Keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bei unentgeltlicher Nutzungsüberlassung einer Wohnung; Nachlasspfleger nur gesetzlicher Vertreter des unbekannten Erben
Leitsatz
1. Hat der Nachlass eines Erblassers im Wesentlichen aus einem bebauten Grundstück bestanden und ist wegen ungeklärter Erbfolge gerichtlich Nachlasspflegschaft angeordnet worden, kommt es bei der Beurteilung, ob während der Nachlasspflegschaft entstandene Aufwendungen für das Grundstück als vorweggenommene Werbungskosten abziehbar sind, auf die Einkünfteerzielungsabsicht desjenigen an, der sich später als Erbe herausstellt und nicht auf die Einkünfteerzielungsabsicht des Nachlasspflegers.
2. Der Nachlasspfleger ist kraft seiner Bestellung nach § 1960 Abs. 2 BGB nur gesetzlicher Vertreter des unbekannten Erben.
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zu gleichen Teilen Erben nach der im Februar 1994 verstorbenen Frau X. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus einem 4 000 qm großen Grundstück mit einem Einfamilienhaus, das die Erblasserin bis zu ihrem Tode bewohnte. Des Weiteren befindet sich auf dem Grundstück ein sog. „Torhaus” mit Garagen und anderen Räumen.
Im Februar 1993 hatte die Erblasserin die Kläger durch ein notarielles Testament als alleinige Erben zu gleichen Teilen eingesetzt. Nach einem privatschriftlichen Testament vom August 1993 hatte die Erblasserin den in ihrem Haus mit seiner Mutter lebenden Y unter Widerruf früherer Testamente zum Alleinerben bestimmt. Über die Echtheit und Wirksamkeit dieses Testaments kam es nach dem Tod der Erblasserin zu Auseinandersetzungen zwischen den Klägern und Y; beide Seiten beantragten bei dem zuständigen Amtsgericht (AG) die Erteilung eines Erbscheins.
Wegen der ungeklärten Erbfolge setzte das AG eine Rechtsanwältin als Nachlasspflegerin ein. In Abstimmung mit den Klägern duldete diese zunächst die —unentgeltliche— Fortdauer der Nutzung des Grundstücks durch Y und dessen Mutter und erhob schließlich im Streitjahr 1997 Räumungsklage. Nach ihren Feststellungen bestand der Wert des Grundbesitzes im Wesentlichen in dem Verkehrswert des Grund und Bodens (etwa 2 400 000 DM), da die Gebäude ca. 40 Jahre alt seien und ein Reparaturstau bestehe. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sei davon auszugehen, dass die Gebäude abgerissen und durch eine Neubebauung ersetzt werden würden; dies liege aber in der freien Entscheidung der künftigen Erben. Ihre im Jahr 1998 geäußerte Absicht, den Grundbesitz wegen fehlender Einnahmen, aber ständig steigender Zinsaufwendungen zu veräußern, unterblieb wegen der dagegen sowohl von Y als auch den Klägern erhobenen Einwendungen.
Zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin war das Grundstück zugunsten einer Sparkasse mit drei Grundschulden in Höhe von insgesamt 400 000 DM belastet, die in Höhe von 330 000 DM valutierten. Daneben bestand bei der Sparkasse ein Girokonto der Erblasserin, welches im Zeitpunkt des Antrittsberichts der Nachlasspflegerin einen Schuldsaldo von ca. 7 000 DM auswies und über das die Schuldzinsen für die Grundschulddarlehen abgerechnet wurden. Darüber hinaus bestanden bei Antritt der Nachlasspflegschaft fällige Forderungen gegen den Nachlass in Höhe von ca. 50 000 DM. Um diese Verbindlichkeiten und die zukünftig fällig werdenden Zinsen begleichen zu können, vereinbarte die Nachlasspflegerin mit der Sparkasse eine Erhöhung der Kreditlinie für das Girokonto auf zunächst 70 000 DM. In der Folgezeit wurden sowohl diese Kreditlinie als auch die Grundschulddarlehen weiter erhöht. Bis zur Aushändigung des Nachlasses an die Kläger im Dezember 1999 beliefen sich die Verbindlichkeiten des Nachlasses gegenüber der Sparkasse auf insgesamt 698 477,58 DM und stiegen danach noch weiter an.
Im November 1999 wurde den Klägern nach umfangreicher Beweisaufnahme der beantragte Erbschein erteilt und der entsprechende Antrag des Y abgelehnt. Auf ein Rechtsmittel des Y mussten die Kläger den bereits ausgehändigten Erbschein zunächst zurückgeben. Nachdem das Landgericht die Erbscheinerteilung an die Kläger im zweiten Rechtsgang im Mai 2001 bestätigt und das angerufene Oberlandesgericht die dagegen erhobene Beschwerde im Juli 2002 zurückgewiesen hatte, hob das AG die Nachlasspflegschaft im Beschluss vom auf.
In der Folgezeit nahmen die Kläger erhebliche Instandsetzungsarbeiten an den auf dem Grundstück befindlichen Gebäuden vor. Die nunmehr dort vorhandenen drei Mieteinheiten sind seit Mai 2003, Juli 2003 bzw. seit dem Jahr 2004 auf Dauer vermietet.
Ihr Antrag an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—), die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1994 bis 2000 (Streitjahre) unter Berücksichtigung von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung des ererbten Grundstücks in Höhe von ./. 31 049 DM (1994), ./. 55 860 DM (1995), ./. 66 932 DM (1996), ./. 62 575 DM (1997), ./. 80 206 DM (1998), ./. 63 352 DM (1999) und ./. 71 975 DM (2000) zu ändern, lehnte das FA ab und wies den dagegen erhobenen Einspruch zurück. Die daraufhin erhobene Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragen, das FA unter Aufhebung der ablehnenden Verfügung vom und der Einspruchsentscheidungen vom zu verpflichten, die Einkommensteuerbescheide 1994 bis 2000 dahingehend zu ändern, dass Verluste aus Vermietung und Verpachtung des Objekts . in Höhe von ./. 31 049 DM (1994), ./. 55 860 DM (1995), ./. 66 932 DM (1996), ./. 62 575 DM (1997), ./. 80 206 DM (1998), ./. 63 352 DM (1999) und ./. 71 975 DM (2000) berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet, soweit sie die Streitjahre 1997 bis 2000 betrifft; das angefochtene Urteil ist insoweit aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht (FG) zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—); vgl. dazu die Ausführungen zu 2. Im Übrigen —also bezogen auf die Streitjahre 1994 bis 1996— ist sie unbegründet und nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen (vgl. zu 1.).
1. Einkommensteuer 1994 bis 1996
Im Ergebnis zutreffend hat das FG eine Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1996 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) abgelehnt. Denn in diesen Jahren konnten die Kläger die Aufwendungen schon deshalb nicht als Werbungskosten absetzen, weil das Grundstück mit ihrer Zustimmung unentgeltlich zur Nutzung überlassen wurde.
Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes —EStG—) sind alle Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Sie können schon gegeben sein, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen im Rahmen einer Einkunftsart anfallen (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH—, vgl. Urteil vom IX R 6/96, BFH/NV 2001, 24, m.w.N.). Wer indes einem anderen eine Wohnung unentgeltlich zur Nutzung überlässt, verwirklicht nicht den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und kann deshalb auch keine Werbungskosten abziehen; denn seine mit der Nutzungsüberlassung zusammenhängenden Aufwendungen dienen nicht, wie dies § 9 Abs. 1 EStG voraussetzt, der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen (, BFH/NV 2005, 1255, und vom IX R 48/01, BFHE 201, 46, BStBl II 2003, 646, unter II. 1. a).
Nach diesen Maßstäben haben die Kläger keinen Anspruch auf Änderung der Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1994 bis 1996. Denn nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen und deshalb für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG duldete es die Nachlasspflegerin in Abstimmung mit den Klägern, dass Y und seine Mutter das Grundstück in Fortdauer der mit der Erblasserin getroffenen Regelung unentgeltlich nutzten. Deshalb können die Kläger auch keine mit dieser Nutzung im Zusammenhang stehenden Aufwendungen als Werbungskosten absetzen.
2. Einkommensteuer 1997 bis 2000
Das angefochtene Urteil ist insoweit aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Kläger haben grundsätzlich Anspruch auf die begehrte Änderung der Steuerbescheide, weil sie aufgrund der rechtskräftigen zivilgerichtlichen Entscheidung im Erbscheinerteilungsverfahren mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Erbfalls und damit nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO mit Wirkung für die Streitjahre als Eigentümer des streitigen Immobilienobjekts anzusehen sind und die in den Streitjahren für das Objekt entstandenen Aufwendungen als vorweggenommene Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen können.
a) Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG), auch wenn mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen noch nicht erzielt werden (siehe unter 1.). Voraussetzung für die Berücksichtigung solcher vorab entstandener Werbungskosten —wie hier die für das Immobilienobjekt entstandenen Aufwendungen— ist ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Großen Senats des , BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830; , BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477; vom IX R 45/05, BFHE 214, 176, BStBl II 2006, 803). Die jeweiligen Aufwendungen müssen objektiv in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der auf Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit stehen und subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung ausgeführt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFH/NV 2003, 1043, unter II. 1. c, m.w.N.; vom IX R 46/05, BFH/NV 2007, 1490).
