BGH Urteil v. - IX ZR 100/07

Leitsatz

[1] Erhebt der Insolvenzverwalter gegenüber der Anmeldung einer Forderung, die aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung hergeleitet wird, einen auf den Rechtsgrund beschränkten Widerspruch, hat der Gläubiger ein rechtliches Interesse daran, die Wirkungslosigkeit dieses Widerspruchs feststellen zu lassen.

Hängt der Bestand der Forderung von einer Vorsatztat nicht ab, steht dem Insolvenzverwalter ein auf den Rechtsgrund der angemeldeten Forderung beschränktes Widerspruchsrecht nicht zu (Fortführung von BGH WM 2008, 650).

Gesetze: ZPO § 256 Abs. 1; InsO § 174 Abs. 2; InsO § 175 Abs. 1; InsO § 179 Abs. 1; InsO § 302 Nr. 1

Instanzenzug: AG Göttingen, 26 C 147/05 vom LG Göttingen, 5 S 57/06 vom

Tatbestand

Der Beklagte zu 2 ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des in erster Instanz mitverklagten Beklagten zu 1 (fortan: Schuldner). Gegen diesen hatte die Klägerin wegen rückständiger Mieten für die Zeit von Juli 1997 bis April 1998 in Höhe von 3.108,65 € zuzüglich Zinsen und Kosten einen Titel erstritten. Die Klägerin meldete ihre Forderungen von insgesamt 5.526,43 € zur Tabelle an und bezeichnete sie als Forderungen aus "Mietzinsbetrug". Der Beklagte zu 2 teilte dem Insolvenzgericht mit, dass die Forderung in voller Höhe festgestellt werde; der Rechtsgrund der unerlaubten Handlung werde jedoch bestritten.

Die Klägerin hat geltend gemacht, dass der Schuldner schon bei Anmietung der Wohnung die Absicht gehabt habe, Miete und Kaution nicht zu entrichten. Dem Insolvenzverwalter stehe nicht das Recht zu, einen isolierten Widerspruch gegen den Schuldgrund zu erheben. Die Klägerin hat von beiden Beklagten die Feststellung begehrt, dass die in der Insolvenztabelle eingetragene Forderung über 5.526,43 € aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners herrühre. Gegen den Schuldner ist im schriftlichen Vorverfahren ein entsprechendes Versäumnisurteil ergangen. Hinsichtlich des Beklagten zu 2 hat das Amtsgericht die beantragte Feststellung im kontradiktorischen Verfahren ausgesprochen. Das Landgericht hat die Berufung des Beklagten zu 2 zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt dieser die Abweisung der Klage als unzulässig, jedenfalls als unbegründet.

Gründe

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Die Vorinstanzen haben die Feststellungsklage der Gläubigerin mit Recht für zulässig gehalten.

1. Das Berufungsgericht meint, das Feststellungsinteresse der Klägerin folge aus dem Umstand, dass die von ihr angemeldete Forderung in der Insolvenztabelle zwar als Forderung aus unerlaubter Handlung vermerkt, gleichzeitig jedoch mit dem Widerspruch des Beklagten zu 2 gegen den Rechtsgrund versehen sei. Hieraus könnten sich Zweifel an der Auslegung des Auszugs aus der Insolvenztabelle ergeben, insbesondere bleibe im Dunkeln, ob die Forderung von der Restschuldbefreiung gemäß § 301 Abs. 1, § 302 Nr. 2 InsO ausgenommen sei. Für den Fall, dass der Schuldner selbst den Widerspruch erhoben habe, sei das Feststellungsinteresse des Gläubigers bereits höchstrichterlich anerkannt. Wende sich der Insolvenzverwalter gegen die rechtliche Einordnung der Forderung, könne nichts anderes gelten.

