetzung nicht auf den zum Erhebungsverfahren gehörigen Abrechnungsteil des Steuerbescheides ankommt. Damit weicht es aber nicht von tragenden Gründen des BFH-Urteils in BFHE 147, 117, BStBl II 1986, 776 ab.

aa) Von einer die einheitliche Rechtsprechung gefährdenden Abweichung kann nur gesprochen werden, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als der , BFH/NV 2006, 777; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 48).

bb) Daran fehlt es im Streitfall. Abgesehen davon, dass Streitgegenstand der vorgeblichen Divergenzentscheidung nicht die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides war, sondern die eines Abrechnungsbescheides, beruht diese BFH-Entscheidung darauf, dass das FA die Rückforderung eines aufgrund einer Voranmeldung an einen Abtretungsempfänger ausgezahlten Überschusses auf § 18 Abs. 4 Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes 1967 (UStG) gestützt hatte. Dieser Anspruch richtete sich gegen einen „Unternehmer”. Während das FG die Unternehmereigenschaft der Klägerin bejahte, war die Klägerin der Ansicht, dass sie nie Unternehmerin im Sinne des UStG gewesen sei. Im Hinblick auf den materiell-rechtlichen Charakter ihres Einwandes verwies der BFH die Klägerin darauf, dass sie diesen nicht im Rahmen eines Abrechnungsbescheides vorbringen könne, sondern gegen den Umsatzsteuerbescheid oder das damit verbundene Leistungsgebot hätte vorgehen müssen.

Im Streitfall macht die Klägerin keinen materiell-rechtlichen Einwand gegen den Steueranspruch geltend, vielmehr geht es ihr darum, ob sie auch hinsichtlich derjenigen Erstattungen, die auf ihre Anweisung hin auf ein Konto des A vorgenommen wurden, als Leistungsempfängerin zur Rückzahlung verpflichtet ist. Das ist eine die Verwirklichung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis betreffende und damit eine zum Erhebungsverfahren gehörende Frage.

Fundstelle(n):
RAAAC-95271