Einkommensteuerrechtliche Beurteilung der Geldleistungen für Kinder in Vollzeitpflege
Abgrenzung der Pflege nach § 33 SGB VIII von der Pflege nach § 34 SGB VIII
Können Kinder oder Jugendliche zeitweilig oder dauerhaft nicht bei ihren Eltern aufwachsen, so bestehen mehrere Möglichkeiten, die Betreuung und Pflege der Betroffenen zu gewährleisten.
Vollzeitpflege im Sinne des § 33 SGB VIII
Eine Möglichkeit besteht in der Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII. Will eine Familie ein Pflegekindverhältnis begründen, so erteilt das zuständige Jugendamt eine entsprechende Erlaubnis nach § 44 SGB VIII, die die Familie zur Aufnahme der Kinder berechtigt. Für die Ausübung der Pflege und Betreuung erhält die Pflegeperson vom Jugendamt einen Ersatz der materiellen Aufwendungen sowie ein Erziehungsentgelt. Die Leistungen werden auf der Grundlage des § 39 SGB VIII gezahlt. Diese Leistungen orientieren sich an den tatsächlichen Kosten, sofern sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen, und werden in einem monatlichen Pauschbetrag gewährt. Besonderheiten des Einzelfalles können indes eine abweichende Leistung rechtfertigen. Die Pauschbeträge werden grundsätzlich vom Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen festgesetzt. Darüber hinaus können anlassbezogen Zuschüsse oder Beihilfen gewährt werden.
Daneben existieren Sonderpflegestellen in Pflegefamilien im Sinne des § 35 SGB VIII als Einrichtungen der Vollzeitpflege im Sinne des § 33 SGB VIII. Hierbei handelt es sich um Pflegefamilien, bei denen Kinder mit besonderen Bedürfnissen leben (behinderte, stark in der Entwicklung beeinträchtigte oder ältere Kinder zur dauerhaften Unterbringung). Diese Kinder stellen einen erhöhten Erziehungsanspruch an die Pflegeeltern. Die entsprechenden Pflegepersonen werden in ihrer Arbeit besonders beraten, unterstützt und finanziell besser ausgestattet. Diese bisher nicht in jedem Bundesland eingerichteten Sonderpflegestellen sind direkte Vertragspartner des Jugendamtes, das auch die Kosten der Hilfe trägt, für die Hilfeplanung im Sinne des § 36 SGB VIII verantwortlich ist und über die Belegung der Sonderpflegestellen entscheidet.
Unabhängig davon, ob die Leistungen direkt vom Jugendamt oder als durchlaufende Posten über einen zwischengeschalteten Träger der privaten Jugendhilfe an die Pflegepersonen geleistet werden, sind diese Pflege- und Erziehungsgelder nach dem Anwendungsschreiben des (BStBl I 2007, 824) nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei, sofern der Inhaber der Personensorge die Hilfe zur Erziehung beim örtlich zuständigen Jugendamt beantragt und dieser Pflegeperson diese Beihilfe bewilligt wurde (vgl. BStBl II 1997, 652). Insoweit wird die erforderliche offene Verausgabung nach Maßgabe haushaltsrechtlicher Vorschriften und unter gesetzlicher Kontrolle verwirklicht. Eine unmittelbare Zahlung an die Pflegeperson ist dabei nicht erforderlich.
Vollzeitpflege im Sinne des § 34 SGB VIII
Davon abzugrenzen ist die Vollzeitpflege im Sinne des § 34 SGB VIII. Diese Betreuungsform stellt eine andere Variante der Kinderbetreuung dar. Potentiell qualifizierte „Fach”-Familien wenden sich dabei an einen Verein, der als Trägerverein dieser Familienpflegestellen gegenüber den Jugendämtern auftritt und beim Landesjugendamt eine Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII für die „Einrichtung Fachfamilie” beantragt. Diese Betriebserlaubnis soll gewisse Mindeststandards in der Betreuung der aufzunehmenden Kinder sichern. Voraussetzung für die Erteilung der Betriebserlaubnis ist u.a., dass zumindest eine der betreuenden Personen eine pädagogische Vorbildung aufweisen kann. Die Erziehungsstelle ist eine Alternative zur Gruppenbetreuung für solche Kinder und Jugendliche in der Heimerziehung, die nicht – nicht mehr oder noch nicht – gruppenfähig sind. Wird der „Fachfamilie” ein Kind zur Betreuung zugewiesen, so schließt der Trägerverein mit dieser einen Vertrag über die zu erbringenden Leistungen ab. In diesem Vertrag wird vereinbart, dass die „Fachfamilie” ein erhöhtes Erziehungsgeld, Aufwendungssatz, einen Beitrag zur Altersvorsorge und eine Unfallversicherung erhält. Die dadurch entstehenden Kosten (zzgl. einer beim Trägerverein verbleibenden Verwaltungspauschale) werden dem Verein durch das Jugendamt erstattet. Der Träger hat sowohl die Fachaufsicht über die Einrichtung „Fachfamilie” als auch das ständige Belegungs- sowie ein Zutritts- und Weisungsrecht.
Sowohl der BFH (vgl. Urteil vom , BStBl II 1999, 133) als auch das FG Köln (vgl. anschließend BFH/NV 1999, 600 – sowie vom – 7 K 5629/99) haben entschieden, dass die Zahlungen der Pflegesätze an Einrichtungen im Sinne des § 34 SGB VIII, keine Beihilfen im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG seien. Der BFH führt aus, dass öffentlich-rechtliche Beihilfen, wie die von den Jugendämtern an Pflegeeltern geleisteten Pflege- und Erziehungsgelder, grundsätzlich uneigennützig gewährte Unterstützungsleistungen darstellten. Entscheidende Merkmale seien dabei die Unentgeltlichkeit und Einseitigkeit der Leistungen. Mit der Zahlung derartiger Pflegegelder sei kein vollständiger Ersatz des sachlichen und zeitlichen Aufwands der Pflegeeltern beabsichtigt. Die Zuwendungen ähnelten vielmehr den Zahlungen, die auch leibliche Eltern für ihre Kinder steuerfrei erhielten (vgl. BStBl II 1990, 1018). Wesentlich für die Beurteilung der Zahlung als Beihilfe sei weiterhin, dass ein Eigenbeitrag beim Empfänger verbleibe.
Der BFH grenzt diese – steuerfreien – Leistungen von Zahlungen an Personen ab, die Kinder des Erwerbs wegen in ihren Haushalt aufnehmen. Erfolgt die Aufnahme eines oder mehrerer Kindes(r) im Rahmen des § 34 SGB VIII und werden die Leistungen durch ein Entgelt auf der Grundlage der §§ 78a ff. SGB VIII abgegolten, sei das Entgelt nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu versteuern.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem EFG 2006, 433). Hier führt das FG aus, dass eine Vollzeitpflege (hier: Pflege nach § 33 SGB VIII) nur dann nicht zu Erwerbszwecken ausgeübt werde, wenn das Pflegegeld und die anderen Mittel, die der Steuerpflichtige für den Unterhalt einschließlich der Erziehung des Kindes erhalte, insgesamt die durch Landesrecht festgelegten Sätze des zuständigen Jugendamtes nicht überstiegen. Nur in diesem Fall seien die Pflegegelder einschließlich des Erziehungsbeitrages nicht nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten festgelegt. Bei Zugrundelegung des § 39 SGB VIII sei davon auszugehen, dass die Pauschalbeträge die tatsächlichen Kosten der Betreuung in angemessenem Umfang ersetzen sollten, wobei der Pauschalbetrag für die Erziehung nicht als vollständiger Ersatz des zeitlichen Aufwands der Pflegeeltern ausgestattet sei.
Im Umkehrschluss zu den Ausführungen des FG Düsseldorf stellt das durch die Vereine an die „Fachfamilien” gezahlte Betreuungsentgelt, das in der Regel der Entgeltsgruppe 8 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst entspricht und im Rahmen von Pflegesätzen abgerechnet wird, steuerpflichtiges Entgelt dar. Im Unterschied zum Pflegegeld sollen durch die Zahlung eines Pflegesatzes in erheblichem Umfang Personalkosten erstattet werden, indem diese Leistung insbesondere ein fiktives Gehalt für die Pflegeperson enthält (vgl. EFG 1998, 536 ff.), wie es für entsprechend qualifizierte öffentliche Angestellte gezahlt wird, so dass der Erziehungsaufwand – wenn auch nicht vollumfänglich – abgegolten wird (vgl. auch FG-Urteil Köln, EFG 1998, S. 536).
In diesem Sinn hat sich auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter in ihren Empfehlungen zur Steuerfreiheit der Pflegegelder geäußert. Dabei führte die Bundesarbeitsgemeinschaft aus, dass bei einer Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII die materiellen Leistungen zum Unterhalt von Pflegekindern sowie Kosten der Erziehung grundsätzlich kein Einkommen darstellten, die Pflege im Sinne des § 34 SGB VIII aber als berufliche Tätigkeit erwerbsmäßig ausgeübt werde.
Dieser Auffassung hat sich auch das BMF in einem Schreiben an die Finanzbehörden der Freien Hansestadt Hamburg angeschlossen.
Oberfinanzdirektion Rheinland v. - KurzinfoESt 46/2008
Fundstelle(n):
KAAAC-92210