2. Dies trifft im Ergebnis zu. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses (§ 256 Abs. 1 ZPO).

a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist es dem Gläubiger nicht zuzumuten, den Streit über den Charakter der Forderung dem Ausgang eines Rechtsstreits über eine von dem Schuldner zu erhebende Vollstreckungsgegenklage zu überlassen (, WM 2006, 1347, 1348; v. - IX ZR 176/05, ZIP 2007, 541, 542). Anders als in jenem Fall ist der Widerspruch vorliegend nicht von einem hierzu Berechtigten erhoben worden. Durch die Rechtsprechung des Senats ist in der Zwischenzeit geklärt, dass der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, sogar für eine bereits zur Tabelle festgestellte Forderung von dem Gläubiger nachträglich angemeldete Tatsachen, aus denen sich nach dessen Einschätzung ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners zugrunde liegt, in die Tabelle einzutragen (, WM 2008, 650, 652 Rn. 13). Der Nachtragsanmeldung kann nur der Schuldner, nicht jedoch der Insolvenzverwalter widersprechen, wenn der Bestand der Forderung von einer Vorsatztat nicht abhängt (BGH aaO; siehe auch unter II.). Bei objektiver Betrachtung gehen von dem Widerspruch des Beklagten zu 2 daher keine Rechtswirkungen aus.

b) Der Beklagte zu 2 hat indes seinen wirkungslosen Widerspruch aufrecht erhalten und ist von ihm auch nicht abgerückt, nachdem gegenüber dem Schuldner durch Versäumnisurteil festgestellt worden war, dass die angemeldete Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrührt. Der Kläger sieht sich deshalb einer Rechtswirkungsbehauptung des Beklagten zu 2 ausgesetzt, der für sich ein in Wahrheit nicht bestehendes Recht in Anspruch nimmt. Hiergegen steht ihm gegenüber dem anderen Teil, der sich eines Rechtes berühmt, die Nichtigkeitsfeststellungsklage aus § 256 Abs. 1 ZPO zu (vgl. BGHZ 164, 249, 254 ff; Zöller/Greger, ZPO 26. Aufl. § 256 Rn. 14 f). So ist das Feststellungsbegehren der Klägerin nach seiner Begründung im Berufungsrechtszug zu verstehen.

II.

In der Sache selbst haben die Vorinstanzen ein auf den Rechtsgrund der festgestellten Forderung beschränktes Widerspruchsrecht des Insolvenzverwalters rechtsfehlerfrei verneint.

1. Das Berufungsgericht führt hierzu aus, dies ergebe sich aus der unterschiedlichen Schutzrichtung der Widerspruchsrechte des Schuldners und des Insolvenzverwalters. Der Schuldner werde mit seinem Widerspruchsrecht davor geschützt, dass ein im Verfahren nicht vollständig befriedigter Gläubiger einen Tabellenauszug erhalte, aus dem er nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner persönlich vorgehen könne. Hingegen solle das Widerspruchsrecht des Insolvenzverwalters den Schuldner davor schützen, dass keine unberechtigten Forderungen an der Verteilung der Masse teilnehmen. Dies bedeute aber, dass der Insolvenzverwalter die angemeldeten Forderungen nur dahin prüfen könne, ob sie aus irgendeinem Rechtsgrund berechtigt seien. Sei diese Frage zu bejahen, müsse er sie zur Insolvenztabelle feststellen. Da der Schuldner im Verfahren auf die Möglichkeit eines Widerspruchs hinzuweisen sei, wenn ein Gläubiger eine Forderung aus unerlaubter Handlung angemeldet habe (§ 175 Abs. 2, § 302 InsO), bedürfe es eines zusätzlichen Schutzes durch ein isoliertes Widerspruchsrecht des Insolvenzverwalters nicht.

2. Diese Begründung ist rechtlich einwandfrei; sie entspricht der jüngst ergangenen Rechtsprechung des Senats (vgl. aaO S. 652 Rn. 13).

a) Für den Fall der Anspruchskonkurrenz - etwa bei vertraglichen Ansprüchen und Ansprüchen aus unerlaubter Handlung - prüft der Insolvenzverwalter zwar die Forderungsanmeldung unter allen rechtlichen Gesichtspunkten, die den Forderungsbestand in Frage stellen können. Stützt ein Rechtsgrund jedoch die angemeldete Forderung, hat der Insolvenzverwalter sie in die Insolvenztabelle als unbestritten einzutragen; über den Rechtsgrund der Forderung hat er keine Entscheidung zu treffen ( aaO S. 652 Rn. 13; LG Trier ZInsO 2006, 216, 217; Braun/Specovius, InsO 3. Aufl. § 178 Rn. 3; HmbK-InsO/Streck, 2. Aufl. § 302 Rn. 5; MünchKomm-InsO/Stephan, § 302 Rn. 15; Brückl ZInsO 2005, 16, 18 f; Eisner NZI 2003, 480, 485; a.A. FK-InsO/Kießner, 4. Aufl. § 174 Rn. 27; Schmidt ZInsO 2006, 523, 525).

