gestützt auf den
Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 61 Buchstabe c und
Artikel 67 Absatz 1,
auf Vorschlag der Kommission
,
nach Stellungnahme des
Europäischen Parlaments
,
nach Stellungnahme des
Wirtschafts- und Sozialausschusses
,
in Erwägung nachstehender
Gründe:
(1) Die Gemeinschaft hat sich
zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in
dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist, zu erhalten und
weiterzuentwickeln. Zum schrittweisen Aufbau dieses Raums hat die Gemeinschaft
unter anderem im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen die für
das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Maßnahmen zu
erlassen.
(2) Die Unterschiede zwischen
bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit
und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren das reibungslose
Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu
erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil-
und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine
rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus
den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen.
(3) Dieser Bereich fällt unter
die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen im Sinne von Artikel 65 des
Vertrags.
(4) Nach dem in Artikel 5 des
Vertrags niedergelegten Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip können
die Ziele dieser Verordnung auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend
erreicht werden; sie können daher besser auf Gemeinschaftsebene erreicht
werden. Diese Verordnung beschränkt sich auf das zur Erreichung dieser Ziele
notwendige Mindestmaß und geht nicht über das dazu Erforderliche hinaus.
(5) Am 27. September 1968
schlossen die Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Artikel 293 vierter
Gedankenstrich des Vertrags das Übereinkommen von Brüssel über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und
Handelssachen, dessen Fassung durch die Übereinkommen über den Beitritt der
neuen Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen
geändert wurde (nachstehend
„Brüsseler Übereinkommen„ genannt). Am 16. September 1988
schlossen die Mitgliedstaaten und die EFTA-Staaten das Übereinkommen von Lugano
über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, das ein Parallelübereinkommen zu
dem Brüsseler Übereinkommen von 1968 darstellt. Diese Übereinkommen waren
inzwischen Gegenstand einer Revision; der Rat hat dem Inhalt des überarbeiteten
Textes zugestimmt. Die bei dieser Revision erzielten Ergebnisse sollten gewahrt
werden.
(6) Um den freien Verkehr der
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu gewährleisten, ist es
erforderlich und angemessen, dass die Vorschriften über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Wege
eines Gemeinschaftsrechtsakts festgelegt werden, der verbindlich und
unmittelbar anwendbar ist.
(7) Der sachliche
Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte sich, von einigen genau festgelegten
Rechtsgebieten abgesehen, auf den wesentlichen Teil des Zivil- und
Handelsrechts erstrecken.
(8) Rechtsstreitigkeiten, die
unter diese Verordnung fallen, müssen einen Anknüpfungspunkt an das
Hoheitsgebiet eines der Mitgliedstaaten aufweisen, die durch diese Verordnung
gebunden sind. Gemeinsame Zuständigkeitsvorschriften sollten demnach
grundsätzlich dann Anwendung finden, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem
dieser Mitgliedstaaten hat.
(9) Beklagte ohne Wohnsitz in
einem Mitgliedstaat unterliegen im Allgemeinen den nationalen
Zuständigkeitvorschriften, die im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats gelten, in
dem sich das angerufene Gericht befindet, während Beklagte mit Wohnsitz in
einem Mitgliedstaat, der durch diese Verordnung nicht gebunden ist, weiterhin
dem Brüsseler Übereinkommen unterliegen.
(10) Um den freien Verkehr
gerichtlicher Entscheidungen zu gewährleisten, sollten die in einem durch diese
Verordnung gebundenen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in einem anderen
durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt
werden, und zwar auch dann, wenn der Vollstreckungsschuldner seinen Wohnsitz in
einem Drittstaat hat.
(11) Die
Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich
grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit
muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen
aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein
anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen
muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der
gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu
vermeiden.
(12) Der Gerichtsstand des
Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden,
die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit
oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.
(13) Bei Versicherungs-,
Verbraucher- und Arbeitssachen sollte die schwächere Partei durch
Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die
allgemeine Regelung.
(14) Vorbehaltlich der in
dieser Verordnung festgelegten ausschließlichen Zuständigkeiten muss die
Vertragsfreiheit der Parteien hinsichtlich der Wahl des Gerichtsstands, außer
bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen, wo nur eine begrenztere
Vertragsfreiheit zulässig ist, gewahrt werden.
(15) Im Interesse einer
abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich
vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare
Entscheidungen ergehen. Es sollte eine klare und wirksame Regelung zur Klärung
von Fragen der Rechtshängigkeit und der im Zusammenhang stehenden Verfahren
sowie zur Verhinderung von Problemen vorgesehen werden, die sich aus der
einzelstaatlich unterschiedlichen Festlegung des Zeitpunkts ergeben, von dem an
ein Verfahren als rechtshängig gilt. Für die Zwecke dieser Verordnung sollte
dieser Zeitpunkt autonom festgelegt werden.
