Leitsatz
[1] Erlauben die Verwaltungsvorschriften im Tarifgenehmigungsverfahren einen unterschiedlichen Ansatz der Nutzungsdauer, bezieht sich die Vermutungswirkung des § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV auf die danach kürzeste Nutzungsdauer.
Gesetze: StromNEV § 32 Abs. 3 Satz 3
Instanzenzug: OLG Stuttgart, 202 EnWG 8/06 vom
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist ein Energieversorgungsunternehmen, das im Bereich der Stadt Engen das Elektrizitätsversorgungsnetz betreibt. Mit Schreiben vom beantragte die Antragstellerin bei der zuständigen Landesregulierungsbehörde die Genehmigung ihrer Entgelte für den Netzzugang gemäß § 23a Abs. 2 EnWG.
Die Landesregulierungsbehörde genehmigte mit Bescheid vom - unter Zurückweisung des weitergehenden Genehmigungsantrags - für den Zeitraum vom bis niedrigere als die von der Antragstellerin beantragten Höchstpreise. Sie begründete dies mit Kürzungen bei der Kostenposition kalkulatorische Abschreibungen. Die gegen diesen Bescheid eingelegte Beschwerde hat das zurückgewiesen (OLG Stuttgart ZNER 2007, 193). Hiergegen richtet sich die - vom Oberlandesgericht zugelassene - Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.
II.
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hat nur insoweit Erfolg, als die Anordnung der Rückwirkung der Genehmigung entfällt.
1. Das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin besteht auch im Rechtsbeschwerdeverfahren noch fort.
a) Hieran ändert sich auch dadurch nichts, dass der Genehmigungszeitraum abgelaufen ist. Die Landesregulierungsbehörde hat die Genehmigung befristet und die Entgelte nur bis zum genehmigt.
Durch den Ablauf des Genehmigungszeitraums geht die erstrebte Genehmigung höherer Netznutzungsentgelte nicht ins Leere. Eine nach der gerichtlichen Entscheidung ergehende (erweiterte) neue Genehmigung würde vielmehr auf den Zeitpunkt der (eingeschränkten) früheren Genehmigung zurückwirken, nach der sich bislang die Entgelte wegen des Fehlens einer aufschiebenden Wirkung (§ 76 Abs. 1 EnWG) der hiergegen erhobenen Beschwerde bestimmt haben. Jedenfalls von diesem Zeitpunkt an - anders kann ihr Rechtsschutzbegehren nicht verstanden werden - erstrebt die Antragstellerin eine Genehmigung höherer Höchstbeträge für ihre Netznutzungsentgelte. Eine solche Erhöhung wäre für sie nicht sinnlos, weil sie - hiervon ist jedenfalls auf der Grundlage der Feststellungen des Beschwerdegerichts auszugehen - die höheren Höchstbeträge gegenüber den Netznutzern würde durchsetzen können. Selbst wenn in dem nachgelagerten Rechtsverhältnis gegenüber dem einzelnen Netznutzer keine Möglichkeit zu einer rückwirkenden Entgeltkorrektur bestehen sollte, könnten die der Antragstellerin etwa rechtswidrig vorenthaltenen Entgelte jedenfalls im Wege einer periodischen Saldierung nach § 9 StromNEV in Ansatz gebracht werden. Dieser Betrag würde dann in der nächsten Kalkulationsperiode in die Entgeltberechnung einfließen. Die begehrte Entscheidung entfaltet gegenüber der Antragstellerin demnach in jedem Falle noch eine unmittelbare Regelungswirkung (vgl. , NVwZ 1998, 191, 192; Urt. v. - 1 C 14/97, NVwZ 1999, 306).
b) Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist es weiterhin ohne Belang, dass die Landesregulierungsbehörde nach Erlass der Entscheidung des Beschwerdegerichts durch einen weiteren Bescheid die für die Antragstellerin genehmigten Netzentgelte nochmals abgesenkt hat. Der Erlass des neuen Bescheids stellt einen tatsächlichen Umstand dar, der in der Rechtsbeschwerdeinstanz keine Berücksichtigung mehr finden kann (§ 88 Abs. 2 Satz 1 EnWG) und schon deshalb nicht - auch nicht im Wege einer Klageänderung (vgl. § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO) - in das Rechtsbeschwerdeverfahren eingeführt werden darf. Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens bleibt der ursprüngliche Genehmigungsbescheid der Landesregulierungsbehörde (vgl. BVerwGE 105, 288, 295).
