BGH Beschluss v. - 5 StR 445/08

Leitsatz

[1] Die Verwendung einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs nach Vollendung einer Raubtat setzt zur Verwirklichung der Qualifikation nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB Beutesicherungsabsicht voraus.

Gesetze: StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1

Instanzenzug: LG Berlin, vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte in Ausnutzung einer kurzzeitigen Abwesenheit der Kassiererin Geld aus einer Kinokasse entnommen, war dann aber noch in unmittelbarer Nähe der Kassen von mehreren Unbeteiligten überwältigt, zu Boden gebracht und dort festgehalten worden. Der Angeklagte wehrte sich gegen diese Übermacht "massiv, indem er mit großem Kraftaufwand durch Winden und Zappeln versuchte, sich den Griffen der Zeugen zu entziehen", was ihm jedoch nicht gelang. Vergeblich versuchte er, den Ellenbogen eines der ihn festhaltenden Zeugen nach oben zu drücken. Dabei hielt er das erbeutete Geldbündel zunächst fest. Nachdem er im weiteren Verlauf des Geschehens die Hände frei bekommen hatte, nutzte der Angeklagte dies, um Pfefferspray aus seiner Kleidung zu holen und es in Richtung der Zeugen zu sprühen, die dadurch verletzt wurden. Alsbald nach Beginn des Sprühens ließ der Angeklagte seine gesamte Beute fallen. Durch den Einsatz des Pfeffersprays wollte er seine Flucht erreichen. Das Landgericht hat es nicht auszuschließen vermocht, dass es ihm nun nicht mehr darum ging, das Geld zu behalten.

2. Nach Auffassung des Landgerichts verwirklicht der Einsatz des Pfeffersprays den Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Es hat als unschädlich angesehen, dass dieser "erst nach Aufgabe der Beutesicherungsabsicht" erfolgte. Für die Verwirklichung der Qualifikation reiche es aus, dass sich - wie hier - die tatspezifische Gefährlichkeit im Einsatz des Sprays verwirklicht habe (unter Berufung auf BGHSt 38, 295).

Diese Begründung des Landgerichts geht fehl. Der Strafschärfungsgrund der gegenüber § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB erhöhten Qualifizierung des Absatzes 2 Nr. 1 liegt darin, dass es tatsächlich zum Einsatz eines mitgeführten Werkzeugs als Nötigungsmittel kommt (vgl. BT-Drucks 13/8587, S. 45). Dabei ist zu fordern, dass das gefährliche Tatmittel zur Verwirklichung der raubspezifischen Nötigung verwendet wird (Fischer, StGB 55. Aufl. § 250 Rdn. 17). So wie in den Fällen des § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB die Waffe in einem Handlungsausschnitt mitgeführt werden muss, der wenigstens zu einer Intensivierung der tatbestandstypischen Rechtsgutsverletzung bzw. zur Sicherung des Erlangten dient (Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 250 Rdn. 12), ist es im Fall des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB erforderlich, dass diese gerade als Mittel zur Sicherung des Besitzes an dem gestohlenen Gut eingesetzt wird (vgl. BGHSt 48, 365, 366 f. hinsichtlich der erforderlichen finalen Verknüpfung zwischen - qualifiziertem - Nötigungsmittel und Wegnahme beim Raub; vgl. auch Sander in MünchKomm-StGB § 250 Rdn. 58, § 252 Rdn. 13, 21). Nur der Einsatz des qualifizierten Nötigungsmittels zur Sicherung des durch den Diebstahl Erlangten begründet den besonderen Unrechtsgehalt des nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB qualifizierten räuberischen Diebstahls und stellt ihn dem nach derselben Vorschrift qualifizierten Raub gleich (im Anschluss an BGHSt 9, 162, 163).

Vom vorliegenden Fall unterscheidet sich der der Entscheidung BGHSt 38, 295 zugrunde liegende Sachverhalt insoweit, als dort der Einsatz des qualifizierten Nötigungsmittels nach Vollendung der Raubtat immer noch von Beutesicherungsabsicht getragen war.

Wegen des Einsatzes des Pfeffersprays im vorliegenden Fall hat der Senat ferner die tateinheitliche versuchte Nötigung in den Schuldspruch mit aufgenommen (Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 354 Rdn. 17).

3. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, da Auswirkungen auf diesen nicht auszuschließen sind. Zwar hat das Landgericht die Strafe dem Rahmen des § 250 Abs. 3 StGB entnommen, der auch auf den Schuldspruch nach § 250 Abs. 1 StGB anzuwenden ist. Jedoch wird nunmehr dem Umstand, dass die - verbleibenden - raubspezifischen Nötigungshandlungen des Angeklagten (Winden, Zappeln, Wegdrücken des Ellenbogens eines Zeugen) im unteren Schwerebereich der Gewalt liegen, neben dem ohnehin gravierend mildernden Moment der Versuchsnähe stärkeres Gewicht zukommen. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass das neue Tatgericht einen minder schweren Fall nach § 250 Abs. 3 StGB bereits ohne Berücksichtigung der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten annehmen wird.

Da es sich um einen reinen Subsumtionsfehler handelt, können die Feststellungen bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann weitergehende Feststellungen treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.

Fundstelle(n):
NJW 2008 S. 3651 Nr. 50
FAAAC-94640

1Nachschlagewerk: ja