Verzicht auf den Erwerb des Grundstücks durch Abtretung eines Kaufangebots
Leitsatz
Unter Erwerbsverzicht i. S. des § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG ist nicht das Unterlassen eines Vermögenserwerbs i. S. des § 517 BGB zu verstehen, sondern das "Absehen von einem Erwerb" des Grundstücks durch eine Person, die willens und tatsächlich - und damit auch rechtlich - in der Lage ist, das Eigentum am Grundstück anstelle des Erwerbers zu erlangen. Die entgeltliche Abtretung eines Grundstückskaufangebots, das der Abtretende selber hätte annehmen können, schließt einen Verzicht auf den Erwerb des Grundstücks in seiner eigenen Person ein. Bei Annahme des Kaufangebots durch den Abtretungsempfänger gehört zur Gegenleistung für die Bemessung der Grunderwerbsteuer für diesen Erwerbsvorgang der an den Grundstückseigentümer zu zahlende Grundstückskaufpreis und der an den Abtretenden für die Abtretung zu zahlende Betrag.
Gesetze: GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, GrEStG § 8 Abs. 1, GrEStG § 9
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Mit notariell beurkundeter Erklärung vom machte die . KG der . AG ein Angebot zum Abschluss eines in der Urkunde bereits vorformulierten Kaufvertrages über das in Z gelegene bebaute Grundstück zu einem Kaufpreis in Höhe des Verkehrswerts „im Zeitpunkt der Annahme” des Angebots zuzüglich bestimmter Zuzahlungen. Die AG nutzte das Grundstück im Rahmen eines Leasingvertrages bereits seit 1981. Der Leasingvertrag war auf 30 Jahre abgeschlossen, wobei dieser Zeitraum in eine erste „Mietperiode” von 20 Jahren und eine zweite „Mietperiode” von 10 Jahren aufgeteilt war.
In dem vorformulierten Kaufvertrag war die Berechnung des Verkehrswerts bereits festgelegt. Maßgeblich sollte der Restbuchwert sein, der „sich nach Abzug der in den Jahresmieten verrechneten Abschreibungen von dem endgültigen Finanzierungsvolumen” für das Mietobjekt ergibt. Dazu wurde auf eine Anlage zu dem Leasingvertrag Bezug genommen. Das Angebot konnte nur zum Ende der Mietperioden angenommen werden. Während der Mietperioden war eine Annahme nur zulässig, wenn die AG vertraglich zulässige Mieterhöhungen zum Anlass nehmen sollte, von dem ihr dann zustehenden Recht zur außerordentlichen Kündigung Gebrauch zu machen. Die Rechte aus dem Angebot waren übertragbar.
Mit notariell beurkundeter Vereinbarung vom trat die AG ihre Rechte aus dem Angebot gegen Zahlung von 14 145 166,67 DM abzüglich eines Betrages von 5 367 608,81 DM an die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ab. In der Vereinbarung hieß es dazu, nach Mitteilung der KG betrage der Kaufpreis nach Ablauf der ersten Mietperiode 5 367 608,81 DM.
Mit weiterer notarieller Urkunde vom nahm die Klägerin das Kaufangebot gegenüber der KG an und zahlte an sie 5 367 608,81 DM.
Durch Bescheid vom setzte daraufhin der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gegen die Klägerin wegen ihres Erwerbs von der KG gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) nach einer Bemessungsgrundlage von 14 145 166 DM eine Grunderwerbsteuer von 253 130,38 € (495 080 DM) fest. Dabei waren die an die AG gezahlten (14 145 166,67 DM ./. 5 367 608,81 DM =) 8 777 557,86 DM gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG als Leistung an die AG für einen Verzicht auf Erwerb des Grundstücks in die Gegenleistung einbezogen.
Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend gemacht hatte, die Gegenleistung bestehe nur aus dem Grundstückskaufpreis von 5 367 608,81 DM, blieben ohne Erfolg.
Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG. Die Bemessung der Steuer nach dem Betrag von 14 145 166 DM führe dazu, dass sie, die Klägerin, wie eine zusätzliche Steuerschuldnerin wegen der Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot in Anspruch genommen werde, obwohl nach der Rechtsprechung lediglich der Zedent —vorliegend die AG— Steuerschuldner sei. Auf diese Weise komme es zu einer zweifachen Versteuerung des an die AG gezahlten Entgelts. Eine derartige Auslegung des § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG sei mit dem Sinn und Zweck der Regelungen für die zu selbständigen Erwerbsvorgängen ausgestalteten Rechtsgeschäfte i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG nicht vereinbar. Dasjenige, was den Kern des Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG ausmache, könne nicht als Verzicht auf einen Grundstückserwerb über die Definition der Gegenleistung in einen anderen Erwerbsvorgang —hier den des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG— einbezogen werden.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Grunderwerbsteuerbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahin zu ändern, dass die Steuer auf (187 860 DM =) 96 051,29 € festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es verweist darauf, dass zwei Erwerbstatbestände vorlägen —nämlich einer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG und ein zweiter gemäß Nr. 1 der Vorschrift— und dass für beide die Gegenleistung jeweils getrennt nach den Regelungen des § 9 GrEStG zu bestimmen sei. Eine Inanspruchnahme der Klägerin als weitere Steuerschuldnerin für den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG sei damit nicht verbunden.
II. Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die Zahlung der Klägerin an die AG ist zu Recht dem Kaufpreis für den Erwerb des Grundstücks von der KG hinzugerechnet worden.
1. Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG gehören zur Gegenleistung i.S. des § 8 Abs. 1 des Gesetzes auch Leistungen, die der Erwerber des Grundstücks anderen Personen als dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, dass sie auf den Erwerb des Grundstücks verzichten, sofern sich der Erwerber zu dieser Leistung nicht (auch) gegenüber dem Veräußerer verpflichtet hat. Letzterenfalls liegt bereits eine sonstige Leistung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor.
Unter Verzicht ist dabei nicht das Unterlassen eines Vermögenserwerbs i.S. des § 517 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu verstehen, sondern das „Absehen von einem Erwerb” des Grundstücks (so Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl. 2007, § 9 Rz 607) durch eine Person, die willens und tatsächlich —und damit auch rechtlich— in der Lage ist, das Eigentum am Grundstück anstelle des Erwerbers zu erlangen (so , BFHE 79, 378, BStBl III 1964, 368, sowie vom II R 39/01, BFHE 204, 316, BStBl II 2004, 246). Im Streitfall hat die Klägerin der AG die 8 777 557,86 DM für deren Erwerbsverzicht gezahlt.
2. Hat der Abtretungsempfänger dem Abtretenden im Zusammenhang mit der Abtretung des Kaufangebots eine Zahlung zu leisten, stellt diese zwar im Hinblick auf die nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG steuerbare Beteiligung des Abtretenden am Grundstückserwerb des Abtretungsempfängers keine —etwa dem Preis für das Grundstück vergleichbare— Gegenleistung i.S. des § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 GrEStG dar. Die für die Abtretung des Kaufangebots nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG festzusetzende Steuer ist daher trotz der Zahlung gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. § 138 Abs. 2 oder 3 —nunmehr Abs. 2 bis 4— des Bewertungsgesetzes (BewG) nach dem Grundbesitzwert zu bemessen (vgl. , BFHE 96, 201, BStBl II 1969, 595, sowie vom II R 12/70, BFHE 113, 313, BStBl II 1974, 772). Die Abtretung eines Kaufangebots, das der Abtretende selber hätte annehmen können, schließt aber bei der Besteuerung des Grundstückskaufvertrages gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG einen Verzicht auf den Erwerb des Grundstücks in seiner eigenen Person ein. Anders als mit dem Grundstück kann jedoch die Zahlung, die der Abtretungsempfänger für die Abtretung des Kaufangebots erbringt, mit dem darin eingeschlossenen Verzicht auf den eigenen Erwerb in ein Verhältnis von Leistung und Gegenleistung gebracht werden. Dadurch aber erfüllt die Zahlung unter der weiteren Voraussetzung einer Annahme des Kaufangebots durch den Abtretungsempfänger den Tatbestand des § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG, für den Verzicht eines Dritten auf den Erwerb gezahlt worden zu sein. Dies hat dann zur Folge, dass die Zahlung bei Annahme des Kaufangebots durch den Abtretenden dem Kaufpreis für das Grundstück hinzuzurechnen ist. Erst diese Angebotsannahme löst für den Abtretenden die Grunderwerbsteuer aus § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG aus.
3. Die Hinzurechnung der an die AG geleisteten Zahlung von 8 777 557,86 DM zum Grundstückskaufpreis führt im Streitfall auch nicht zu einer mit dem Besteuerungsgegenstand und -zweck des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unvereinbaren Belastung der Klägerin mit Grunderwerbsteuer. Nach den Vorstellungen der drei Beteiligten, nämlich der KG, der AG und der Klägerin, hatte das Grundstück mit aufstehendem Gebäude einen Wert von 14 145 166 DM. Zu diesem Preis war —wie sich aus dem Kaufangebot ergibt— die KG bereit, das Grundstück zu veräußern; die Klägerin war bereit, eben diesen Betrag für das Grundstück aufzuwenden. Dass sie davon einen Teilbetrag von 8 777 557,86 DM nicht an die KG als Grundstücksveräußerin, sondern an die AG zu entrichten hatte, war ausschließlich darin begründet, dass die AG im Rahmen ihres Leasingvertrages mit der KG diesen Betrag über die Mieten schon auf das Grundstück angezahlt und damit die KG in Höhe dieses Betrages bereits einen Teilerlös für das Grundstück vereinnahmt hatte. Unter diesen Umständen musste die AG —wenn sie das Grundstück nicht durch Annahme des Kaufangebots selbst erwerben wollte— sich den Betrag von der Klägerin „zurückholen” und musste die KG als Grundstücksveräußerin sich mit dem Rest von 5 367 608 DM begnügen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 2059 Nr. 12
HFR 2009 S. 153 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2008 S. 3992
BAAAC-92641