BGH Beschluss v. - VII ZB 32/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 238 Abs. 2 Satz 1; ZPO § 520 Abs. 2 Satz 3; ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4; ZPO § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; ZPO § 574 Abs. 2

Instanzenzug: AG Gera, 2 C 1812/06 vom LG Gera, 1 S 322/07 vom

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat die Klage, mit der der Kläger eine Forderung von 1.747,26 € geltend gemacht hat, abgewiesen. Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt H. am zugestellte Urteil hat der Kläger am Berufung eingelegt.

Mit auf datiertem und von ihm unterzeichnetem Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei dem Landgericht beantragt, die Frist zur Berufungsbegründung bis einschließlich zu verlängern. Zur Begründung hat er sich auf seine urlaubsbedingte Ortsabwesenheit in der Zeit vom 13. September bis und eine damit verbundene derzeitige Arbeitsüberlastung berufen. Auf Nachfrage des Kammervorsitzenden hat die Sekretärin des Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass sich Rechtsanwalt H. bis in Urlaub befinde, das Schreiben vom vordatiert und von Rechtsanwalt H. vor Urlaubsantritt unterzeichnet worden sei. Der Vorsitzende hat daraufhin mit Verfügung vom selben Tag den Antrag auf Fristverlängerung abgelehnt, weil die im Fristverlängerungsersuchen angegebene Begründung einer urlaubsbedingten Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht glaubhaft gemacht und darüber hinaus unzutreffend und wahrheitswidrig sei.

Am (Montag) hat die Urlaubsvertreterin des Rechtsanwalts H. den nunmehr von ihr unterzeichneten Schriftsatz vom mit dem Vermerk, dass Rechtsanwalt H. nach Diktat verreist sei, übersandt. Außerdem hat sie die Kopie eines Flugscheins vorgelegt, wonach der Prozessbevollmächtigte des Klägers einen Rückflug für den gebucht hatte. Der Kammervorsitzende hat auch den erneut gestellten Antrag auf Fristverlängerung abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die nunmehr erfolgte Glaubhaftmachung besage nichts über den Beginn der Urlaubsabwesenheit; die Rückkehr sei entgegen der Darstellung im Fristverlängerungsersuchen des Prozessbevollmächtigten des Klägers zeitlich vor dem angegebenen Termin.

Nach Zustellung beider ablehnender Verfügungen am hat der Kläger am Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Am hat er die Berufungsbegründung nachgeholt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Versicherung an Eides Statt vorgetragen, er habe am einen Urlaub angetreten, dessen Ende für den vorgesehen gewesen sei. In Vorbereitung dieses Urlaubs habe er am das auf den vordatierte Fristverlängerungsgesuch unterzeichnet. Er habe nicht damit rechnen können, dass sein form- und fristgerecht gestellter Antrag, hilfsweise der seiner Urlaubsvertreterin, abgelehnt werden würde.

Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist abgelehnt und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO in Verbindung mit §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Das Berufungsgericht hat dem Kläger zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt und infolgedessen die Berufung als unzulässig verworfen.

1. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruhe auf einem vorwerfbaren Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Zwar könne ein Rechtsanwalt regelmäßig darauf vertrauen, dass einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entsprochen werde, wenn ein als erheblich einzustufender Grund angegeben sei. Vorliegend habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist aber ausnahmsweise nicht vertrauen dürfen, weil sowohl er als auch seine Urlaubsvertreterin in den Fristverlängerungsanträgen unzutreffende Angaben gemacht hätten. Das Fristverlängerungsersuchen des Rechtsanwalts H. enthalte ein unzutreffendes Ausstellungsdatum. Der Fristverlängerungsantrag der Urlaubsvertreterin enthalte unzutreffende Angaben, soweit er mit der urlaubsbedingten Ortsabwesenheit des "Unterfertigten" begründet worden und in Bezug auf den Klägervertreter "nach Diktat verreist" angegeben sei.

2. Die Begründung, mit der das Landgericht den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen hat, trägt die Entscheidung nicht.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Rechtsanwalt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass seinem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um bis zu einem Monat stattgegeben wird, wenn die Voraussetzungen des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO hinreichend vorgetragen sind (, NJW-RR 2008, 76 mit zahlreichen Nachweisen).

b) Rechtsanwalt H. trifft kein dem Kläger anzulastendes Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Er durfte mit einer antragsgemäßen Verlängerung dieser Frist rechnen, nachdem er mit Schriftsatz vom eine erstmalige Fristverlängerung von nicht mehr als einem Monat unter Darlegung eines erheblichen Grundes beantragt hatte.

aa) Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat glaubhaft gemacht, dass er sich in der Zeit vom 14. September bis zu einem Auslandsaufenthalt in der Türkei befand. Er hat weiterhin glaubhaft gemacht, dass er seinen Urlaub bereits am angetreten hatte und das Urlaubsende für den geplant war. Der Urlaub des Prozessbevollmächtigten des Klägers, der in nicht unerheblichem Umfang in die bis zum laufende Berufungsbegründungsfrist fiel, stellt einen erheblichen Grund für eine erste Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO dar (, NJW 1991, 2080; Beschluss vom - VII ZB 25/96, MDR 1997, 191 = NJW 1997, 400).

bb) Diesen Grund hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit dem Gesuch um Fristverlängerung vom geltend gemacht. Etwaige sich aus dem Gesuch ergebende Widersprüchlichkeiten sind durch Nachfrage des Vorsitzenden in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers vor Ablehnung des Fristverlängerungsantrags aufgeklärt worden. Danach bestand keinerlei Veranlassung mehr, die Fristverlängerung nicht zu bewilligen.

cc) Auch der Fristverlängerungsantrag der Urlaubsvertreterin des Klägervertreters hätte nicht abgelehnt werden dürfen. Aus dem am gestellten Antrag ging hervor, dass das Fristverlängerungsgesuch wegen urlaubsbedingter Abwesenheit des Klägervertreters und nicht der unterzeich-nenden Urlaubsvertreterin gestellt wurde. Die urlaubsbedingte Abwesenheit des Rechtsanwalts H. war zumindest bis glaubhaft gemacht. Mit der Bewilligung der Fristverlängerung konnte daher gerechnet werden.

3. Da somit die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist unverschuldet ist, war dem Kläger antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und der seine Berufung verwerfende Beschluss aufzuheben.

Fundstelle(n):
EAAAC-94730

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein