BFH Beschluss v. - III B 129/07

Grobes Verschulden des Investors bei Anfertigung eines Investitionszulagenantrags

Gesetze: AO § 173 Abs. 1 Nr. 2, InvZulG § 3 Abs. 1 Nr. 4b

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie ließ in einem ihr gehörenden, im Fördergebiet belegenen Gebäude, das zum Teil für Wohnzwecke und zum Teil gewerblich genutzt wird, das Dachgeschoss zu zwei Wohnungen ausbauen. Die Baumaßnahmen wurden im Jahr 2000 beendet. Bereits im Jahr 1999 hatte die Klägerin die Bildung von Wohnungseigentum angestrebt. Ein entsprechender Antrag wurde jedoch Anfang 2002 zurückgewiesen. Erst aufgrund einer Teilungserklärung aus dem Jahre 2003 wurde Wohnungseigentum gebildet.

Die Klägerin begehrte mit Antrag vom für das Jahr 2000 Investitionszulage nach § 3 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999 aus einer Bemessungsgrundlage von 546 890 DM. Als Begünstigungstatbestand war im Zulagenantrag „Herstellung eines neuen Gebäudes” angegeben.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) lehnte den Antrag mit Bescheid vom ab. Das FA war fälschlich der Meinung, dass hinsichtlich der neu entstandenen Wohnungen bereits Wohnungseigentum gebildet worden sei. Unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom (BStBl I 1996, 689 Tz. 10) vertrat es die Ansicht, der Ausbau des Dachgeschosses sei als Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts zu beurteilen, da Wohnungseigentum begründet worden sei. Die Gewährung von Investitionszulage hänge bei einer Gebäudeherstellung u.a. davon ab, dass das Gebäude in einem Sanierungsgebiet, Erhaltungssatzungsgebiet oder in einem Kerngebiet belegen sei. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Der Ablehnungsbescheid erwuchs in Bestandskraft.

Mit Antrag vom beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Investitionszulage nach § 3 InvZulG 1999 für das Jahr 2000, allerdings nicht für die Herstellung eines neuen Gebäudes, sondern für nachträgliche Herstellungsarbeiten und für Erhaltungsarbeiten. Die Bemessungsgrundlage gab sie nunmehr mit 507 829 DM an. Das FA lehnte den Antrag unter Hinweis auf den bestandskräftigen Ablehnungsbescheid vom ab.

Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg, ebenso wenig die anschließend erhobene Klage. Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, der Ablehnungsbescheid sei bestandskräftig, eine Änderung sei nicht möglich. Neue Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) lägen nicht vor. Zwar habe das FA irrtümlich angenommen, dass bereits Wohnungseigentum begründet worden sei. Diese Annahme sei jedoch für den Streitfall nicht rechtserheblich gewesen, denn im BMF-Schreiben in BStBl I 1996, 689 werde nur undifferenziert von einer Teilungserklärung gesprochen. Auch sei zu berücksichtigen, dass letztlich Wohnungseigentum gebildet worden sei. Die Qualifizierung als nachträgliche Herstellungsarbeiten sei nicht als neue Tatsache anzusehen. Außerdem sei grobes Verschulden der Klägerin anzunehmen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin die Notwendigkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Rechtsfrage, ob die im BMF-Schreiben in BStBl I 1996, 689 genannte Teilungserklärung (§ 8 des WohnungseigentumsgesetzesWEG—) rechtlich wirksam sein müsse, sei klärungsbedürftig. Das FG habe deren Bedeutung im angefochtenen Urteil verkannt. Mit einer während der Bauphase abgegebenen Teilungserklärung werde ein Steuerpflichtiger nach Verwaltungsansicht so gestellt, als sei die Teilung bereits vollzogen. Als Teilungserklärung könne jedoch nur eine wirksame angesehen werden. Der Umstand, dass im Streitfall die Erklärung unwirksam gewesen sei, sei eine neue Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Auch sei zu klären, ob deshalb grobe Fahrlässigkeit vorliege, weil die Klägerin die unrichtige Darstellung des Sachverhalts im Ablehnungsbescheid vom hingenommen habe. Für eine Korrektur habe keine Veranlassung bestanden, weil nicht zu erkennen gewesen sei, dass das FA zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass noch kein Wohnungseigentum gebildet worden sei.

Weiter sei klärungsbedürftig, ob die Klägerin deshalb grob fahrlässig gehandelt habe, weil sie im ursprünglichen Zulagenantrag nicht sämtliche Investitionen des Jahres 2000 angegeben habe. Sie habe den Antrag bewusst auf einen Neubau beschränkt und deshalb entsprechende Angaben gemacht.

