BFH Urteil v. - IX R 11/07

Anwendbarkeit der zur Vermietung von Ferienwohnungen entwickelten Maßstäbe auf die Vermietung von Messezimmern oder Messewohnungen

Leitsatz

1. Das Vermieten von Messezimmern oder Messewohnungen ist keine gewerbliche Betätigung, sondern erfolgt in Rahmen privater Vermögensverwaltung, wenn der Steuerpflichtige weder über das Angebot der Raumnutzung hinaus ins Gewicht fallende, nicht übliche Sonderleistungen erbringt noch wegen des besonders häufigen Wechsels der Mieter eine einem gewerblichen Beherbergungsbetrieb (Hotel, Fremdenpension) vergleichbare unternehmerische Organisation erforderlich ist.

2. Bei der Vermietung von Messezimmern oder Messewohnungen sind die vom BFH entwickelten Grundsätze zur Vermietung von Ferienwohnungen anwendbar.

Gesetze: EStG § 9, EStG § 21

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), die 1999 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, erwarben im Streitjahr ein 1990 errichtetes Einfamilienhaus (Reihenendhaus) im Umkreis von A, das sie mit ihren beiden 1990 und 1992 geborenen Kindern bewohnen. Im Souterrain des Gebäudes (Wohnfläche insgesamt ca. 190 qm) bauten sie zwei Räume als „Messezimmer” aus. Dabei handelte es sich um zwei miteinander verbundene Zimmer von ca. 13 qm und 33 qm; über den allgemeinen Flur, in dem sich ein Kühlschrank befand, war ein Duschbad mit WC, wie auch ein Heizungs- und ein Abstellkeller zu erreichen. Das Souterrain verfügte über eine Nebeneingangstür nach draußen und einen Treppenaufgang ins Erdgeschoss. Dort befanden sich neben Küche und großem Wohnzimmer ein weiteres Zimmer sowie eine Gästetoilette; im Obergeschoss gab es vier Zimmer und ein großes (Eltern-)Schlafzimmer.

Im Dezember des Streitjahres hatten die Kläger mehreren Firmen die „Einliegerwohnung” für verschiedene Großveranstaltungen im Folgejahr erfolglos angeboten. Im Februar 2000 schlossen die Kläger mit einer Messezimmervermittlung einen Vermittlungsvertrag für die Zeit 30. Mai bis . Danach boten sie ein abgeschlossenes Appartement mit Küche/Bad einschließlich (vom Gast selbst zuzubereitendes) Frühstück, Reinigung und Wäschewechsel an.

Bislang haben die Kläger das Messezimmer nicht vermietet. Auch aufgrund der in den Folgejahren geschlossenen Vermittlungsverträge (Rahmenvereinbarungen vom März und August 2001) mit einer anderen Zimmervermittlung wurden die Räume zu den vorgesehenen Messezeiten nicht vermietet. Die Kläger hatten sich in den Rahmenvereinbarungen verpflichtet, die Räume für fünf größere Messen in A mit Vor- und Nachlaufzeiten bereit zu halten; darüber hinaus erklärten die Kläger sich bereit, die Privatunterkunft auch außerhalb dieser Zeiten auf Anfrage zu vermieten. Nach Angaben der Kläger hat eine private Nutzung der Räume abgesehen vom Einsatz „etwa ein- bis zweimal im Jahr bei größeren Feiern als Ausweichfläche” nicht stattgefunden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erkannte die für das Streitjahr geltend gemachten Aufwendungen für die Messezimmer zunächst an. Der aus anderen Gründen eingelegte Einspruch der Kläger hatte nach Verböserungshinweis im Streitpunkt keinen Erfolg; das FA ließ die Aufwendungen mangels Abgeschlossenheit der Wohnung unberücksichtigt.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab (Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1075). Die streitigen Aufwendungen seien in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu Ferienwohnungen keine Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften, sondern dem privaten Bereich zuzuordnen. Zum einen sei im Streitjahr wie in den Folgejahren trotz entsprechender Bemühungen keine Vermietung erfolgt, zum anderen bestehe für die Räumlichkeiten im Souterrain mangels vollständiger räumlicher Trennung zum Wohnbereich der Kläger die Möglichkeit der jederzeitigen Selbstnutzung. Auch seien angesichts der nicht ins Gewicht fallenden Zusatzleistungen die Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu berücksichtigen.