b) Hängt der Bestand der Forderung von einer Vorsatztat nicht ab, scheidet auch ein hierauf beschränkter Widerspruch aus.

aa) Für das Insolvenzverfahren selbst ist der Teilwiderspruch ohne Bedeutung, wenn er - wie hier - weder die Höhe der Hauptforderung noch die der Zinsen in Frage stellt. Mit dem den Rechtsgrund isoliert erfassenden Widerspruch wird insbesondere die Verteilung (§§ 187 ff InsO) nicht beeinflusst. Es gehört grundsätzlich nicht zum Aufgabenkreis des Insolvenzverwalters gemäß § 80 Abs. 1 InsO, die Rechte des Schuldners für die Zeit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (vgl. § 201 Abs. 1 InsO) wahrzunehmen. Die Verpflichtung des Insolvenzgerichts in den Fällen, in denen eine Forderung von Restschuldbefreiung ausgeschlossen ist, den Schuldner auf die Rechtsfolgen des § 302 InsO und auf die Möglichkeit des Widerspruchs hinzuweisen (§ 175 Abs. 2 InsO), hat ihren Grund darin, dass insoweit keine Rechte und Pflichten des Insolvenzverwalters berührt werden, sondern ausschließlich rechtliche Interessen des Schuldners selbst. Durch die in § 175 Abs. 2 InsO verankerte - individuelle - Belehrung (vgl. hierzu näher MünchKomm-InsO/Stephan, § 302 Rn. 12 ff) wird auch der rechtlich und wirtschaftlich überforderte Schuldner in die Lage versetzt, seine Rechte im Feststellungsverfahren wahrzunehmen. Ein Tätigwerden ist ihm insoweit auch zuzumuten.

bb) Entgegen der Auffassung der Revision kann der Gesetzesbegründung ein Widerspruchsrecht des Insolvenzverwalters beschränkt auf den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht entnommen werden. Dort wird allerdings ausgeführt, dass sich das "Privileg" des Gläubigers aus § 302 Nr. 1 InsO (neu) verfahrensrechtlich wie das eines Konkursvorrechts nach altem Recht behandeln lasse. Damit wird einerseits auf die auch dort den Gläubiger treffende Obliegenheit verwiesen, das beanspruchte Vorrecht unter Angabe von Tatsachen, auf die es gestützt werde, anzumelden. Fehle die Feststellung in der Tabelle, so könne sich der Gläubiger im Verfahren nach der Insolvenzordnung auf einen angeblichen Ausschluss seiner Forderung von der Restschuldbefreiung nicht mehr berufen (BT-Drucks. 14/5680 S. 28). Andererseits wird auf die positive Rechtskraftwirkung des Feststellungsvermerks rekurriert: Widerspreche der Schuldner nach neuem Recht nicht, so werde der Vortrag des Gläubigers, die Forderung stamme aus einer unerlaubten Handlung, in die Tabelle eingetragen, was nach § 178 Abs. 3 InsO wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern wirke (BT-Drucks. aaO S. 27 f). Dagegen ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte kein Hinweis auf ein zusätzliches Widerspruchsrecht des Insolvenzverwalters. In diesem Punkt ist das Verfahren mit der Behandlung der Konkursvorrechte nach altem Recht auch nicht vergleichbar. Diese betrafen nämlich das Konkursverfahren unmittelbar und dort insbesondere die abschließende Verteilung, so dass die Beachtung und Zurückweisung von Vorrechten zu den wesentlichen Aufgaben des Konkursverwalters gehörte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW 2008 S. 3285 Nr. 45
WM 2008 S. 1509 Nr. 32
QAAAC-85949

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja