BFH Urteil v. - II R 36/07 BStBl 2008 II S. 882

Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs bei Löschungsbewilligung für eine Auflassungsvormerkung

Leitsatz

Eine Auflassungsvormerkung steht der Rückgängigmachung eines Kaufvertrages dann nicht mehr entgegen, wenn dem Veräußerer bereits eine Löschungsbewilligung erteilt ist und er von dieser frei und unbeeinflusst durch den Ersterwerber Gebrauch machen kann.

Gesetze: GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 2

Instanzenzug: (EFG 2006, 1928) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der die H GmbH (H) mit 90 % und S mit 10 % beteiligt waren; Alleingesellschafterin der H ist FS, die Tochter des S. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom erwarb die Klägerin von der luxemburgischen T S.A. (T) ein Grundstück. Bei Abschluss dieses Kaufvertrages handelte S auf Erwerberseite als Geschäftsführer sowohl der H als auch der Klägerin. Zugunsten der Klägerin wurde eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte mit Bescheid vom Grunderwerbsteuer in Höhe von ... € fest. Die Steuerfestsetzung wurde bestandskräftig.

Am trat T wegen Nichtzahlung des Kaufpreises vom Kaufvertrag zurück. Die Klägerin beantragte daraufhin, den Grunderwerbsteuerbescheid gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) aufzuheben. Dazu legte sie die Abschrift einer notariell beglaubigten Erklärung vom vor, in der sie die Löschung der Auflassungsvormerkung bewilligte und die T die Löschung im Grundbuch beantragte. Diese Erklärung war jedoch nicht dem Grundbuchamt zur Eintragung übersandt worden. Die Klägerin behauptet, die Löschungsbewilligung sei aufgrund eines Sekretariatsversehens nicht an das Grundbuchamt, sondern an die T übermittelt worden.

Durch weiteren notariell beurkundeten Vertrag vom wurde das Grundstück zusammen mit einem benachbarten Grundstück zu einem nahezu unveränderten Preis von T an H verkauft. Für T handelte dabei S, der aufgrund zweier Vollmachten aus den Jahren 1997 und 2001 umfassend zur Vertretung der T in Grundstücksangelegenheiten befugt war. Auf Seiten der H traten sowohl S als auch FS auf. In derselben Urkunde bewilligten S und FS die Löschung der noch zugunsten der Klägerin eingetragenen Auflassungsvormerkung. H wurde nach Löschung der Auflassungsvormerkung als Eigentümerin eingetragen.

Mit Bescheid vom lehnte das FA die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids ab, da die Auflassungsvormerkung bei Abschluss des zweiten Kaufvertrages noch im Grundbuch eingetragen und der Klägerin das weitere Schicksal des Grundstücks nicht gleichgültig gewesen sei. Ferner habe S den Geschehensablauf umfassend beherrschen können, da er nicht nur Geschäftsführer der Klägerin und der H, sondern auch Bevollmächtigter der T gewesen sei.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die Steuerfestsetzung könne nicht gemäß § 16 Abs. 1 GrEStG aufgehoben werden, da der Erwerb vom nicht vollständig rückgängig gemacht worden sei. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Rechtsstandpunkt weiter.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie des Ablehnungsbescheids vom und der Einspruchsentscheidung vom das FA zu verpflichten, den Steuerbescheid vom aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Das FG hat zu Unrecht angenommen, dem Ersterwerber sei mit einer Auflassungsvormerkung selbst dann noch eine der Anwendung des § 16 GrEStG entgegenstehende Rechtsposition verblieben, wenn er die Löschung der Auflassungsvormerkung bereits bewilligt habe und der Veräußerer über die Löschungsbewilligung frei verfügen könne.

1. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG wird eine Steuerfestsetzung auf Antrag aufgehoben, wenn die Vertragsbedingungen nicht erfüllt werden und der Erwerbsvorgang deshalb aufgrund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird.

Ein Erwerbsvorgang ist dann „rückgängig gemacht”, wenn sich die Vertragspartner über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt (vgl. die , BFHE 173, 568, BStBl II 1994, 413; vom II R 12/01, BFHE 202, 383, BStBl II 2003, 770; vom II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700; vom II R 18/05, BFHE 217, 276, BStBl II 2007, 726; vom II R 1/06, BFH/NV 2008, 403; , BFH/NV 2006, 615).

Die tatsächliche und vollständige Rückgängigmachung i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG setzt demnach voraus, dass die Vertragsparteien sämtliche Wirkungen aus dem Erwerbsvorgang aufheben und sich so stellen, als wäre dieser nicht zustande gekommen (vgl. , BFH/NV 1995, 924; vom II R 53/03, BFHE 209, 158, BStBl II 2005, 495; , BFH/NV 1997, 61). Dies erfordert grundsätzlich die Löschung einer zugunsten des Ersterwerbers eingetragenen Auflassungsvormerkung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 202, 383, BStBl II 2003, 770). Eine Auflassungsvormerkung beeinträchtigt nämlich die Verkehrsfähigkeit eines Grundstücks unabhängig vom Fortbestand des zivilrechtlichen Übereignungsanspruchs (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1997, 61; vom II B 165/03, BFH/NV 2005, 2049).

Diese Beeinträchtigung entfällt jedoch, wenn der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer eine Löschungsbewilligung in grundbuchrechtlich gebotener Form erteilt hat und der Veräußerer über sie frei und ohne Einflussnahme seitens des Erwerbers verfügen kann. Der Erwerber hat dann keine Rechtsposition mehr, die es ihm ermöglichte, auf die nachfolgende Veräußerung des Grundstücks einzuwirken. Da der Vorentscheidung eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, war sie aufzuheben.

2. Die Sache ist nicht spruchreif.

Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der T bereits im November 2003 eine Löschungsbewilligung übersandt worden war und ob T —ggf.— frei und unbeeinflusst durch die Klägerin bzw. die für diese handelnden Personen über diese Löschungsbewilligung verfügen konnte. Dies ist nachzuholen. Dabei wird zu würdigen sein, dass diese Löschungsbewilligung erst längere Zeit nach Rücktritt der T vom Kaufvertrag —nämlich erst am — erteilt worden sein soll und dass die Löschung der Auflassungsvormerkung nicht aufgrund dieser Löschungsbewilligung, sondern erst aufgrund der zusammen mit dem Kaufvertrag vom notariell beurkundeten Löschungsbewilligung erfolgte. Diese zweite Löschungsbewilligung war selbst nicht geeignet, der Auflassungsvormerkung die Wirkung zu nehmen, einer (vollständigen) Rückgängigmachung des Ersterwerbs entgegen zu stehen, da sie zeitgleich mit der Weiterveräußerung in derselben Urkunde erteilt wurde (vgl. , BFH/NV 2007, 273).

Fundstelle(n):
BStBl 2008 II Seite 882
BB 2008 S. 1927 Nr. 36
BFH/NV 2008 S. 1768 Nr. 10
BFH/PR 2008 S. 481 Nr. 11
BStBl II 2008 S. 882 Nr. 19
DB 2008 S. 1952 Nr. 36
DStRE 2008 S. 1151 Nr. 18
EStB 2008 S. 359 Nr. 10
HFR 2008 S. 1046 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 35/2008 S. 3268
SJ 2008 S. 14 Nr. 21
StB 2008 S. 354 Nr. 10
StBW 2008 S. 5 Nr. 18
StuB-Bilanzreport Nr. 18/2008 S. 727
UVR 2008 S. 330 Nr. 11
XAAAC-88008