Darlegung einer Gehörsverletzung
Gesetze: FGO § 133a, FGO § 96 Abs. 2, GG Art. 3, GG Art. 19 Abs. 4, GG Art. 20 Abs. 3
Instanzenzug:
Gründe
I. Das Finanzgericht (FG) des Saarlandes hat mit Beschlüssen vom 1 V 1233/05 und 1 V 1234/05 Anträge der Klägerin, Beschwerdeführerin und Rügeführerin (Klägerin) auf Fortsetzung zweier Verfahren betreffend die Abänderung von Beschlüssen über die Aussetzung der Vollziehung (AdV) bestimmter Steuerbescheide des Beklagten, Beschwerdegegners und Rügegegners (Finanzamt —FA—) zurückgewiesen. Hiergegen hatte die Klägerin, die der Ansicht war, keine Fortsetzungsanträge gestellt zu haben, Nichtzulassungsbeschwerden erhoben, die der Senat mit Beschluss vom I B 42, 43/07 (juris) als nicht statthaft und damit unzulässig verworfen hat.
Außerdem hat die Klägerin gegen die FG-Beschlüsse vom Anhörungsrügen erhoben, die vom FG mit Beschlüssen vom 1 V 1068/07 und 1 V 1069/07 als unbegründet zurückgewiesen wurden.
Sodann hat die Klägerin gegen die FG-Beschlüsse vom „Nichtigkeitsklage(n) gemäß § 134 i.V.m. § 579 ff. ZPO i.V.m. § 155 FGO” erhoben, die vom FG unter Hinweis auf den (BFH/NV 1998, 990) in Nichtigkeitsanträge umgedeutet und mit Beschlüssen vom 1 V 1097/07 und 1 V 1098/07 als unbegründet zurückgewiesen worden sind. Die hiergegen erhobenen Beschwerden hat der Senat mit Beschlüssen vom I B 59/07 (juris) und I B 60/07 als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen gerichtete Anhörungsrügen (I S 17/07 und I S 18/07) blieben ohne Erfolg.
Des Weiteren hat die Klägerin sowohl gegen die FG-Beschlüsse vom betreffend die Zurückweisung der Anhörungsrügen als auch gegen die FG-Beschlüsse vom betreffend die Zurückweisung der Nichtigkeitsanträge beim FG wiederum „Nichtigkeitsklage(n) gemäß § 134 i.V.m. § 579 ff. ZPO i.V.m. § 155 FGO” erhoben.
Das FG hat die Klagen mit Urteilen vom 1 K 1198/07, 1 K 1199/07, 1 K 1200/07 und 1 K 1201/07 als unzulässig abgewiesen. Die dagegen erhobenen Nichtzulassungsbeschwerden hat der Senat mit Beschluss vom I B 109, 111-113/07 als unbegründet zurückgewiesen.
Gegen den Senatsbeschluss wendet sich die Klägerin mit ihrer Anhörungsrüge.
II. Die gemäß § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Anhörungsrüge ist unzulässig. Es fehlt ihr an einer substantiierten Darlegung (§ 133a Abs. 2 Satz 6 FGO) der in § 133a Abs. 1 Nr. 2 FGO genannten Voraussetzungen.
1. Die mit den Nichtzulassungsbeschwerden geltend gemachten Verfahrensrügen wegen Missachtung eines angeblichen gesetzlichen Beteiligtenwechsels auf der Beklagtenseite hat der Senat aus den im Senatsbeschluss angegebenen Gründen sowohl im Hinblick auf die Sachentscheidungsvoraussetzungen als auch im Hinblick auf die Begründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde für nicht entscheidungserheblich erachtet. Aus welchen Gründen er von diesem Rechtsstandpunkt aus gehalten gewesen sein soll, dem diesbezüglichen Vorbringen der Klägerin weiter nachzugehen, ist nicht ersichtlich.
2. Inwiefern die behaupteten Abweichungen des Senatsbeschlusses von Entscheidungen anderer Senate des BFH und anderer oberster Bundesgerichte zu einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs führen könnten, vermag der Senat nicht zu erkennen.
3. Mit der behaupteten Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) wegen Unterlassens der Vorlage des Rechtsstreits an den Großen Senat des BFH oder den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes kann die Klägerin im Rahmen der Anhörungsrüge nicht gehört werden, weil nicht das Verfahrensgrundrecht des rechtlichen Gehörs betroffen ist (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 133a FGO Rz 3). Entsprechendes gilt für die gerügten Verstöße gegen Art. 2, Art. 3, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG sowie gegen die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarats.
4. Entgegen der Sicht der Klägerin war der Senat nicht gehalten, sie vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen. Das Gericht ist aus dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verpflichtet, einen Hinweis auf seine Rechtsauffassung zu geben (vgl. z.B. , BFHE 185, 422, BStBl II 1998, 383; vom III S 33/06, BFH/NV 2007, 953). Auch liegt keine sog. „Überraschungsentscheidung” vor, wenn das Gericht den in der Beschwerdebegründung niedergelegten Rechtsauffassungen zu den Sachentscheidungsvoraussetzungen nicht folgt.
5. Im Hinblick auf die behauptete Verletzung des Akteneinsichtsrechts (§ 78 FGO) hat die Klägerin nicht dargelegt, wann und in welcher Form sie beim Senat Akteneinsicht beantragt haben will. Aus den Gerichtsakten sind bis zum Eingang der Begründungen der Nichtzulassungsbeschwerden Anträge auf Akteneinsicht nicht feststellbar. Sollte sich in den jeweils mehrere Hundert Seiten umfassenden Begründungsschriftsätzen, die nicht früher als einen Tag vor Ablauf der Begründungsfristen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) eingereicht worden sind, Anträge auf Akteneinsicht befunden haben, die der Senat übersehen hat, dann könnte die unterbliebene Gewährung der Akteneinsicht jedenfalls nicht kausal für die angefochtene Entscheidung gewesen sein. Denn es kann als ausgeschlossen angesehen werden, dass die Akteneinsicht noch innerhalb der Begründungsfrist durchführbar gewesen und die Klägerin dadurch gewonnene Erkenntnisse noch zur Beschwerdebegründung hätte verwenden können.
6. Der Senat hat auch die weiteren Ausführungen der Klägerin zu den materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten des Rechtsstreits zur Kenntnis genommen. Zur Begründung der Anhörungsrüge sind die Ausführungen indes nicht geeignet.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
HAAAC-94768