Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StGB § 21; StGB § 46 Abs. 3; StGB § 49 Abs. 1; StGB § 213
Instanzenzug: LG Essen, vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen suchte der damals 65 Jahre alte Angeklagte am seine 68 Jahre alte Ehefrau Lidia, die sich im Oktober 2000 von ihm getrennt hatte, in deren Wohnung auf. Als der Angeklagte erkannte, dass Lidia, die seinen Versuch, sie zu umarmen, zurückgewiesen hatte, den Abend nicht, wie von ihm erhofft, gemeinsam mit ihm verbringen wollte, reagierte er gereizt. Als seine Ehefrau ihn bewegen wollte, die Wohnung zu verlassen, geriet der auf Grund einer hirnorganischen Erkrankung sehr leicht reizbare Angeklagte in Wut und zerschlug ein Bierglas auf dem Küchentisch. Seine darüber erboste Ehefrau schlug zweimal mit der Hand nach dem Angeklagten und schimpfte lauthals auf ihn ein. Der Angeklagte ergriff im Verlauf der Auseinandersetzung eine Ahle (Gesamtlänge: etwa 25 cm), folgte seiner Ehefrau, die sich in das Wohnzimmer zurückgezogen hatte, und stach neunmal wuchtig mit der Ahle auf seine Ehefrau ein. "Jedenfalls die sechs Stiche in die Brust versetzte der Angeklagte seiner Frau in rascher Folge nacheinander in der Vorstellung, damit ihren Tod herbeizuführen". Die Ehefrau des Angeklagten verstarb innerhalb kurzer Zeit auf Grund des durch diese Stiche verursachten massiven Blutverlustes.
Bei Begehung der Tat war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten auf Grund seiner hirnorganischen Erkrankung in Verbindung mit der affektiv aufgeladenen Tatsituation erheblich vermindert. Im Hinblick darauf hat das Landgericht einen minder schweren Fall im Sinne der zweiten Alternative des § 213 StGB bejaht und die Strafe dem danach zur Verfügung stehenden Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe entnommen.
2. Die Überprüfung des Schuldspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch die von der Revision angegriffene Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann auf Grund der Sachrüge nur prüfen, ob dem Tatrichter hierbei Rechtsfehler unterlaufen sind (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33 m. N.). Das ist hier nicht der Fall. Insbesondere begegnet die Überzeugungsbildung zur Täterschaft des Angeklagten keinen rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat aus den sicher festgestellten Beweisanzeichen nahe liegende Schlüsse gezogen. Auch wenn einzelne Indizien für sich allein nicht ausreichen würden und sich einzelne Umstände auch anders erklären ließen, so durfte sich die Strafkammer doch aufgrund einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände die Überzeugung bilden, dass dem Tatopfer die Stichverletzungen, die "innerhalb kurzer Zeit" zum Tode führten, am zwischen 18:00 Uhr und 18:40 Uhr zugefügt wurden, und zwar vom Angeklagten, der sich in dieser Zeit in der Wohnung des Tatopfers aufhielt. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Revisionsbegründung eine eigene Beweiswürdigung vornimmt, kann er damit im Revisionsverfahren nicht gehört werden.
3. Auch der Strafausspruch hat Bestand.
a) Es kann dahinstehen, ob das Landgericht Äußerungen des Tatopfers zugunsten des Angeklagten als schwere Beleidigung oder die zwei Schläge, die dem Angeklagten von seiner Ehefrau versetzt wurden, als Misshandlungen im Sinne der ersten Alternative des § 213 StGB hätte werten müssen. Jedenfalls ist der Angeklagte nach den Feststellungen nicht, wie nach § 213 StGB erforderlich, ohne eigene Schuld zum Zorn gereizt und zur Tat hingerissen worden. Vielmehr hat er mit seiner von ihm seit Jahren getrennt lebenden Ehefrau einen Streit angefangen und, als diese ihn zum Verlassen ihrer Wohnung bewegen wollte, das Bierglas, ein Geschenk des gemeinsamen Sohnes, zerschlagen.
Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Landgericht einen minder schweren Fall nicht schon aufgrund der hier vorliegenden übrigen Milderungsgründe bejaht hat. Die Annahme des Landgerichts, dass der Strafrahmen des § 213 StGB nur unter Verbrauch des vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB anzuwenden sei, obwohl der Angeklagte nicht vorbestraft ist, er die Tat in einer schwierigen Lebenssituation spontan begangen hat und aufgrund seines Alters und Charakters besonders haftempfindlich ist, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Entgegen der Auffassung der Revision ist daher für eine nochmalige Milderung des Strafrahmens des § 213 StGB gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB kein Raum.
b) Allerdings beanstanden die Revision und der Generalbundesanwalt zu Recht, dass das Landgericht als Straferschwerungsgrund herangezogen hat, dass der Angeklagte "mit direktem Tötungsvorsatz und nicht nur bedingtem" gehandelt hat. Der Tatbestand des Totschlags setzt vorsätzliche Tatbegehung voraus, deren Regelfall die Tötung mit direktem Vorsatz ist. Daher verstößt es gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB, wenn der Umstand, dass der Angeklagte mit direktem Tötungsvorsatz gehandelt hat, als solcher strafschärfend verwertet wird (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 1, 3, 4; Senatsbeschluss vom - 4 StR 346/98). Dieser Rechtsfehler nötigt jedoch unter den hier gegebenen Umständen nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs.
Dabei kann dahinstehen, ob das Urteil auf diesem Strafzumessungsfehler beruht, weil die verhängte Rechtsfolge jedenfalls angemessen ist (§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO).
Die bei verfassungskonformer Auslegung erforderlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung des Revisionsgerichts nach dieser Vorschrift (vgl. dazu BVerfG NStZ 2007, 598) liegen vor. Dem Senat steht ein zutreffend ermittelter, vollständiger und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur Verfügung. Es gibt keine Anhaltspunkte für erst nach der erstinstanzlichen Hauptverhandlung eingetretene und dementsprechend bisher nicht berücksichtigte Entwicklungen oder Ereignisse, die ein neuer Tatrichter nahe liegend feststellen und zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigen würde.
Unter Abwägung aller für die Strafzumessung bedeutsamen Urteilsfeststellungen und unter Berücksichtigung des gesamten hierauf bezogenen Vorbringens der Verfahrensbeteiligten hält der Senat die vom Landgericht verhängte Freiheitsstrafe von sechs Jahren für angemessen. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Angeklagte die maßgeblichen Ursachen für den Streit mit seiner Ehefrau, die sich bereits im Oktober 2000 von ihm getrennt hatte, gesetzt hat. Er hat sich über das Hausrecht seiner Ehefrau hinweggesetzt und hat seine Ehefrau mit dem Zerschlagen des Bierglases, das ihr einer ihrer Söhne geschenkt hatte, noch zusätzlich provoziert.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DAAAC-89390
1Nachschlagewerk: nein