Schließlich sei die Revision auch wegen greifbar gesetzwidriger Rechtsanwendung zuzulassen, weil das FG die Bedeutung der Teilungserklärung verkannt habe und weil es in der Frage des groben Verschuldens von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab-

gewichen sei. Es handele sich um Fehler, die geeignet seien, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache erfordert keine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

1. Der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO) stellt einen Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung dar (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). In beiden Fällen muss es sich um eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage handeln (z.B. Senatsbeschluss vom III B 202/05, BFH/NV 2006, 1653).

a) Die von der Klägerin sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine Teilungserklärung nach § 8 WEG rechtlich wirksam sein müsse, damit das im BMF-Schreiben in BStBl I 1996, 689 eingeräumte Wahlrecht ausgeübt werden könne, und ob die Unwirksamkeit einer Teilungserklärung eine neue Tatsache i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sei, könnte in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden; sie ist nicht entscheidungserheblich. Nach Tz. 1 des genannten BMF-Schreibens hat ein Steuerpflichtiger die Möglichkeit, Baumaßnahmen an einem Dachgeschoß den zu schaffenden Eigentumswohnungen zuzuordnen, sofern er bis zur Beendigung der Maßnahme eine Teilungserklärung abgibt. Nach Ansicht der Klägerin ist die Unwirksamkeit der Teilungserklärung eine neue Tatsache, die eine Änderung des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides vom ermöglicht.

Im Streitfall wurde dem FA erst nachträglich bekannt, dass hinsichtlich der beiden neu entstandenen Wohnungen noch kein Wohnungseigentum gebildet worden war. Für das FA, das fälschlich gegenteiliger Ansicht war, war die unzutreffende Annahme ausschlaggebend dafür, die Investitionszulage zu versagen, offensichtlich weil nach seiner Ansicht bei bereits bestehendem Wohnungseigentum der Begünstigungstatbestand „Nachträgliche Herstellungsarbeiten” ausschied. Das FG lehnte eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO jedoch auch deshalb ab, weil grobes Verschulden der Klägerin i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO anzunehmen sei. Es sei erkennbar gewesen, dass das FA von bereits begründetem Wohnungseigentum ausgegangen sei. Die Klägerin habe der unzutreffenden Sachverhaltsdarstellung im Ablehnungsbescheid vom nicht widersprochen und habe deshalb die nach den persönlichen Verhältnissen und Fähigkeiten ihres Vertreters zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt.

Die Bejahung oder Verneinung groben Verschuldens betrifft die tatsächliche Würdigung des FG, die grundsätzlich nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden kann. Sie könnte in der Revisionsinstanz nur darauf überprüft werden, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit zutreffend angewendet worden ist und ob die Würdigung der Umstände hinsichtlich des individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen widerspricht (, BFH/NV 2005, 1577, m.w.N.). Entsprechende Rechtsfehler des FG sind jedoch nicht ersichtlich.

b) Auch die Frage, ob die Klägerin deshalb grob fahrlässig gehandelt habe, weil sie im ursprünglichen Antrag auf Investitionszulage nicht sämtliche Investitionskosten des Jahres 2000 aufgeführt hat, bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Damit ist wiederum eine Änderung des Bescheides vom nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO angesprochen. Die Klägerin war offensichtlich der Ansicht, für die einzelnen Begünstigungstatbestände des § 3 InvZulG 1999 könne jeweils ein eigener Zulagenantrag gestellt werden, so dass ein Ablehnungsbescheid, der Aussagen zu einer Gebäudeherstellung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 InvZulG 1999 treffe, keine (negative) Entscheidung zu anderen Fördertatbeständen der Vorschrift beinhalte. Das FG hat hierzu ausgeführt, dass grobes Verschulden nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vorliege, weil aus dem Zulagenantrag klar und eindeutig zu ersehen sei, dass er einheitlich für alle Investitionen eines Kalenderjahres abzugeben sei. Der mit der Erstellung des Antrags befasste Gesellschafter der Klägerin hätte aufgrund seiner beruflichen Stellung als Architekt ohne weiteres dazu in der Lage sein müssen, sich einen vollständigen Überblick über die im Jahre 2000 getätigten Investitionen zu verschaffen. Auch insoweit hat das FG eine tatsächliche Würdigung vorgenommen, die im Streitfall nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden kann.

2. Es ist auch keine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO). Mit der pauschalen Behauptung, das FG sei in der Frage des groben Verschuldens von der BFH-Rechtsprechung abgewichen, wird der Zulassungsgrund der Divergenz nicht dargetan i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO (s. hierzu z.B. , BFH/NV 2006, 2285).

3. Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt auch kein schwerwiegender, zur Zulassung der Revision führender Rechtsfehler vor. Von einem solchen ist nur dann auszugehen, wenn das Urteil des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (s. z.B. , BFH/NV 2008, 1192, m.w.N.). Dies trifft im Streit-

fall weder hinsichtlich des Punktes „Teilungserklärung” noch hinsichtlich des Punktes „grobes Verschulden” zu.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1992 Nr. 12
FAAAC-92644