Durch den neuen Bescheid werden auch die materiellrechtlichen Einwendungen der Antragstellerin nicht gegenstandslos, weil die Landesregulierungsbehörde insoweit ihren Rechtsstandpunkt aufrechterhalten hat und die im Streit stehenden Positionen durch den Änderungsbescheid unberührt geblieben sind. Damit ist im Rechtsbeschwerdeverfahren keine Erledigung eingetreten. Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin besteht deshalb fort.
2. Zu den kalkulatorischen Abschreibungen hat das Beschwerdegericht ausgeführt, dass die Landesregulierungsbehörde zu Recht die Vermutungsregelung des § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV angewandt habe, weil die tatsächlich von der Antragstellerin zugrunde gelegten Abschreibungszeiträume nicht mehr festgestellt werden könnten. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Vermutung nach § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV lägen vor. Die Entgeltberechnung für die Netze der Antragstellerin habe nach der Bundestarifordnung Elektrizität erfolgen müssen. Im Sinne dieses Tatbestands seien die Stromtarife auch von Dritten gefordert. Hierfür reiche es aus, dass die Netzkosten in die Bildung der Entgelte Eingang gefunden hätten. Da die entsprechenden Verwaltungsvorschriften die Berücksichtigung der jeweils steuerlich zulässigen Nutzungsdauer erlaubt hätten, habe auch die Landesregulierungsbehörde diese zugrunde legen dürfen.
Die hiergegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde bleiben ohne Erfolg.
a) Das Beschwerdegericht hat im Ausgangspunkt zutreffend festgestellt, dass die Berechnung der kalkulatorischen Restwerte des Sachanlagevermögens nicht gemäß § 32 Abs. 3 Satz 2 StromNEV erfolgen kann, weil im Streitfall - was das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat und von den Beteiligten auch nicht angegriffen wird - die tatsächlich zugrunde gelegten Nutzungsperioden nicht festzustellen sind.
b) Das Beschwerdegericht hat auch ohne Rechtsverstoß die Anwendbarkeit der Vermutungsregelung des § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV bejaht.
Die Vermutung nach § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV findet Anwendung, soweit vor dem Inkrafttreten der Stromnetzentgeltverordnung bei der Stromtarifbildung nach der Bundestarifordnung Elektrizität Kosten des Elektrizitätsversorgungsnetzes zu berücksichtigen waren und von Dritten gefordert wurden. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
aa) Vor Inkrafttreten der Stromnetzentgeltverordnung waren die Stromtarife der Antragstellerin nach der jeweils gültigen Fassung der Bundestarifordnung Elektrizität zu bilden.
(1) Unter "Bundestarifordnung Elektrizität" i.S. des § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV sind die am 1. Januar 1974 in Kraft getretene Bundestarifordnung Elektrizität (im Folgenden: BTOElt) vom (BGBl. I S. 1865), geändert durch die Verordnungen vom (BGBl. I S. 1667) und vom (BGBl. I S. 122), und die am in Kraft getretene Neufassung vom (BGBl. I S. 2255) zu verstehen. Entscheidend ist allein, ob nach der jeweils gültigen Bundestarifordnung - wie bereits nach deren Vorgängerregelung in § 2 Abs. 2 der Tarifordnung für elektrische Energie vom (RGBl. I S. 915) - eine kostenbasierte Tarifbildung vorzunehmen war. Dies ist der Fall. Sowohl § 3 Abs. 4 Satz 3 BTOElt 1974 und § 12a Abs. 2 Ziffer 1 BTOElt 1980 als auch § 12 Abs. 1 BTOElt 1989 haben die Genehmigung der Entgelte von dem Nachweis abhängig gemacht, dass eine Verbesserung der Erlöse in Anbetracht der gesamten Kosten- und Erlöslage erforderlich ist. Eine Beschränkung der Anwendbarkeit des § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV auf den Geltungszeitraum der zuletzt gültigen Fassung der Bundestarifordnung Elektrizität ist § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV nicht zu entnehmen.
