Aufteilung des Kaufpreises bei einem gemischt genutzten Grundstück im Privatvermögen
Leitsatz
1. Ist für ein bebautes Grundstück ein Gesamtkaufpreis gezahlt worden, ist der Kaufpreis zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Absetzungen für Abnutzung aufzuteilen. Bei Mietwohngrundstücken im Privatvermögen ist grundsätzlich die Kaufpreisaufteilung nach dem Schwertverfahren angebracht.
2. Gleiches gilt für Grundstücke, die nicht nur Mietwohnungen aufweisen, sondern zugleich der Vermietung dienende Büro- oder Geschäftsräume umfassen (gemischt genutzte Mietgrundstücke).
Gesetze: EStG § 7 Abs. 4, EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag erwarben die Kläger und Revisionskläger (Kläger) in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ein 2,18 Ar großes —mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebautes und vermietetes— Grundstück zu einem Gesamtkaufpreis von 1 700 000 DM zzgl. 120 943 DM Nebenkosten. Das Gebäude enthält insgesamt fünf Einheiten, von denen zwei (237,05 qm und 57,53 qm) als Ladengeschäfte und drei (127,40 qm, 50,22 qm und 52,04 qm) zu Wohnzwecken genutzt werden.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2001 machten die Kläger aus diesem Objekt Werbungskosten in Höhe von 171 397 DM geltend; davon entfielen 45 523,57 DM auf die Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). In dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid für 2001 ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die AfA nur in Höhe von 27 316 DM zum Werbungskostenabzug zu. In einer vom Bausachverständigen des FA vorgenommenen (schematischen) Kaufpreisaufteilung nach dem Verhältnis der Sachwerte ermittelte dieser einen Grund- und Bodenanteil von 39 v.H., den das FA in seinen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid übernahm. Im Zuge des sich daran anschließenden Einspruchsverfahrens legten die Kläger das Gutachten eines Grundstückssachverständigen vor, der aufgrund einer Bewertung nach dem Ertragswertverfahren einen Bodenwert in Höhe von 436 000 DM sowie einen Gebäudewert in Höhe von 1 637 022 DM ermittelte.
Mit ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehren die Kläger einen Ansatz der AfA-Bemessungsgrundlage für das Objekt in Höhe von 79 v.H. der Anschaffungskosten (1 637 000 DM) aufgrund einer Aufteilung des Kaufpreises nach dem Ertragswertverfahren. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem hinsichtlich der Entscheidungsgründe nach § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ergangenen Urteil im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung des FA als unbegründet zurück. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1747, veröffentlicht.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des Verfahrensrechts und des materiellen Rechts.
Das FG habe unter Verstoß gegen die Grundsätze der Beweiswürdigung das von den Klägern vorgelegte Gutachten wie auch ihren Vortrag zum Vorliegen eines Geschäftsgrundstücks in den Entscheidungsgründen nicht berücksichtigt. Die Anwendung des Sachwertverfahrens im Streitfall verletze § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, § 7 Abs. 4 EStG. Das FG habe verkannt, dass der Begriff des Gebäudes bei Betriebs- und Privatvermögen identisch sei und deshalb die Zuordnung zum Privatvermögen allein nicht zur Anwendung des Sachwertverfahrens führen dürfe. Im Streitfall sei nur das Ertragswertverfahren für die Wertermittlung des Grundstücks geeignet, weil das Grundstück erworben worden sei, um durch Vermietung einen hohen Ertrag zu erzielen. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Anwendung des Sachwertverfahrens bei der Aufteilung von Kaufpreisen in einen Boden- und einen Gebäudeanteil sei auf Fälle nicht anwendbar, bei denen der Grund und Boden nach Umriss und Inhalt eindeutig zuzuordnen sei. Schließlich habe das FG das Sachwertverfahren fehlerhaft angewendet, weil es den Anteil des Grund und Bodens zu hoch bemessen und Marktanpassungsfaktoren nicht berücksichtigt habe.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2001 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Gebäudes anstelle einer AfA in Höhe von 27 770 DM eine AfA in Höhe von 2,5 v.H. von 1 438 000 DM zum Werbungskostenabzug zugelassen wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet; sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Das FG hätte wegen der Besonderheiten des Streitfalles nicht die schematische Aufteilung der Kaufpreisanteile nach dem Verhältnis der Sachwerte durch das FA ohne eigene Ermittlungen übernehmen dürfen.