Mit der Revision rügen die Kläger sinngemäß die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1 des EinkommensteuergesetzesEStG—). Der Ausbau der Zimmer sei nur zum Zweck der Einnahmeerzielung erfolgt, eine private Veranlassung sei nicht gegeben. Nach den vorgelegten Verträgen hätten sich die Kläger zum dauerhaften Bereithalten der Zimmer verpflichtet; auch seien die Zimmer im Souterrain räumlich getrennt vom Wohnbereich der Kläger. Hilfsweise seien die Aufwendungen angesichts erhöhten Organisationsbedarfs und anfallender Zusatzleistungen als Betriebsausgaben bei den gewerblichen Einkünften anzusetzen.

Die Kläger beantragen,

das FG-Urteil aufzuheben und unter Änderung des Ein-

kommensteuerbescheids vom in Gestalt der

Einspruchsentscheidung vom Aufwendungen

in Höhe von 4 704 DM als Werbungskosten bei den Ein-

künften aus Vermietung und Verpachtung zuzulassen und die Einkommensteuer 1999 entsprechend herabzusetzen,

hilfsweise,

die Aufwendungen in Höhe von 4 704 DM bei den Ein- künften aus Gewerbebetrieb steuermindernd anzuerken-

nen und die Einkommensteuer entsprechend herabzuset- zen.

Das FA beantragt unter Bezug auf das FG-Urteil,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet; die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das FG hat zwar zutreffend das Vorliegen gewerblicher Einkünfte verneint; es hat aber zu Unrecht den Abzug der Aufwendungen für die Messezimmer allein wegen der jederzeitigen Selbstnutzungsmöglichkeit infolge fehlender räumlicher Trennung zum Wohnbereich der Kläger versagt. Seine bisherigen Feststellungen reichen aber nicht aus, um in der Revisionsinstanz abschließend über die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht mittels Prognose zu entscheiden.

1. Zutreffend hat das FG das Vorliegen einer gewerblichen Betätigung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG) verneint. Denn das Vermieten von Wohnräumen geht in der Regel —wie auch im Streitfall— über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung nicht hinaus. Nach den den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) haben die Kläger weder über das Angebot der Raumnutzung hinaus ins Gewicht fallende, nicht übliche Sonderleistungen erbracht noch war wegen des besonders häufigen Wechsels der Mieter eine einem gewerblichen Beherbergungsbetrieb (Hotel, Fremdenpension) vergleichbare unternehmerische Organisation erforderlich (vgl. , BFH/NV 2004, 945; vom IX R 69/02, BFH/NV 2004, 1640). Diese vom FG unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalles vorgenommene Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

2. a) Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Sätze 1, 2 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen, die bei der Einkunftsart abzuziehen sind, bei der sie erwachsen, d.h. durch die sie veranlasst sind. Sie können bereits anfallen, wenn mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen noch nicht erzielt werden. Voraussetzung für die Berücksichtigung solcher vorab entstandener Werbungskosten ist, dass ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird (vgl. , BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, unter C. III. 2. a). Dieser ist z.B. gegeben, wenn sich anhand objektiver Umstände feststellen lässt, dass der Steuerpflichtige den Entschluss, Einkünfte aus einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefasst hat (vgl. , BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477, m.w.N.). Für die Feststellung des Bestehens der Einkünfteerzielungsabsicht als innere Tatsache können äußere Umstände als Indizien herangezogen werden, wie z.B. der zeitliche Zusammenhang zwischen Aufwendungen und späterer Vermietung wie auch deren Absehbarkeit; auch spätere Tatsachen und Ereignisse sind zu berücksichtigen (vgl. , BFH/NV 2003, 147; , BFH/NV 2008, 202, m.w.N.).

b) Das FG hat zu Recht auf die vom Senat entwickelten Grundsätze zur Vermietung von Ferienwohnungen zurückgegriffen. Denn hier wie dort geht es um die Beurteilung von Vorgängen, bei denen regelmäßig und typischerweise von einem häufigen Wechsel an Gästen in Verbindung mit Leerstandszeiten auszugehen ist. Jedoch kann —entgegen der Ansicht des FG— die Einkünfteerzielungsabsicht nicht deshalb verneint werden, weil es aufgrund fehlender räumlicher Trennung zum Wohnbereich der Kläger an der vermeintlich notwendigen Abgeschlossenheit der zur Vermietung vorgesehenen Räume mangelt und daher für diese Räume eine jederzeitige Selbstnutzungsmöglichkeit bestand. Denn Objekt der Vermietung i.S. von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist nicht zwingend eine (abgeschlossene) Wohnung, es kann auch ein bestimmter Teil eines Grundstücks oder Gebäudes sein, z.B. einzelne (auch möblierte) Zimmer oder Räumlichkeiten (vgl. , BFH/NV 2006, 525; zur Abgrenzung , BFH/NV 2004, 38; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 21 Rz 71, 152).

3. Danach ist die Vorentscheidung aufzuheben und die nicht spruchreife Sache an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat ausgehend von seiner Rechtsauffassung die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger nicht anhand einer (Totalüberschuss-)Prognose überprüft.

a) Zwar ist nach der vom FG in Bezug genommenen ständigen Rechtsprechung des BFH bei (in Eigenregie oder durch Beauftragung eines Dritten) ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermieteten und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehaltenen Ferienwohnungen ohne weitere Prüfung von der Einkünfteerzielungsabsicht der Steuerpflichtigen auszugehen (z.B. , BFH/NV 2005, 1059, unter II. 2., m.w.N.). Jedoch ist bei zumindest teilweise selbstgenutzten Ferienwohnungen die Frage, ob der Steuerpflichtige mit oder ohne Einkünfteerzielungsabsicht vermietet hat, anhand einer unter Heranziehung aller objektiv erkennbaren Umstände zu treffenden Prognose zu entscheiden (s. dazu (BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726). Die Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen muss schon dann überprüft werden, wenn er sich eine Zeit der Selbstnutzung vorbehalten hat, und zwar unabhängig davon, ob er von seinem Eigennutzungsrecht tatsächlich Gebrauch macht (z.B. , BFH/NV 2008, 34; , BFH/NV 2006, 1281, m.w.N.). Dies gilt —unabhängig von einem Nutzungsvorbehalt— erst recht bei tatsächlicher Selbstnutzung (vgl. , BFH/NV 2007, 32).

b) Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall zur Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht eine Prognose durchzuführen. Denn nach den unstreitigen Feststellungen des FG wurden die Räume gemäß den vorgelegten Vermittlungsverträgen im Jahr 2000 nur für die Zeit 30. Mai bis 1. November sowie im Jahr 2001 nur zu ausgewählten Messezeiten vorgehalten (auf Anfrage auch darüber hinaus) und im Übrigen —wenn auch nach den Angaben der Kläger nur in geringem Umfang— jedenfalls auch selbstgenutzt. Die daher anzustellende Prognose ist nach Maßgabe der dazu entwickelten Grundsätze vorzunehmen. Der Senat kann sie nicht selbst durchführen; sie wird daher vom FG als Tatsacheninstanz nachzuholen sein (vgl. , BFH/NV 2005, 1040, unter II. 3. c bb); in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, unter II. 1. h).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1462 Nr. 9
EStB 2008 S. 315 Nr. 9
HFR 2008 S. 1130 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2008 S. 11
PAAAC-86781

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