BVerwG Beschluss v. - 6 PB 10.08

Leitsatz

Wird die Gehörsrüge auf den Gesichtspunkt der Überraschungsentscheidung wegen Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht gemäß § 139 Abs. 2 ZPO gestützt, so muss in der Beschwerdebegründung auf den Inhalt des Rechtsgesprächs im Anhörungstermin des Oberverwaltungsgerichts in der Weise eingegangen werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht beurteilen kann, ob die geltend gemachte Gehörsverletzung vorliegt.

Gesetze: BPersVG § 9; BPersVG § 83; ArbGG § 72; ArbGG § 72a; ArbGG § 92; ArbGG § 92a

Instanzenzug: VG Lüneburg, VG 8 A 3/06 vom OVG Lüneburg, OVG 17 LP 4/06 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht in der gesetzlichen Form begründet ist (§ 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 72a Abs. 5 Satz 3, § 92a Satz 2 ArbGG).

Die Antragstellerin stützt ihre Nichtzulassungsbeschwerde allein auf eine Gehörsrüge nach § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Dementsprechend muss ihre Beschwerdebegründung die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darlegen (§ 72a Abs. 3 Nr. 3, § 92a Satz 2 ArbGG). Die Antragstellerin macht geltend, der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts sei, soweit darin unter Einbeziehung des gesamten Streitkräftebereichs das Bestehen eines ausbildungsadäquaten Dauerarbeitsplatzes zum Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses am bejaht wurde, eine Überraschungsentscheidung. Wird - wie hier - die Gehörsrüge auf den Gesichtspunkt der Überraschungsentscheidung wegen Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht gemäß § 139 Abs. 2 ZPO gestützt, so muss in der Beschwerdebegründung auf den Inhalt des Rechtsgesprächs im Anhörungstermin des Oberverwaltungsgerichts in der Weise eingegangen werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht beurteilen kann, ob die geltend gemachte Gehörsverletzung vorliegt (vgl. - BAGE 114, 57 <59>). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung hier nicht.

In rechtlicher Hinsicht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass es für die Weiterbeschäftigung des Jugendvertreters nach § 9 BPersVG grundsätzlich auf das Vorhandensein eines ausbildungsadäquaten Dauerarbeitsplatzes in der Ausbildungsdienststelle ankommt. Es hat jedoch die Weiterbeschäftigung auch dann als zumutbar angesehen, wenn der öffentliche Arbeitgeber Auszubildende, welche er in der Ausbildungsdienststelle nicht weiterbeschäftigen kann, bei anderen Dienststellen seines Zuständigkeits- und Verantwortungsbereichs einzustellen pflegt. Dabei durfte es sich auf Erwägungen stützen, die der Senat in seinem BVerwG 6 P 3.05 - (BVerwGE 124, 292 <299> = Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 25 Rn. 27; vgl. jetzt aber: BVerwG 6 PB 16.07 - juris Rn. 15) angestellt hat.

Dass die letztgenannten Voraussetzungen - geeigneter, besetzbarer Arbeitsplatz im Streitkräftebereich, dienststellenübergreifende Weiterbeschäftigungspraxis der Antragstellerin - in tatsächlicher Hinsicht erfüllt sind, hat das Oberverwaltungsgericht dem Bericht der Standortverwaltung Bergen vom an die Wehrbereichsverwaltung Nord entnommen. Ob die im Anhörungstermin sachkundig vertretene Antragstellerin mit dieser Würdigung rechnen konnte, hängt entscheidend vom Inhalt des dortigen Rechtsgesprächs ab. Dazu schweigt die Beschwerdebegründung weitgehend. Ihr lässt sich zwar sinngemäß der Vortrag entnehmen, dass das Oberverwaltungsgericht seine im angefochtenen Beschluss vorgenommene Würdigung des genannten Schreibens vom nicht ausdrücklich mitgeteilt hat. Mit einer solchen Würdigung musste ein kundiger und gewissenhafter Prozessbeteiligter (vgl. zu diesem Maßstab: - BVerfGE 98, 218 <263> und - BVerfGE 108, 341 <345 f.>; - juris Rn. 10) aber auch dann rechnen, wenn das Oberverwaltungsgericht - ohne sich bereits festzulegen - im Anhörungstermin eine solche Möglichkeit für die Beteiligten erkennbar angedeutet hat. Ob dies der Fall war, lässt sich ohne Kenntnis vom Inhalt des Rechtsgesprächs nicht beurteilen.