1. Zu Recht geht das FG allerdings davon aus, dass das FA die auf den Grund und Boden und das Gebäude entfallenden Kaufpreisanteile gemäß § 162 Abs. 1 AO schätzen durfte; denn es fehlt ausweislich des notariellen Kaufvertrags eine Einigung der Vertragsparteien über den Grundstücksanteil im Gesamtkaufpreis, die grundsätzlich der Aufteilung auf Grund und Boden sowie Gebäude zugrunde zu legen ist, solange dagegen keine nennenswerten Zweifel bestehen (, BFH/NV 2002, 324, m.w.N.).
2. Ist —wie im Streitfall— ein Gesamtkaufpreis gezahlt worden, ist der Kaufpreis zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die AfA aufzuteilen. Zunächst sind Boden- und Gebäudewert gesondert zu ermitteln und sodann die Anschaffungskosten nach dem Verhältnis der beiden Wertanteile in Anschaffungskosten für den Grund- und Bodenanteil und den Gebäudeanteil aufzuteilen.
Für die Schätzung des Werts des Grund- und Boden- sowie des Gebäudeanteils kann die Wertermittlungsverordnung (WertV 1988) entsprechend herangezogen werden (, BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252). Dabei kann der Verkehrswert bei Mietwohngrundstücken sowohl durch das Sachwert- wie auch das Ertragswertverfahren ermittelt werden (vgl. , BFH/NV 2003, 769, unter Bezugnahme auf , BFH/NV 1999, 1201). Diese Ermittlung ist zwar Teil der Sachverhaltsfeststellung des FG, die für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Der BFH als Revisionsgericht muss aber prüfen, ob das FG dabei die zutreffende Methode angewandt hat (z.B. , BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183, m.w.N.).
Diese Grundsätze gelten entgegen der Auffassung der Kläger nach ständiger Rechtsprechung auch bei Mietwohngrundstücken im Privatvermögen. Bei solchen Grundstücken ist grundsätzlich die Kaufpreisaufteilung nach dem Sachwertverfahren angebracht; denn bei ihnen ist regelmäßig davon auszugehen, dass für den Erwerb neben Ertragsgesichtspunkten und der sicheren Kapitalanlage auch die Aussicht auf einen langfristigen steuerfreien Wertzuwachs des Vermögens ausschlaggebend ist (BFH–Urteil in BFH/NV 2003, 769; , BFH/NV 2005, 1798). Dieser Grund gilt gleichermaßen für Grundstücke, die nicht nur Mietwohnungen aufweisen, sondern zugleich —wie im Streitfall— der Vermietung dienende Büro- oder Geschäftsräume umfassen (gemischt genutzte Mietgrundstücke). Lediglich bei zu Büro- oder anderen gewerblichen Zwecken vermieteten Grundstücken (sog. Geschäftsgrundstücke) bejaht die Rechtsprechung eher einen Vorrang des Ertragswertverfahrens (vgl. , BFHE 159, 505, BStBl II 1990, 497; BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 1201; zur ausnahmsweise vorzunehmenden Bewertung von Mietwohngrundstücken nach dem Ertragswertverfahren vgl. auch , BFH/NV 2006, 261).
Auf dieser Grundlage geht auch der Bundesgerichtshof (BGH) davon aus, dass für die Bemessung des Verkehrswerts eines bebauten Grundstücks nicht nur der Ertragswert, sondern auch der Sachwert zu berücksichtigen sei; beide Werte könnten sogar nebeneinander —je nach Lage des Falles auch das Mittel zwischen ihnen— herangezogen werden; für die Bestimmung des Verkehrswerts eines bebauten Grundstücks komme es auf die Besonderheiten des Einzelfalles an (vgl. , Versicherungsrecht 1970, 930; , BFH/NV 2005, 1813).
3. Bei Anwendung dieser Maßstäbe hat das FG dem Grunde nach zutreffend die Kaufpreisaufteilung des FA nach Sachwerten gebilligt. Die Besonderheit des Streitfalles ist aber, dass der Kläger bei einem gemischt genutzten Grundstück im Privatvermögen durch ein im Ertragswertverfahren erstelltes Gutachten dargelegt hat, dass die Kaufpreisaufteilung im Sachwertverfahren wesentlich von der im Ertragswertverfahren abweicht. Bei dieser Sachlage hätte das FG die schematische Sachwert-Berechnung des FA nicht ohne eigene Überprüfung übernehmen dürfen, sondern selbst die Angemessenheit der im Sachwertverfahren ermittelten Werte überprüfen müssen.
4. Die diesen Grundsätzen nicht entsprechende Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, damit dieses die notwendigen Feststellungen trifft.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1668 Nr. 10
HFR 2008 S. 1231 Nr. 12
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2008 S. 8
NAAAC-88007