BFH Beschluss v. - I B 22/08

Abschluss des Verfahrens über das Ablehnungsgesuch nach Ablehnung des Befangenheitsantrags durch unanfechtbaren Beschluss

Gesetze: FGO § 51, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug: 3-205/07 Urteil vom 3 K 75/07

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurden vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) für das Streitjahr 2001 unter Einbeziehung ausländischer Einkünfte als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Nach einem Einspruchsverfahren, das teilweise erfolglos blieb, erhoben die Kläger Klage beim Finanzgericht (FG). Gerichtlichen Aufforderungen, sich zum Hinweis des FA, die Klage sei unzulässig (verspätet), zu äußern, kamen die Kläger nicht nach. Daraufhin ergingen —unter Ausschlussfristsetzung— Aufforderungen i.S. des § 62 Abs. 3 Satz 3, § 65 Abs. 2 Satz 2 bzw. § 79b Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Den Aufforderungen kamen die Kläger nicht nach. Die Klage wurde daraufhin durch den Berichterstatter des 3. Senats des FG durch Gerichtsbescheid als unzulässig abgewiesen.

Die Kläger stellten rechtzeitig einen Antrag auf mündliche Verhandlung und lehnten den Berichterstatter als befangen ab. Das Ablehnungsgesuch wurde vom 3. Senat des FG ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters als unbegründet zurückgewiesen (Beschluss vom ; abgesandt an die Beteiligten am ). Mit Beschluss vom hat der 3. Senat des FG den Rechtsstreit auf den (vormaligen und aktuellen) Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Unter Vorlage einer Prozessvollmacht für ihren Bevollmächtigten erhoben die Kläger am eine Anhörungsrüge gegen den Beschluss, mit dem das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen worden war, und lehnten diejenigen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab, die den Beschluss vom gefasst hatten. Das FG Hamburg wies die Klage durch den Einzelrichter durch Urteil vom 3 K 75/07 als unzulässig ab (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2008, 962); zugleich wurde sowohl die Anhörungsrüge (3-205/07) als auch der Befangenheitsantrag als unzulässig verworfen.

Die Kläger machen mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde Verfahrensfehler geltend. Sie beantragen, die Revision gegen das angefochtene Urteil zuzulassen und das Verfahren an einen anderen Senat des FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen. Die angegriffene Entscheidung kann nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO auf den geltend gemachten Verfahrensfehlern beruhen.

1. Die Kläger machen geltend, es liege eine Mitwirkung von abgelehnten Richtern an der Entscheidung (ohne vorherige Entscheidung über das Ablehnungsgesuch) vor. Denn das Ablehnungsgesuch gegen die das frühere (den Berichterstatter betreffende) Ablehnungsgesuch zurückweisenden Richter sei unverzüglich angebracht worden. Damit seien die Richter, die den Einzelrichter-Übertragungsbeschluss (im Anschluss an die Zurückweisung des ersten Gesuchs und zeitlich vor dem Eingang des zweiten Ablehnungsgesuchs) gefasst hätten, als abgelehnt anzusehen. Es liege sowohl ein Verstoß gegen § 45, § 47 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) vor als auch eine Verletzung des Anspruchs der Kläger auf rechtliches Gehör durch eine Beschlussfassung zur Einzelrichter-Übertragung vor der Bekanntgabe der Zurückweisung des ersten Ablehnungsgesuchs. Das FG müsse nach einer Zurückverweisung zunächst über den (zweiten) Befangenheitsantrag entscheiden; bei einem positiven Beschluss seien sämtliche Entscheidungen des abgelehnten Richters einschließlich der Setzung der Ausschlussfristen unwirksam, so dass im Ergebnis das gesamte Verfahren zu wiederholen sei.

2. Das angefochtene Urteil des FG ist nicht verfahrensfehlerhaft (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 119 Nr. 1 FGO) ergangen. Der der Besetzung des Gerichts zugrunde liegende Übertragungsbeschluss des 3. Senats des FG auf den Einzelrichter ist rechtmäßig. Der Einzelrichter konnte an der Beschlussfassung mitwirken, weil der gegen ihn als Berichterstatter gerichtete Befangenheitsantrag durch den Beschluss des 3. Senats des (ohne seine Mitwirkung) zurückgewiesen wurde. Durch diesen unanfechtbaren Beschluss (§ 128 Abs. 2 FGO), an den das Gericht im Zeitpunkt der Absendung der Entscheidung durch die Geschäftsstelle () gebunden war, ist das Verfahren über das Ablehnungsgesuch abgeschlossen worden (zum Anwendungsbereich des § 47 ZPO in zeitlicher Hinsicht z.B. Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 47 Rz 1). Dies hat zur Folge, dass das Enthaltungsgebot des § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO für den am nachfolgenden Übertragungsbeschluss mitwirkenden Einzelrichter nicht mehr galt. Insoweit kann auch offenbleiben, ob die Kläger einen Verstoß gegen das Enthaltungsgebot rügen konnten, nachdem das Ablehnungsgesuch im Ergebnis erfolglos geblieben ist (s. insoweit —allgemein— ablehnend (PKH), BFH/NV 2007, 2139).

Dass die Kläger am gegen den Beschluss des 3. Senats des FG über das Ablehnungsgesuch eine Anhörungsrüge erhoben und die mitwirkenden Richter abgelehnt haben, da diese den Kern des Begründungsmangels, der bei dem abgelehnten Richter bestehe, selber nicht beachtet hätten, berührt die Wirksamkeit des Übertragungsbeschlusses nicht. Dieses Ablehnungsgesuch bezieht sich auf ein durch den Beschluss vom bereits rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren (Ablehnung des Berichterstatters) und weist auch keine spezifizierten Ablehnungsgründe auf, die über den Umstand hinausgehen, dass diese Richter dem ursprünglichen Ablehnungsgesuch nicht entsprochen hatten. Im Übrigen war das FG nicht gehalten, mit der weiteren Förderung des Verfahrens (und damit dem Erlass des Übertragungsbeschlusses) zuzuwarten, bis sich die Beteiligten zu dem unanfechtbaren Beschluss über die Ablehnung des Berichterstatters äußern konnten.

3. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass das FG die Klageabweisung auf die Versäumung der Ausschlussfristen i.S. des § 62 Abs. 3 Satz 3, § 65 Abs. 2 Satz 2 bzw. § 79b Abs. 3 FGO gestützt hat. Die von den Klägern geltend gemachten Mängel im Zusammenhang mit der Anforderung einer Vollmacht könnten aber die Wirksamkeit der von dem Berichterstatter im Klageverfahren gesetzten (und von den Klägern versäumten) Ausschlussfristen der § 62 Abs. 3 Satz 3, § 79b Abs. 3 FGO nicht berühren. Denn das Ablehnungsgesuch der Kläger ist (erst) im Zusammenhang mit dem Erlass des Gerichtsbescheides gestellt worden; insoweit bestand erst ab diesem Zeitpunkt ein „noch nicht erledigtes Ablehnungsgesuch” i.S. des § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO, was bei einer erfolgreichen Ablehnung die Wiederholung von nach der Anbringung des Ablehnungsgesuchs ausgeübten (weiteren) Tätigkeiten des Richters notwendig macht (§ 51 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 47 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Eine Rückwirkung eines einen Ablehnungsantrag zusprechenden Beschlusses bis zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Verfahrens (unter Einbeziehung der im vorbereitenden Verfahren ergangenen richterlichen Ausschlussfristsetzungen) ist nicht vorgesehen (s. z.B. Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 51 FGO Rz 126; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 51 FGO Rz 44).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
RAAAC-90109