(2) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es unerheblich, ob die Netzkosten bei der Preisbildung der Netzentgelte der Antragstellerin tatsächlich berücksichtigt worden sind. Nach § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV kommt es allein darauf an, dass die Kosten des Elektrizitätsversorgungsnetzes - wie dies für die Antragstellerin der Fall war - bei der Tarifbildung zu berücksichtigen waren. Die Vorschrift fordert gerade nicht, dass die Kosten bei der Tarifbildung auch tatsächlich berücksichtigt wurden. Grund hierfür ist die vom Verordnungsgeber beabsichtigte möglichst einfache Feststellung der Voraussetzungen der Vermutungsregelung. Dieses Ziel würde verfehlt, wenn dafür ein hoher Aufklärungsaufwand erforderlich wäre.
Keine Bedeutung kommt deshalb dem Umstand zu, dass der Antragstellerin in dem fraglichen Zeitraum Genehmigungen erteilt wurden, bei denen die für die Vorlieferantin der Antragstellerin erteilten kostenbasierten Tarifgenehmigungen auf die Antragstellerin erstreckt wurden, ohne dass dabei ihre Kosten- und Erlöslage geprüft wurde. Diese Verwaltungspraxis führte nicht zu einer Genehmigung kostenunabhängiger Tarife, sondern bedeutete lediglich eine auf der Annahme einer ähnlichen Kostenlage beruhende Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens.
(3) Schließlich steht der Anwendbarkeit der Vermutungsregelung des § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV nicht entgegen, dass nach § 12a BTOElt 1980 bzw. § 12 BTOElt 1989 die Kosten des Elektrizitätsversorgungsnetzes lediglich bei der Bildung der Entgelte für den Tarifkundenbereich zu berücksichtigen waren. Der Bestimmung des § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV kann nicht entnommen werden, dass die Vermutung nicht eingreifen soll, wenn durch das Netz auch Sonderkunden versorgt werden. Andernfalls hätte die Vorschrift nahezu keinen Anwendungsbereich.
bb) Die Antragstellerin hat kostenbasierte Preise i.S. von § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV auch von Dritten gefordert.
(1) Der Anwendbarkeit der Vermutung nach Satz 3 steht nicht entgegen, dass die in den Tarifgenehmigungen vorgegebenen Höchstbeträge anhand der Kosten- und Erlöslage der Vorlieferantin und nicht anhand der individuellen Kosten- und Erlösstruktur der Antragstellerin ermittelt wurden. Die Praxis der Landesregulierungsbehörden bei der Erteilung der Tarifgenehmigungen beruhte auf der Annahme einer ähnlichen Kostenlage. Maßstab blieb aber die Kostenlage des Weiterverteilerunternehmens.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bedarf es für die Anwendung des § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV keiner Prüfung, ob diese Annahme berechtigt war oder ob, wie teilweise angenommen wird (vgl. OVG Münster RdE 1986, 145, 146 f.), die so erteilte (Erstreckungs-)Genehmigung wegen fehlerhaft ermittelter Abschreibungswerte rechtswidrig war. Schon nach dem Wortlaut der Bestimmung ist für deren Anwendung nicht entscheidend, ob die Netzkosten aufgrund der jeweils zulässigen Abschreibungsperioden ermittelt wurden. Entscheidend ist allein, ob das Tarifgenehmigungsverfahren nach der Bundestarifordnung Elektrizität Anwendung fand und ob die so genehmigten Tarife von Dritten gefordert wurden.
Für diese Auslegung sprechen auch Sinn und Zweck der Vorschrift. § 32 Abs. 3 StromNEV soll vermeiden, dass die Abschreibungen, die bereits in der Vergangenheit in die Preise einkalkuliert waren, nochmals in die Berechnung der zukünftigen Kosten einfließen. Sie dient damit der Einhaltung des in § 6 Abs. 6 Satz 6 und Abs. 7 StromNEV normierten Verbots einer Abschreibung unter Null. In Fällen, in denen in der Vergangenheit bei der Stromtarifbildung nach der Bundestarifordnung Elektrizität Kosten des Elektrizitätsversorgungsnetzes zu berücksichtigen waren und die so genehmigten Tarife von Dritten gefordert wurden, ist die Annahme gerechtfertigt, dass auch der innerbetrieblichen Kalkulation die nach den Verwaltungsvorschriften der Länder zur Darstellung der Kosten- und Erlöslage im Tarifgenehmigungsverfahren jeweils zulässigen Nutzungsperioden zugrunde gelegt worden sind. Diesem Gedanken trägt § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV Rechnung. Eine Überprüfung der Genehmigungsbescheide liefe dem Zweck der Vermutung zuwider, das Verfahren zu vereinfachen.
