BFH Beschluss v. - III B 67-68/07

Wohnsitz eines Kindes, das sich zum Zweck des Schulbesuchs im Ausland aufhält; Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung

Gesetze: AO § 8, EStG § 62, EStG § 63, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2

Instanzenzug: Urteil vom Az: 6 K 1774/05

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Mutter der Söhne F, geb. 1992, und C, geb. 1993. F besucht seit dem , C seit dem eine Internatsschule in Jordanien, um dort die Ausbildung bis zum Abitur zu absolvieren.

Die Klägerin erhielt für die Kinder fortlaufend Kindergeld. Nachdem die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) vom Auslandsaufenthalt erfahren hatte, hob sie die Kindergeldfestsetzung für F für September 2003 bis Dezember 2004 und für C für September 2004 bis Dezember 2004 auf und forderte das überzahlte Kindergeld zurück.

Die Einsprüche und die Klagen, mit denen die Klägerin u.a. vortrug, die Kinder gingen nicht in ihrem Heimatland Türkei, sondern in Jordanien zur Schule, blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus: Nach den gesamten Umständen des Streitfalls könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Kinder für die Dauer ihres Schulbesuchs in Jordanien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt hätten. Ein gewöhnlicher Aufenthalt scheide schon deshalb aus, weil keine Aufenthalte im Inland von längerer Dauer als sechs Monate geplant gewesen seien. Bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten reichten kurzzeitige Besuche und sonstige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkämen und daher nicht „zwischenzeitliches Wohnen” in der bisherigen Wohnung bedeuteten, nicht aus, um die Aufrechterhaltung des Inlandswohnsitzes anzunehmen.

Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie rügt, dem FG seien erhebliche Rechtsanwendungsfehler unterlaufen; sein Urteil erscheine willkürlich. Die Kinder hätten ihren Wohnsitz im Inland beibehalten und in Jordanien keinen Wohnsitz begründet. Sie verfügten in der elterlichen Wohnung über ein eigenes eingerichtetes Zimmer, während sie sich am Schulort die Unterkunft mit anderen Zimmergenossen teilten. Die Aufenthalte im Inland bedeuteten den Kindern mehr als ein nur zwischenzeitliches Wohnen bei den Eltern. Denn der kulturelle Hintergrund ihrer Eltern sei türkisch. Die jordanischen Verhältnisse seien ihnen fremd. Der Lebensmittelpunkt der Kinder befinde sich auch während des Internatsaufenthalts im Elternhaus.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Sie wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 132 FGO).

1. Die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO setzt voraus, dass das FG-Urteil in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Auffassung anderer Gerichte abweicht oder dass dem FG-Urteil ein Fehler von so erheblichem Gewicht anhaftet, dass er geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung zu beschädigen. Dies ist nur bei offensichtlichen materiell oder formellen Rechtsanwendungsfehlern im Sinn einer willkürlichen oder zumindest greifbar gesetzwidrigen Entscheidung der Fall (vgl. z.B. , BFH/NV 2007, 2348).

2. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 8 der Abgabenordnung). Die Grundsätze, nach denen zu beurteilen ist, ob ein Kind, das sich zum Zwecke des Schulbesuchs mehrere Jahre im Ausland aufhält, seinen inländischen Wohnsitz beibehält, hat der BFH mehrfach dargelegt (vgl. z.B. die , BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279, und vom VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294). Wie der BFH in den genannten Urteilen weiter ausführt, liegt die Beurteilung der Begleitumstände des Innehabens einer Wohnung weitgehend auf tatsächlichem Gebiet. In Ermangelung erhobener Verfahrensrügen ist der BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die Beurteilung des FG gebunden und kann diese nur auf Verstöße gegen die Denkgesetze und gegen Erfahrungssätze hin überprüfen.

Das FG geht bei seiner Beurteilung von den Grundsätzen aus, die der BFH in den Urteilen in BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279, und in BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294 wiedergegeben hat. Dass dem FG dabei Denkfehler oder Verstöße gegen Erfahrungssätze unterlaufen wären, hat die Klägerin nicht substantiiert geltend gemacht und ist auch nicht erkennbar. Die finanzgerichtliche Würdigung ist nachvollziehbar und jedenfalls möglich. Im Übrigen würde eine bloß fehlerhafte Umsetzung der vom BFH aufgestellten Rechtsprechungsgrundsätze auf die Besonderheiten des Einzelfalls als Zulassungsgrund nicht ausreichen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 2348).

Fundstelle(n):
JAAAC-90706