So verhält es sich, wenn sich anhand objektiver Umstände feststellen lässt, dass der Steuerpflichtige den Entschluss, Einkünfte aus einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefasst und nicht wieder aufgegeben hat (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761; vom IX R 55/02, BFH/NV 2004, 484). Die Absicht der Einkünfteerzielung ist eine innere Tatsache, die nur anhand äußerer Merkmale beurteilt werden kann. Aus objektiven Umständen muss auf das Vorliegen der Absicht geschlossen werden können (, BFH/NV 2001, 24, m.w.N.). Dabei ist das spätere Verhalten der Steuerpflichtigen im Anschluss an den jeweiligen Streitzeitraum als Indiz für dessen Absicht ebenso wie der zeitliche Zusammenhang zwischen Aufwendungen und späterer Vermietung heranzuziehen (vgl. , BFHE 208, 235, BStBl II 2005, 211).
b) Nach diesen Grundsätzen hat es das FG zu Unrecht abgelehnt, vorab entstandene Werbungskosten der Kläger bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Entgegen der Ansicht des FG kann aus der Tatsache, dass die für die Dauer des Erbschaftsstreits bestellte Nachlasspflegerin selbst keine Vermietungsbemühungen unternommen und bei dem Nachlassgericht die Genehmigung für einen Verkauf des Objekts beantragt hat, nicht auf eine fehlende Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger geschlossen werden.
Hier kommt es auf die (Einkünfteerzielungs)-Absicht der Kläger und nicht die der Nachlasspflegerin an, weil diese Kraft ihrer Bestellung nach § 1960 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nur gesetzlicher Vertreter des unbekannten Erben ist (vgl. Edenhofer in Palandt, BGB, 67. Aufl., § 1960 Rz 11) und nach den bindenden Feststellungen des FG in dieser Funktion von einem Verkauf der Immobilie auch aufgrund der eindeutigen Ablehnung durch die vom Nachlassgericht hierzu angehörten Kläger Abstand nehmen musste. Bei dieser Sachlage ist für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht und die Zurechnung der Einkünfteerzielung nicht auf die Person des gesetzlichen Vertreters, sondern den Vertretenen —wie hier also die Kläger— abzustellen (vgl. zur Zurechnung bei ggf. gesetzlich Vertretenen , BFH/NV 2004, 1079, und vom IX R 13/05, BFH/NV 2007, 406). Auf dieser Grundlage lassen die weiteren bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG nur den Schluss zu, dass die Kläger bereits während des laufenden Erbschaftsstreits für den Fall einer Entscheidung zu ihren Gunsten jedenfalls ab Erheben der Räumungsklage im Streitjahr 1997 die Absicht hatten, aus der Immobilie auf Dauer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen. Denn sie haben —wie das FG festgestellt hat— unmittelbar nach Rechtskraft der zivilrechtlichen Entscheidung über ihre Erbenstellung den Umbau der streitigen Immobilie betrieben und diese anschließend vermietet; objektive Anhaltspunkte für eine gegenteilige Absicht der Kläger sind den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht zu entnehmen. Ihr auf Vermietung ausgerichtetes Verhalten im Anschluss an den Streitzeitraum ist als Indiz für eine bereits mit dem Erheben der Räumungsklage im Streitjahr 1997 einsetzende Einkünfteerzielungsabsicht heranzuziehen.
c) Die Sache ist aber nicht spruchreif. Das FG wie auch das FA haben von ihrem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig keine Feststellungen dazu getroffen, ob die geltend gemachten Aufwendungen nach Grund und Höhe angefallen sind.
3. Die Kostenentscheidung folgt —wegen des Prinzips der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung— insgesamt aus § 143 Abs. 2 FGO (vgl. dazu eingehend Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 143 FGO Rz 15, m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1479 Nr. 9
EStB 2008 S. 314 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2008 S. 12
JAAAC-86783