(2) Unter diesen Umständen kommt es auch nicht darauf an, ob die Antragstellerin - wie sie vorträgt - aufgrund eines Gemeinderatsbeschlusses gehindert war, einen an den Kosten ihres Netzes ausgerichteten Entgeltantrag zu stellen. Zwar mag in diesem Fall eine geringere Wahrscheinlichkeit für die in § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV statuierte Vermutung bestehen. Gesetzliche Vermutungen gelten aber unabhängig vom Grad ihrer Wahrscheinlichkeit im Einzelfall (, MDR 1959, 114, 115; , NVwZ-RR 1998, 400, 401). § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV bestimmt nichts anderes. Weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Zweck verlangt die Vorschrift eine Kalkulation der (eigenen) Netzkosten des Weiterverteilers.
c) Nach § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV wird vermutet, dass die nach den Verwaltungsvorschriften der Länder zur Darstellung der Kosten- und Erlöslage im Tarifgenehmigungsverfahren jeweils zulässigen Nutzungsperioden der Ermittlung der Kosten zugrunde gelegt worden sind. Bei den Bundesarbeitsanleitungen 1981 und 1984 sowie den Arbeitsanleitungen des Landes Baden-Württemberg, welche die Landesregulierungsbehörde hier angewendet hat, handelt es sich um solche Verwaltungsvorschriften.
aa) Der Begriff der Verwaltungsvorschrift ist nach Sinn und Zweck der Bestimmung weit auszulegen. Er umfasst nicht nur die Verwaltungsvorschriften im engeren rechtstechnischen Sinne, also abstrakt-generelle Anordnungen einer Behörde an nachgeordnete Behörden oder eines Vorgesetzten an die ihm unterstellten Verwaltungsbediensteten (Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl., § 24 Rdn. 1). Vielmehr unterfallen dem Begriff der Verwaltungsvorschrift i.S. von § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV alle abstrakt-generellen Regelungen unterhalb der Gesetzes- und Verordnungsebene, die die Genehmigungsbehörde im Genehmigungsverfahren angewandt hat. Denn nicht nur in dem Fall, in dem die zulässigen Nutzungsperioden in Verwaltungsvorschriften im engeren Sinne niedergelegt sind, sondern auch dann, wenn sich die zulässigen Nutzungsperioden aus einer zur Selbstbindung der Verwaltung führenden sonstigen abstrakt-generellen Regelung ergeben, ist die Annahme gerechtfertigt, dass diese im Genehmigungsverfahren und bei der betrieblichen Kalkulation des Netzbetreibers zugrunde gelegt wurden. Dementsprechend wurde die Arbeitsanleitung 1981 in der Literatur als "ein als Verwaltungsvorschrift eingeführtes Hilfsmittel bei der Ausführung der BTOElt" bezeichnet (Badura in Badura/Kern, Maßstab und Grenzen der Preisaufsicht nach § 12a BTOElt, S. 15).
bb) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ergibt sich eine Beschränkung auf Verwaltungsvorschriften im rechtstechnischen Sinne auch nicht aus dem Umstand, dass die nach § 12 Abs. 3 Satz 4 BTOElt 1989 vorgesehenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften lediglich in das Entwurfsstadium gelangt sind und keine einheitliche Praxis der Bundesländer bei der Anwendung der Bundestarifordnung Elektrizität bestand (vgl. Salje, RdE 2006, 253). Dieser heterogenen Praxis hat der Verordnungsgeber dadurch Rechnung getragen, dass er in § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV auf die jeweils geltenden Verwaltungsvorschriften verweist und diese damit in den Anwendungsbereich der Vermutungsregelung aufgenommen hat. Verlangte man demgegenüber für deren Anwendbarkeit Verwaltungsvorschriften im rechtstechnischen Sinne, würde dies zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung zwischen Unternehmen im Geltungsbereich einer Verwaltungsvorschrift und Unternehmen im Geltungsbereich einer Arbeitsanleitung führen.
