Anspruch auf rechtliches Gehör; schlüssige Darlegung einer Divergenz; gesonderte Entscheidung über Billigkeitsmaßnahmen wegen einer besonderen Härte
Gesetze: FGO § 96 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) setzte die Vermögensteuer für 1993 und 1994 gegen die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), Eheleute, unter Berücksichtigung des gesondert festgestellten Werts ihrer Anteile am Stammkapital einer GmbH fest. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage im I. Rechtsgang mit der Begründung ab, die gesonderte Wertfeststellung sei nach § 182 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) für die Vermögensteuerfestsetzung bindend. Die von den Klägern beantragte niedrigere Steuerfestsetzung nach § 163 AO scheide aus. Die Entscheidung nach dieser Vorschrift sei eine Ermessensentscheidung des FA, die gemäß § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nur einer eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliege. Ermessensfehler des FA seien nicht erkennbar.
Auf die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision hob der Bundesfinanzhof (BFH) dieses Urteil durch Beschluss vom auf und verwies die Sache an das FG zurück. Zur Begründung führte der BFH aus, die Kläger hätten den Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dargelegt. Hinsichtlich der erstmals im Klageverfahren geltend gemachten sachlichen Unbilligkeit fehle es nicht nur an einem Vorverfahren (§ 44 Abs. 1 FGO), sondern bereits an einer (ablehnenden) Ursprungsverfügung des FA, die gerichtlich nach Maßgabe des § 102 FGO nur auf fehlerfreie Ermessensausübung hin zu überprüfen gewesen wäre. Stattdessen enthalte die Vorentscheidung eine eigene Ermessensausübung.
Im II. Rechtsgang setzte das FG das Verfahren gemäß § 74 FGO „bis zum bestandskräftigen Abschluss der Entscheidung über den Antrag der Kläger auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen” aus. Das FA lehnte diesen Antrag ab und wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die Kläger erhoben dagegen keine Klage.
Das FG setzte daraufhin das Klageverfahren fort und wies die Klage erneut unter Hinweis auf die Bindungswirkung der Wertfeststellung ab. Über die Frage einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO könne im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden. Die Kläger hätten die Möglichkeit gehabt, gegen die Ablehnung der Billigkeitsmaßnahme durch das FA gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, hiervon aber keinen Gebrauch gemacht.
Die Kläger stützen ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und auf das Vorliegen eines Verfahrensmangels.
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Nach dieser Vorschrift müssen in der Beschwerdebegründung die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden.
1. Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO)
a) Eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist zum einen bei Vorliegen einer Divergenz geboten.
aa) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenz gehören u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen. Des Weiteren ist auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und eine identische Rechtsfrage handle (BFH-Beschlüsse vom VIII B 36/06, BFH/NV 2007, 2293; vom VIII B 83/07, BFH/NV 2008, 978, und vom VIII B 103/07, BFH/NV 2008, 980).
bb) Diesen Begründungsanforderungen wird die Divergenzrüge der Kläger nicht gerecht. Sie haben keine Entscheidung angeführt, in der bei einer vergleichbaren verfahrensrechtlichen Lage im Rahmen der Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid sachlich über einen Antrag auf niedrigere Steuerfestsetzung nach § 163 AO entschieden wurde. Auf das im I. Rechtsgang erlassene Urteil des FG kann die Divergenzrüge nach der Aufhebung dieses Urteils durch den BFH nicht mehr gestützt werden.
b) Zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO kann zum anderen ein sog. qualifizierter Rechtsanwendungsfehler führen.
aa) Ein solcher Rechtsanwendungsfehler ist gegeben, wenn er von erheblichem Gewicht und deshalb geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung zu beschädigen. Dies ist nur bei offensichtlichen materiellen oder formellen Rechtsanwendungsfehlern des FG im Sinne einer willkürlichen oder zumindest greifbar gesetzwidrigen Entscheidung der Fall. Eine bloß fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles genügt nicht (BFH-Beschlüsse vom IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25; vom VII B 344/03, BFHE 206, 226, BStBl II 2004, 896; vom II B 3/07, BFH/NV 2007, 2348, und vom VIII B 129/07, BFH/NV 2008, 973).
bb) Das Vorliegen dieser Voraussetzungen haben die Kläger nicht substantiiert dargelegt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist über die Frage, ob im Einzelfall wegen einer gegebenen besonderen Härte eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO in Betracht kommt, wegen der sog. Zweigleisigkeit der Verfahren nicht im Steuerfestsetzungsverfahren und einem darauf bezogenen Klageverfahren, sondern gesondert zu entscheiden (, BFHE 218, 308, BStBl II 2008, 49; BFH-Beschlüsse vom VIII B 8/06, BFH/NV 2007, 2069, und in BFH/NV 2008, 980).
cc) Mit Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung wird im Übrigen kein Zulassungsgrund geltend gemacht. Das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (BFH-Beschlüsse vom VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, und in BFH/NV 2008, 980, ständige Rechtsprechung).
2. Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO)
a) Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung des FG beruhen kann. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf einen solchen Mangel gestützt, so bedarf es hierfür eines Vortrags der Tatsachen, die den Mangel schlüssig ergeben. Außerdem muss dargelegt werden, dass die angefochtene Entscheidung —ausgehend von der insoweit maßgebenden, ggf. auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des FG— auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann, sie also ohne den Verfahrensmangel möglicherweise anders ausgefallen wäre (BFH-Beschlüsse vom II B 27/04, BFH/NV 2005, 913; vom VIII B 13/06, BFH/NV 2006, 2122; vom VIII B 25/07, BFH/NV 2008, 241, und vom VIII B 58/07, BFH/NV 2008, 399, ständige Rechtsprechung des BFH).
b) Derartige Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung nicht. Ein Verfahrensmangel liegt insbesondere nicht darin, dass das FG der Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch die Kläger nicht gefolgt ist. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verpflichtet das Gericht nur dazu, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber auch dazu, sich diesen anzuschließen (BFH-Beschlüsse vom II B 11/05, BFH/NV 2006, 254; vom VIII B 121/07, BFH/NV 2008, 397, und vom V B 98/06, BFHE 217, 94, BStBl II 2008, 35).
3. Der Schriftsatz der Kläger vom muss bei der Prüfung der Zulässigkeit der Beschwerde unberücksichtigt bleiben, weil er erst nach Ablauf der in § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO bestimmten Frist für die Beschwerdebegründung eingegangen ist (BFH-Beschlüsse vom VII B 142/06, BFH/NV 2007, 873, und vom X B 169/06, BFH/NV 2007, 1504). Nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist sind lediglich bloße Erläuterungen und Ergänzungen der in zulässiger Form vorgebrachten Zulassungsgründe möglich.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
RAAAC-86040