Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 3; StPO § 7; StPO § 8; StPO § 9; StPO § 10; StPO § 11; StPO § 13 Abs. 1; StPO § 16; StPO § 16 Satz 2; StPO § 16 Satz 3; StPO § 264 Abs. 1; StGB § 9
Instanzenzug: LG Görlitz, vom
Gründe
Das Landgericht hat das Verfahren gegen den Angeklagten eingestellt (§ 260 Abs. 3 StPO), weil es sich - auf den entsprechenden Einwand des Angeklagten vor dessen Vernehmung zur Sache - für örtlich unzuständig erklärt hat. Die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, bleibt erfolglos.
I.
Die Staatsanwaltschaft hat am gegen den Angeklagten und zwei weitere, mittlerweile im abgetrennten Verfahren rechtskräftig verurteilte Mitangeklagte Anklage erhoben und ihm vorgeworfen, als Apotheker in Berlin in 18 Fällen vorsätzlich unerlaubt Grundstoffe erworben und veräußert zu haben. Hauptabnehmer soll der bereits vor Eingang der Anklage rechtskräftig verurteilte B. gewesen sein, so auch im Fall 15 der Anklage. In diesem Fall habe B. das Ephedrinhydrochlorid an den ebenfalls rechtskräftig verurteilten L. veräußert, der es seinerseits an weitere Abnehmer weiterreichte. Schließlich sollen die gesondert verfolgten H. und N. fünf Kilogramm aus dieser Liefermenge übernommen und dann an die rechtskräftig verurteilte Scho. übergeben haben, die diese Teilmenge in den Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Görlitz verbrachte, um es anschließend nach Tschechien zu befördern. Mit Beschluss vom hat sich das Landgericht für örtlich unzuständig erklärt. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht Dresden diesen Beschluss aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Vor seiner Vernehmung zur Sache hat der Angeklagte den Einwand der Unzuständigkeit des Landgerichts erhoben (§ 16 Sätze 2 und 3 StPO). Die vormals Mitangeklagten haben diesen Einwand nicht erhoben und sind nach Verfahrensabtrennung rechtskräftig verurteilt worden.
II.
Die Revision ist unbegründet. Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei für örtlich unzuständig gehalten. Weder der Angeklagte noch die beiden Mitangeklagten begingen ihre Taten im Gerichtsbezirk des Landgerichts Görlitz (§ 7 Abs. 1 StPO, § 9 StGB); sie hatten dort weder ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthaltsort (§ 8 StPO) noch wurden sie dort ergriffen (§ 9 StPO). Aber auch mit dem zum Zeitpunkt der Anklageerhebung noch gegen Hänchen und Niemann anhängigen Strafverfahren lässt sich eine Zuständigkeit des Landgerichts nicht über die Vorschriften der § 13 Abs. 1, § 3 StPO begründen. Nach § 13 Abs. 1 StPO ist ein Gerichtsstand für zusammenhängende Strafsachen, die einzeln nach den Vorschriften der §§ 7 bis 11 zur Zuständigkeit verschiedener Gerichte gehören würden, bei jedem Gericht begründet, das für eine der Strafsachen zuständig ist. Ein Zusammenhang in diesem Sinne ist nach § 3 StPO unter anderem dann gegeben, wenn bei einer Tat mehrere Personen als Täter oder Teilnehmer beschuldigt werden. Seitens des Generalbundesanwalts ist im Terminsantrag zutreffend dazu ausgeführt worden:
"1. Kein Sachzusammenhang mit einer im Bezirk des Landgerichts Görlitz begangenen Tat
Der Begriff der Tatbeteiligung in § 3 StPO ist nicht auf die Teilnahme im Sinne des materiellen Strafrechts beschränkt; es genügt die strafbare, in dieselbe Richtung zielende Mitwirkung an einem einheitlichen geschichtlichen Vorgang (vgl. BGH NJW 1988, 150 = BGHR StPO § 3 Teilnahme 1). Dabei ist entscheidend, wie weit gemäß § 264 Abs. 1 StPO die Tat des Angeklagten reicht und ob sich die gesondert Verfolgten N. , H. und K. daran beteiligt haben.
Die Beschwerdeführerin bezieht sich auf das vorbezeichnete Urteil; für sie soll sich die erforderliche einheitliche Richtung aller ,Beteiligten' daraus ergeben, dass das innerhalb der Kette ver- und gekaufte Ephedrin identisch ist.
Diese Sicht der Beschwerdeführerin vermag indes nicht zu überzeugen.
In dem der oben genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde liegenden Fall handelte es sich um einen Verkauf auf Kommissionsbasis zwischen zwei Angeklagten. In einer solchen Konstellation stellt sich das Verhalten des Verkäufers noch als Teilakt des auf Abgabe an den Endverbraucher gerichteten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln dar, weil der Kommissionsverkäufer regelmäßig ein wirtschaftliches Interesse an dem Weiterverkauf hat.