Dass das Oberverwaltungsgericht die Frage nach dem Vorhandensein eines geeigneten Arbeitsplatzes und in diesem Zusammenhang das genannte Schreiben vom überhaupt nicht angesprochen hat, behauptet die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht. Eine dahingehende Annahme verbietet sich mit Rücksicht auf die Niederschrift des Oberverwaltungsgerichts über seinen Anhörungstermin vom . Dort sind diejenigen Gesichtspunkte aufgezählt, auf die es dem Oberverwaltungsgericht bei der Prüfung des Auflösungsbegehrens der Antragstellerin ankam und die es folgerichtig zum Gegenstand seiner "eingehenden" Erörterung der Sach- und Rechtslage gemacht hat; dazu gehörte "die Frage der betriebsbedingten Gründe, die einer Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1 entgegenstehen könnten". Ist aber der hier interessierende Punkt im Anhörungstermin immerhin zur Sprache gekommen, und in diesem Zusammenhang auch der Bericht vom - der Beteiligte zu 1 bestätigt dies in der Beschwerdeerwiderung ausdrücklich -, so muss der Senat den darauf bezogenen Inhalt des Rechtsgesprächs zur Beurteilung der Gehörsrüge kennen. Dieses Wissen enthält ihm die Beschwerdebegründung vor.

Von der gebotenen Darlegung war die Antragstellerin im Ergebnis nicht deswegen entbunden, weil sie die in Rede stehende Würdigung des Oberverwaltungsgerichts für aktenwidrig und dem eigenen Sachvortrag widersprechend hält. Damit ist im Verhältnis zur Rüge der Überraschungsentscheidung kein selbständiger Gesichtspunkt angesprochen. Hat das Oberverwaltungsgericht im Anhörungstermin die hier in Rede stehende Würdigung des Berichts vom als zu erwägende Möglichkeit hingestellt, dann kann zwar die Antragstellerin diese Würdigung immer noch für fernliegend halten. Eine Gehörsverletzung scheidet dann aber aus, weil sie Gelegenheit hatte, auf die Erwägungen des Gerichts noch vor Schließung des Termins zu reagieren. Im Übrigen waren die einschlägigen Stellungnahmen der Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren - Antragsschrift vom S. 4, Schriftsatz vom S. 3 sowie Schriftsatz vom S. 5 f. - von dem Ansatz geprägt, dass für das Vorhandensein eines geeigneten Arbeitsplatzes nur auf einen eingeschränkten Zuständigkeitsbereich abzustellen war, nämlich denjenigen der Ausbildungsdienststelle, des Personalführungsbereichs der Standortverwaltung Bergen oder des Luftwaffenamtes. Hier hat das Oberverwaltungsgericht aus den beschriebenen Gründen einen weitergehenden Ansatz gewählt; insofern konnte es allein auf den Bericht der Standortverwaltung vom zurückgreifen, in welchem drei Arbeitsplätze im Bereich der Streitkräfte, aber außerhalb des Geschäftsbereichs des Luftwaffenamtes gemeldet waren. Der Hinweis der Antragstellerin auf die Stellungnahmen im gerichtlichen Verfahren ist daher nicht geeignet, unabhängig vom Inhalt des Rechtsgesprächs im Anhörungstermin den Vorwurf zu belegen, das Oberverwaltungsgericht habe den Vortrag nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in seine Erwägungen einbezogen.

Fundstelle(n):
GAAAC-87208