(16) Das gegenseitige Vertrauen
in die Justiz im Rahmen der Gemeinschaft rechtfertigt, dass die in einem
Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, außer im Falle der Anfechtung, von
Rechts wegen, ohne ein besonderes Verfahren, anerkannt werden.
(17) Aufgrund dieses
gegenseitigen Vertrauens ist es auch gerechtfertigt, dass das Verfahren, mit
dem eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung für
vollstreckbar erklärt wird, rasch und effizient vonstatten geht. Die
Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung muss daher fast automatisch nach
einer einfachen formalen Prüfung der vorgelegten Schriftstücke erfolgen, ohne
dass das Gericht die Möglichkeit hat, von Amts wegen eines der in dieser
Verordnung vorgesehenen Vollstreckungshindernisse aufzugreifen.
(18) Zur Wahrung seiner
Verteidigungsrechte muss der Schuldner jedoch gegen die Vollstreckbarerklärung
einen Rechtsbehelf im Wege eines Verfahrens mit beiderseitigem rechtlichen
Gehör einlegen können, wenn er der Ansicht ist, dass einer der Gründe für die
Versagung der Vollstreckung vorliegt. Die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs muss
auch für den Antragsteller gegeben sein, falls sein Antrag auf
Vollstreckbarerklärung abgelehnt worden ist.
(19) Um die Kontinuität
zwischen dem Brüsseler Übereinkommen und dieser Verordnung zu wahren, sollten
Übergangsvorschriften vorgesehen werden. Dies gilt auch für die Auslegung der
Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens durch den Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften. Ebenso sollte das Protokoll von 1971
auf Verfahren, die zum Zeitpunkt des
Inkrafttretens dieser Verordnung bereits anhängig sind, anwendbar
bleiben.
(20) Das Vereinigte Königreich
und Irland haben gemäß Artikel 3 des dem
Vertrag über die Europäische
Union und dem
Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des
Vereinigten Königreichs und Irlands schriftlich mitgeteilt, dass sie sich an
der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten.
(21) Dänemark beteiligt sich
gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem
Vertrag über die Europäische
Union und dem
Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position
Dänemarks nicht an der Annahme dieser Verordnung, die daher für Dänemark nicht
bindend und ihm gegenüber nicht anwendbar ist.
(22) Da in den Beziehungen
zwischen Dänemark und den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten das
Brüsseler Übereinkommen in Geltung ist, ist dieses sowie das Protokoll von 1971
im Verhältnis zwischen Dänemark und den durch diese Verordnung gebundenen
Mitgliedstaaten weiterhin anzuwenden.
(23) Das Brüsseler
Übereinkommen gilt auch weiter hinsichtlich der Hoheitsgebiete der
Mitgliedstaaten, die in seinen territorialen Anwendungsbereich fallen und die
aufgrund der Anwendung von Artikel 299 des Vertrags von der vorliegenden
Verordnung ausgeschlossen sind.
(24) Im Interesse der Kohärenz
ist ferner vorzusehen, dass die in spezifischen Gemeinschaftsrechtsakten
enthaltenen Vorschriften über die Zuständigkeit und die Anerkennung von
Entscheidungen durch diese Verordnung nicht berührt werden.
(25) Um die internationalen
Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten eingegangen sind, zu wahren, darf sich
diese Verordnung nicht auf von den Mitgliedstaaten geschlossene Übereinkommen
in besonderen Rechtsgebieten auswirken.
(26) Um den
verfahrensrechtlichen Besonderheiten einiger Mitgliedstaaten Rechnung zu
tragen, sollten die in dieser Verordnung vorgesehenen Grundregeln, soweit
erforderlich, gelockert werden. Hierzu sollten bestimmte Vorschriften aus dem
Protokoll zum Brüsseler Übereinkommen in die Verordnung übernommen
werden.
(27) Um in einigen Bereichen,
für die in dem Protokoll zum Brüsseler Übereinkommen Sonderbestimmungen
enthalten waren, einen reibungslosen Übergang zu ermöglichen, sind in dieser
Verordnung für einen Übergangszeitraum Bestimmungen vorgesehen, die der
besonderen Situation in einigen Mitgliedstaaten Rechnung tragen.
(28) Spätestens fünf Jahre nach
dem Inkrafttreten dieser Verordnung unterbreitet die Kommission einen Bericht
über deren Anwendung. Dabei kann sie erforderlichenfalls auch
Anpassungsvorschläge vorlegen.
(29) Die Anhänge I bis IV
betreffend die innerstaatlichen Zuständigkeitsvorschriften, die Gerichte oder
sonst befugten Stellen und die Rechtsbehelfe sind von der Kommission anhand der
von dem betreffenden Mitgliedstaat mitgeteilten Änderungen zu ändern.
Änderungen der Anhänge V und VI sind gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates
vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der
Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse
zu beschließen –