So lag der Fall hier freilich nicht.
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt sich das Zusammenwirken von Veräußerer und Erwerber von Betäubungsmitteln grundsätzlich als jeweils selbständige Täterschaft dar, weil sich beide als Geschäftspartner gegenüberstehen und gegenteilige Interessen verfolgen, so dass ihr Zusammenwirken allein durch die Art der Deliktsverwirklichung notwendig vorgegeben ist. Aus dem gleichen Grund kann in dem täterschaftlichen Handeltreiben des Verkäufers auch nicht zugleich eine Beihilfehandlung zu dem durch den Erwerb und die Weiterveräußerung der Betäubungsmittel begründeten Handeltreiben des Abnehmers gesehen werden (vgl. BGH NJW 2002, 3486, 3487).
Ausgehend hiervon war die Tat des Angeklagten im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO mit der Übergabe des Ephedrin an und der Barzahlung durch B. voll- und beendet. Sie stellt sich gerade nicht als ein Teilakt des auf Abgabe an einen Endverbraucher gerichteten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln dar. Das ergibt sich aus Folgendem:
Der Angeklagte verfolgte mit der Übergabe des Ephedrin an den gesondert Verfolgten B. in Berlin allein seine eigenen Interessen. Das ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass weder ihm noch den beiden ehemaligen Mitangeklagten Se. die Abnehmer des B. bekannt waren und dass zwischen den verschiedenen Erwerbern und Veräußerern des Ephedrins eine Risiko- oder Gewinnbeteiligung nicht vereinbart wurde (vgl. UA S. 5, 6). Ein mittäterschaftliches, in dieselbe Deliktsrichtung zielendes Verhalten des Angeklagten mit den übrigen Erwerbern und Veräußerern, welches den erforderlichen Sachzusammenhang begründen könnte, scheidet damit aus. Im Übrigen hat sich das Landgericht auf UA S. 8-10 ausführlich und rechtlich zutreffend mit diesem Aspekt auseinandergesetzt, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen darauf Bezug genommen wird.
2. Kein Sachzusammenhang durch rügeloses Einlassen der früheren Mitangeklagten Se.
Die Beschwerdeführerin will den nach §§ 3, 13 Abs. 1 StPO erforderlichen Sachzusammenhang zudem daraus ableiten, dass das Verfahren gegen die früheren Mitangeklagten Se. am ersten Tag der Hauptverhandlung abgetrennt, diese den Einwand nach § 16 StPO nicht erhoben haben und es dadurch zu einer Zuständigkeitsperpetuierung für diese gekommen ist. Damit sei ein Verfahren beim Landgericht Görlitz anhängig, welches im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen den Angeklagten stehe.
Dabei stellt sie indes auf einen falschen Zeitpunkt ab. Verfahrensrechtliche Tatsachen, welche dem Eröffnungsbeschluss zeitlich nachfolgen, müssen für die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit außer Ansatz bleiben (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 355 Rdnrn. 2, 3 m.w.N.). Das Hauptverfahren gegen alle drei Angeklagten wurde gemeinsam eröffnet (vgl. Bd. VI Bl. 2255, Bd. V Bl. 2074 ff.), so dass zu diesem Zeitpunkt ein weiteres, im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen den Angeklagten stehendes Verfahren beim Landgericht Görlitz nicht anhängig war."
Der Senat bemerkt ergänzend: Die rügelose Einlassung der vormals Mitangeklagten kann bereits deswegen nicht den Gerichtsstand des Zusammenhangs nach § 13 Abs. 1 StPO begründen, weil dieser Fall nicht vom Gesetzeswortlaut erfasst ist. § 13 Abs. 1 StPO kann nur einen weiteren Gerichtsstand für insbesondere von § 7 StPO, § 9 StGB nicht erfasste Fälle begründen und setzt damit also voraus, dass gegen die anderen Beteiligten ein erster Gerichtsstand nach §§ 7 bis 11 StPO gegeben ist (BGHR StPO § 13 Abs. 1 Auslandstat 1). Dies war hier, wie ausgeführt, bezüglich der beiden Mitangeklagten nicht der Fall.
Die Erstreckung des § 13 Abs. 1 StPO auf den Fall der rügelosen Einlassung durch Mitangeklagte ließe sich zudem mit dem Rügerecht des Angeklagten aus § 16 Sätze 2 und 3 StPO nicht vereinbaren. Die Präklusionsvorschrift darf nicht dahin ausgeweitet werden, dass das Rügerecht auch entfiele, weil Mitangeklagte nicht von ihrem Recht zum Einwand Gebrauch machen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
QAAAC-94632
1Nachschlagewerk: nein