BFH Beschluss v. - VII B 243/07

Antrag der Vollstreckungsbehörde nach § 322 Abs. 3 Satz 1 AO als aussetzungsfähiger Verwaltungsakt

Gesetze: AO § 322 Abs. 3, AO § 322 Abs. 4, AO § 85, FGO § 69

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) schuldet dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) aus vollziehbaren Steuerbescheiden erhebliche Abgaben, deren Beitreibung durch Vollstreckungsversuche in das bewegliche Vermögen erfolglos geblieben ist. Deshalb beantragte das FA beim Amtsgericht (AG) unter Hinweis auf das Vorliegen der gesetzlichen Vollstreckungsvoraussetzungen i.S. des § 322 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) die Anordnung der Zwangsversteigerung von fünf dem Kläger gehörenden Immobilien, auf die es zuvor die Eintragung von Sicherungshypotheken erwirkt hatte. Den Einspruch gegen diese Anträge begründete der Kläger damit, dass sie keinerlei Ermessenserwägungen enthielten. In der Einspruchsentscheidung führte das FA aus, dass gemäß § 85 AO bei säumigen Steuerzahlern die vom Gesetz zur Verfügung gestellten Zwangsmittel angewendet werden müssten, wobei über die einzuleitenden Vollstreckungsmaßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden sei; in dem Antrag auf Zwangsversteigerung an das AG hingegen sei eine Darlegung der Ermessenserwägungen vom Gesetz nicht vorgesehen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, die wiederum auf eine fehlende Ermessensentscheidung des FA, insbesondere die Nichtbeachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gestützt war, als unbegründet zurück. Es war der Auffassung, das FA habe bei den Anträgen auf Anordnung der Zwangsversteigerung der Immobilien das ihm eingeräumte Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Indem das FA sich mit den Voraussetzungen des § 322 Abs. 4 AO auseinandergesetzt habe, habe es zugleich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger, die Annahme des FG, das FA habe bei den Anträgen auf Zwangsversteigerung das ihm eingeräumte Ermessen ausgeübt, könne „weder aus dem vorliegenden Tatbestand noch aus der sich daraus ergebenden Rechtsfolgenseite in nachvollziehbarer Weise hergeleitet werden”. Es sei von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), dass geklärt werde, ob die bisherige (unklare) Rechtslage zu § 322 Abs. 3 Satz 1 AO mit der Vollstreckbarkeitsbestätigung i.S. des Satzes 2 ausreiche, den davon betroffenen Vollstreckungsschuldnern einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Ideal wäre eine Klarstellung, dass der Antrag der Vollstreckungsbehörde nach § 322 Abs. 3 Satz 1 AO einen Verwaltungsakt darstellt. Außerdem sei ein klärender Richterspruch i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO erforderlich, weil das FA in der Einspruchsentscheidung die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) im Hinblick auf den angeblich vorrangigen Antrag auf Bewilligung der einstweiligen Einstellung des Verfahrens gemäß § 30 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung bestätigt habe. Demgegenüber habe der Bundesfinanzhof —BFH— (Beschluss vom VII B 85/87, BFHE 152, 53, BStBl II 1988, 566) in der AdV den zutreffenden einstweiligen Rechtsschutz gesehen.

II. Die Beschwerde ist —bei Zweifeln an der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Darlegung eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 FGO— jedenfalls unbegründet.

1. Die vom Kläger für erforderlich gehaltene Klarstellung, dass es sich bei dem Antrag der Vollstreckungsbehörde nach § 322 Abs. 3 Satz 1 AO um einen Verwaltungsakt handele, liegt bereits vor. Der Kläger selbst führt in seiner Beschwerde den Senatsbeschluss in BFHE 152, 53, BStBl II 1988, 566 an, in dem der Verwaltungsaktcharakter der Anträge an das Vollstreckungsgericht nach § 322 AO festgestellt wird. Im Beschluss vom VII B 131/92 (BFH/NV 1993, 460) hat der Senat nochmals ausdrücklich bestätigt, dass es sich bei den Vollstreckungsmaßnahmen nach § 322 AO um nach § 69 FGO aussetzungsfähige Verwaltungsakte handelt. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, woraus sich ein weitergehender Klärungsbedarf ergeben könnte.

2. Aus denselben Gründen erübrigt sich auch ein „klärender Richterspruch” zur Bestimmung des zutreffenden einstweiligen Rechtsschutzes. Aber auch wenn dieses Vorbringen als Divergenzrüge i.S. des § 115 Abs. 2 Satz 2 FGO gemeint sein sollte, könnte damit die Zulassung der Revision im vorliegenden Rechtsstreit schon deshalb nicht erreicht werden, weil es sich hier nicht um den einstweiligen Rechtsschutz gegen die Anträge auf Zwangsversteigerung, sondern um das Hauptsacheverfahren über die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsanträge handelt, in dem sich das FG zur Frage des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu äußern hatte.

3. Der Sache nach erschöpft sich das Vorbringen des Klägers darin, dass das FA das bei Stellung der Zwangsversteigerungsanträge auszuübende Ermessen verkannt oder jedenfalls nicht sachgerecht ausgeübt habe und das FG bei der von ihm nach § 102 FGO vorzunehmenden Überprüfung die Ausübung dieses Ermessens durch das FA rechtsfehlerhaft gewürdigt habe. Damit wird jedoch keiner der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Zulassungsgründe dargelegt. Vielmehr liegt darin die Behauptung eines Verstoßes gegen das materielle Recht, der allein die Revisionszulassung nicht rechtfertigt (, BFH/NV 2007, 958).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1990 Nr. 12
CAAAC-93964