Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache: Gewinn aus der Veräußerung eines Praxisanteils als laufender oder als tarifbegünstigter Gewinn
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, EStG § 16, EStG § 18 Abs. 3
Instanzenzug:
Gründe
Der Senat kann offenlassen, ob die Beschwerdebegründung den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht, denn jedenfalls ist die Beschwerde unbegründet. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts erforderlich.
a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Entwicklung und Handhabung des Rechts betrifft (ständige Rechtsprechung zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F., vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 23 ff., m.w.N.; , juris). Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Zur Fortbildung des Rechts ist eine Entscheidung des BFH insbesondere erforderlich, wenn über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist, so beispielsweise, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Grundsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (, BFH/NV 2002, 652). Ebenso wie der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO erfordert auch der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) ein Allgemeininteresse an der Klärung der Rechtsfrage, d.h. es muss sich um eine klärungsbedürftige, entscheidungserhebliche und klärbare Rechtsfrage handeln, deren Klärung in einem künftigen Revisionsverfahren auch zu erwarten ist.
Im Streitfall sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gewinn aus der Veräußerung eines Praxisanteils nicht als laufender, sondern als tarifbegünstigter Gewinn i.S. der §§ 18 Abs. 3, 16, 34 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen ist, hat der BFH bereits mehrfach entschieden (vgl. , BFHE 116, 8, BStBl II 1975, 661; vom IV R 44/83, BFHE 145, 522 , BStBl II 1986, 335; vom IV R 36/95, BFHE 182, 533, BStBl II 1997, 498, und vom IV R 11/99, BFH/NV 1999, 1594). Bei diesen Entscheidungen hat der BFH die Tarifbegünstigung stets davon abhängig gemacht, dass alle wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen der freiberuflichen Tätigkeit einschließlich der immateriellen Wirtschaftsgüter wie die Beziehungen des Praxisinhabers zu seinen bisherigen Mandanten und das durch den Praxisnamen bestimmte Wirkungsfeld auf den Erwerber übertragen oder in das Privatvermögen überführt werden. Nach der Rechtsprechung des BFH setzt die Veräußerung oder Aufgabe der Praxis u.a. voraus, dass die freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlich begrenzten Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit eingestellt wird (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1594, m.w.N.). Denn nur so ist eine Abgrenzung des begünstigten Veräußerungsgewinns vom nichtbegünstigten laufenden Gewinn gewährleistet (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 1594, m.w.N.).
Das Finanzgericht (FG) ist bei seiner Entscheidung von den vorstehend genannten Grundsätzen ausgegangen und zu dem Schluss gelangt, die Voraussetzungen für eine Tarifermäßigung seien nicht gegeben, weil der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) seine steuerberatende Tätigkeit nur für ca. acht Monate unterbrochen und damit nicht für eine gewisse Zeit eingestellt habe. Diese Tatsachenwürdigung und Bewertung der Umstände des Einzelfalles seitens des FG widerspricht weder den Denkgesetzen noch den Gesetzen der Logik und entzieht sich daher der revisionsgerichtlichen Überprüfung. Denn wie der BFH bereits in der Entscheidung in BFH/NV 1999, 1594 (m.w.N.) zum Ausdruck gebracht hat, ist der Begriff der „gewissen Zeit” nicht exakt bestimmt. Vielmehr hängt es letztlich von den Umständen des Einzelfalls, die allein das FG als Tatsacheninstanz zu würdigen hat, ab, was darunter zu verstehen ist. Weiterer Klärungsbedarf ist angesichts dieser Konstellation nicht ersichtlich.
b) Eine Entscheidung des BFH ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die vom Kläger gerügte Abweichung der Vorentscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere von den BFH-Urteilen in BFHE 116, 8, BStBl II 1975, 661, in BFHE 182, 533, BStBl II 1997, 498 ist nicht gegeben. Das FG ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass ein tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn —neben weiteren Voraussetzungen— u.a. verlangt, dass der veräußernde Freiberufler seine bisherige Tätigkeit „jedenfalls” für eine gewisse Zeit einstellt. Diese Mindestanforderung für die Tarifbegünstigung muss gewahrt sein, andernfalls ist der Veräußerungsgewinn als laufender zu bewerten. So ist auch die Formulierung der Vorinstanz „Nur dann, wenn dieser Zeitraum gewahrt wird, wird die Steuerbegünstigung endgültig gewährt”, zu verstehen. Von den nämlichen Grundsätzen geht auch der BFH aus. Sowohl in der Entscheidung in BFHE 116, 8, BStBl II 1975, 661 als auch in den Urteilen in BFHE 145, 522, BStBl II 1986, 335, in BFHE 182, 533, BStBl II 1997, 498 sowie in BFH/NV 1999, 1594 macht der BFH deutlich, dass die freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlich begrenzten Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit eingestellt werden muss. Nur so könne der begünstigte Veräußerungsgewinn vom nichtbegünstigten laufenden Gewinn abgegrenzt werden. Von diesen Grundsätzen weicht die Vorentscheidung nicht ab, sondern knüpft daran an. Wenn der BFH in seinem Urteil in BFHE 182, 533, BStBl II 1997, 498 formuliert, er halte an seiner Rechtsprechung fest, „wonach die Übertragung aller wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen der freiberuflichen Tätigkeit auf den Erwerber in der Regel nur dann gewährleistet ist, wenn die freiberufliche Tätigkeit…wenigstens für eine gewisse Zeit aufgegeben wird”, steht das den vorstehend genannten Grundsätzen nicht entgegen. Zum einen nimmt der BFH in der Entscheidung in BFH/NV 1999, 1594 ausdrücklich auf das in der Beschwerde genannte Urteil in BFHE 182, 533, BStBl II 1997, 498 Bezug, zum andern weist er unmissverständlich darauf hin, die freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlich begrenzten Wirkungskreis müsse wenigstens für eine gewisse Zeit eingestellt werden. Daraus ist zu folgern, dass der BFH die Einstellung der bisherigen freiberuflichen Tätigkeit für eine gewisse Zeit als Mindestanforderung versteht, die tatsächliche Dauer der Zeit indes von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles abhängig ist. Die BFH-Entscheidung in BFHE 182, 533, BStBl II 1997, 498 widerstreitet dem nicht, sondern lässt erkennen, dass der BFH an absolute Ausnahmefälle gedacht hat, in denen von dieser Mindestanforderung abgesehen werden könnte. Weshalb im Streitfall ein solcher absoluter Ausnahmefall gegeben sein könnte, erschließt sich indes nicht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1478 Nr. 9
WAAAC-86796