cc) Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass die Landesregulierungsbehörde die steuerliche Nutzungsdauer (25 Jahre) der kalkulatorischen Abschreibung der Anlagen zugrunde gelegt hat. Damit hat sie weder die verkürzte steuerliche Nutzungsdauer (20 Jahre) noch die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer (37 bis 40 Jahre) in Ansatz gebracht. Es kann dahinstehen, ob - wie das Beschwerdegericht im Einzelnen ausgeführt hat - nach den Bundesarbeitsanleitungen ein Wahlrecht zwischen diesen Nutzungsdauern eröffnet war. Ein solches Wahlrecht verpflichtete die Landesregulierungsbehörde nicht, von der für die Antragstellerin nach heutiger Betrachtung günstigsten Variante, nämlich der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer, auszugehen. Welche Nutzungsdauer die Antragstellerin für ihre Anlage damals finanziell in Ansatz gebracht hat, ist eine Frage, die in erster Linie sie selbst beantworten kann. Bei solchen Umständen, die in der Sphäre der Antragstellerin liegen, bestehen deshalb keine rechtlichen Bedenken, dass die Landesregulierungsbehörde zunächst eine kürzere Nutzungsdauer zugrunde gelegt hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - eine gewisse Plausibilität dafür spricht, dass die Antragstellerin damals die ihr eröffneten steuerlichen Möglichkeiten auch tatsächlich genutzt hat, insbesondere wenn diese tariflich genehmigungsfähig waren. Der Antragstellerin hätte es freigestanden, diese Vermutung zu widerlegen und eine von ihr früher tatsächlich in Ansatz gebrachte längere Nutzungsdauer gegenüber der Landesregulierungsbehörde nachzuweisen. Dies hat sie nicht getan.
d) Die Vermutungsregelung des § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV ist auf die gesamte Abschreibung anzuwenden. Insbesondere ist sie nicht dahin einschränkend auszulegen, dass bei Sachanlagen, die sowohl für die Versorgung der Tarifkunden als auch für die Versorgung der Sondervertragskunden benötigt wurden, eine Abschreibung nach den in § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV maßgeblichen Nutzungsperioden nur anteilig, nämlich im Verhältnis der an Tarifkunden einerseits und an Sondervertragskunden andererseits gelieferten Strommengen, erfolgen soll. Hierfür gibt § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV nichts her. Hätte der Verordnungsgeber nur die Berücksichtigung der mit der Versorgung der Tarifkunden verbundenen Kosten gewollt, hätte es nahegelegen, dies in § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV ausdrücklich zu regeln, zumal sowohl § 3 Abs. 4 Satz 3 BTOElt 1974 und § 12a BTOElt 1980 als auch § 12 BTOElt 1989 auf die "gesamte Kosten- und Erlöslage der Elektrizitätsversorgung" abstellten. Schließlich laufen gespaltene Nutzungsperioden einheitlicher Wirtschaftsgüter dem Zweck des § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV zuwider, die Ermittlung der jeweiligen Nutzungsdauer zu vereinfachen (Salje, Abschreibung des Sachanlagevermögens nach § 32 StromNEV, S. 33). Ob für solche Sachanlagegüter, die nicht für die Versorgung der Tarifkunden eingesetzt wurden, anderes zu gelten hat (so Salje, RdE 2006, 253, 256), bedarf keiner Entscheidung, weil das Vorhandensein entsprechender Anlagen nicht festgestellt ist.
e) Die Antragstellerin hat die Vermutung des § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV nicht widerlegt. Soweit sie sich darauf beruft, dass den kostenbasierten Tarifgenehmigungen ihrer Vorlieferantin längere betriebsgewöhnliche Nutzungsperioden zugrunde gelegt worden seien, kommt es darauf nicht an. Da Vorlieferant und Weiterverteiler in der Regel unterschiedliche Kostenstellen mit unterschiedlichen Nutzungsperioden aufweisen, erlaubt die den Erstreckungsgenehmigungen zugrunde liegende Annahme einer ähnlichen Kostenlage nicht den Schluss, dass die von dem Verteilernetzbetreiber ermittelten kalkulatorischen Abschreibungen auf Basis derselben Nutzungsperioden ermittelt wurden.
3. Die in dem Genehmigungsbescheid angeordnete Rückwirkung der Entgeltgenehmigung kann allerdings keinen Bestand haben. Der Genehmigungsbescheid vom ist deshalb dahin abzuändern, dass die genehmigten Entgelte erst mit Zustellung des Bescheids der Regulierungsbehörde, mithin erst zum wirksam werden. Soweit das Beschwerdegericht die Zulässigkeit der Rückwirkung der Genehmigung aus der zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden materiellen Geltung der Entgeltregelungen nach den §§ 4 ff. StromNEV folgert, begegnet dies durchgreifenden Bedenken.
a) Das Beschwerdegericht geht allerdings zutreffend davon aus, dass nach § 32 Abs. 2 Satz 1 StromNEV die Entgeltbestimmungen nach dieser Verordnung zu dem von der Landesregulierungsbehörde bestimmten Rückwirkungszeitpunkt () bereits in Kraft waren. Nach der Überleitungsbestimmung des § 32 Abs. 2 Satz 1 StromNEV hatten die Netzbetreiber spätestens bis zu dem nach § 118 Abs. 1b Satz 1 EnWG maßgeblichen Zeitpunkt ihre Entgelte nach den Grundsätzen der §§ 4 ff. StromNEV zu bestimmen. Die Stromnetzentgeltverordnung vom , auf die § 118 Abs. 1b EnWG Bezug nimmt, trat am in Kraft. Der nach § 118 Abs. 1b EnWG maßgebliche Zeitpunkt war deshalb der . Mithin war spätestens zum der Genehmigungsantrag zu stellen. Ab diesem Zeitpunkt bestand auch die materiell-rechtliche Pflicht, die Entgelte nach der StromNEV zu berechnen.
b) Dies ermöglicht aber - jedenfalls ohne entsprechenden Antrag des Netzbetreibers - keine rückwirkende Entgeltgenehmigung. Bis zur Genehmigung der beantragten Entgelte darf der Netzbetreiber nämlich nach § 23a Abs. 5 Satz 1 EnWG seine ursprünglichen Entgelte beibehalten, wenn er den Genehmigungsantrag rechtzeitig gestellt hat. Aufgrund dieser Regelung, die nach § 118 Abs. 1b Satz 2 EnWG schon für den ersten Genehmigungsantrag gilt, soll der Netzbetreiber die (noch unter der Geltung des alten Rechts gebildeten) ursprünglichen Entgelte weiter in Rechnung stellen dürfen. Damit gewährt die Regelung des § 23a Abs. 5 Satz 1 EnWG dem Netzbetreiber ein gewisses Maß an Vertrauensschutz und verhindert so, dass sämtliche Rechtsbeziehungen des Netzbetreibers mit den Stromversorgern auf der Grundlage der später genehmigten Preise korrigiert werden müssen (vgl. BT-Drucks. 15/3917 S. 85). Der Zweck dieser Regelung würde verfehlt, wenn später - nach Erteilung der Genehmigung - eine solche rückwirkende Abrechnung erfolgen müsste.
c) Das Tatbestandsmerkmal des Beibehaltens i.S. des § 23a Abs. 5 Satz 1 EnWG bedeutet indes nicht, dass der Netzbetreiber die Mehrerlöse, die er gegenüber den genehmigten Tarifen erzielt hat, endgültig behalten darf. Vielmehr hat eine periodenübergreifende Abrechnung stattzufinden.
Zwar erlaubt § 23a Abs. 5 Satz 1 EnWG dem Netzbetreiber, der den Genehmigungsantrag rechtzeitig stellt, seine bisherigen Entgelte beizubehalten. Dies spricht aber nur gegen eine Rückwirkung der Genehmigung in der Weise, dass sämtliche Rechtsverhältnisse mit den Netznutzern nachträglich angepasst werden müssten. Die durch das Energiewirtschaftsgesetz und die Stromnetzentgeltverordnung aufgestellten materiellen Anforderungen an die Entgeltbildung, die bereits in Kraft gesetzt und wirksam sind, gelten auch schon für den Zeitraum vor der Erteilung der Genehmigung (vgl. dazu - Vattenfall, unter B I).
d) Soweit die Antragstellerin zusätzlich erstrebt, dass ihr nach Zustellung der Genehmigung eine weitere Übergangsfrist von sechs Wochen zum Monatsende einzuräumen ist, kann ihr Antrag keinen Erfolg haben. Für eine derartige Übergangsfrist fehlt eine gesetzliche Grundlage. Mit Erteilung der Genehmigung sind gemäß § 23a Abs. 2 Satz 2 EnWG die genehmigten Entgelte Höchstpreise. Die ursprünglichen Entgelte werden damit rechtswidrig, soweit sie diese Preise übersteigen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
ZAAAC-92163
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja