BVerwG Beschluss v. - 6 B 1.08

Leitsatz

Ein die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht rechtfertigender besonderer Härtefall (§ 6 Abs. 3 RGebStV) liegt nicht darin, dass einem Rundfunkteilnehmer aufgrund seines geringen Einkommens und Vermögens auf Antrag Hilfe zum Lebensunterhalt im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV zustände, er einen solchen Antrag aber nicht stellen will.

Gesetze: RGebStV § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; RGebStV § 6 Abs. 3

Instanzenzug: VG Ansbach, VG AN 5 K 05.03261 vom VGH München, VGH 7 B 06.2642 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein

Gründe

Die Beschwerde, die sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache stützt, hat keinen Erfolg.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

Der Kläger wirft in Bezug auf § 6 Rundfunkgebührenstaatsvertrag - RGebStV - über die Befreiung natürlicher Personen von der Rundfunkgebührenpflicht sinngemäß die Frage auf, ob ein besonderer Härtefall im Sinne von § 6 Abs. 3 RGebStV darin liegen kann, dass der Rundfunkteilnehmer aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse Sozialhilfe erhielte, falls er diesen Anspruch gegenüber der zuständigen Behörde geltend machen würde, und dass er nach bewilligter Sozialhilfe einen Anspruch auf Gebührenbefreiung hätte (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV). Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.

Zwar bezieht sich die von der Beschwerde unterbreitete Frage im hier vorliegenden Fall bereits auf revisibles Recht. Denn durch § 10 RGebStV in der Fassung des Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrages, in Kraft getreten am , wurde das Rundfunkgebührenrecht für revisibel erklärt. Dabei bezieht sich die Revisibilität erst auf das ab diesem Zeitpunkt geltende Recht (s. BVerwG 6 B 15.07 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 42). Dieses ist indessen für die Beurteilung des Streitfalls schon maßgeblich. Denn auf die hier erhobene Verpflichtungsklage, mit der der Kläger Gebührenbefreiung (auch) für die Zukunft begehrt, ist das im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltende Recht anzuwenden.

Die Revision ist aber deshalb nicht zuzulassen, weil sich die vom Kläger aufgeworfene Frage auf der Grundlage des Wortlauts der strittigen Norm mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung ohne Weiteres beantworten lässt. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV werden von der Rundfunkgebührenpflicht u.a. Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialhilfe) befreit; die Voraussetzungen für die Befreiung sind durch Vorlage des entsprechenden Bescheides nachzuweisen (§ 6 Abs. 2 RGebStV), auf dessen Gültigkeitsdauer die Befreiung zu befristen ist (§ 6 Abs. 6 Satz 1 RGebStV). Daraus folgt, dass die bloße Einkommensschwäche als solche im Gegensatz zum früheren Recht nicht mehr zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht führt. Wie das Berufungsgericht zu Recht ausführt, strebten die vertragschließenden Länder mit dem nun geltenden Gebührenstaatsvertragsrecht eine Erleichterung des Verfahrens an, um die bislang umfangreichen und schwierigen Berechnungen (auch) der Rundfunkanstalten bei der Befreiung wegen geringen Einkommens zu vermeiden. Durch § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV sollte für den einkommensschwachen Personenkreis eine "bescheidgebundene Befreiungsmöglichkeit" eröffnet werden, wobei die Befreiungstatbestände abschließend und die Rundfunkanstalten bei ihrer Entscheidung an die entsprechenden Sozialleistungsbescheide gebunden sein sollten (s. Bayerischer Landtag, LTDrucks 15/1921 vom S. 20 f.).

Angesichts dieses Normzwecks, der in dem geltenden § 6 RGebStV klar zum Ausdruck kommt, kann die gewollte Beschränkung der Befreiungstatbestände auf durch Leistungsbescheid nachweisbare Fälle der Bedürftigkeit nicht dadurch umgangen werden, dass einkommensschwache Personen, die keine Sozialhilfe erhalten, weil sie deren Voraussetzungen (noch) nicht erfüllen oder weil sie diese Leistung nicht in Anspruch nehmen wollen, dem Härtefalltatbestand des § 6 Abs. 3 RGebStV zugeordnet werden (so - neben dem hier angefochtenen Berufungsurteil - auch - DVBl 2007, 1184 LS). Dabei würde sich dem Senat in einem Revisionsverfahren die vom Kläger aufgeworfene Frage einer "nützlichen und praxistauglichen Positivdefinition des Härtefalles" in dieser Allgemeinheit nicht stellen. Denn auch ohne eine solche allgemeine Begriffsbestimmung ist eindeutig, dass das bloße Bestehen eines gegenüber dem Sozialhilfeträger noch nicht geltend gemachten Anspruchs auf Hilfe zum Lebensunterhalt die Voraussetzungen eines besonderen Härtefalles unter Berücksichtigung des auf Entlastung der Rundfunkanstalten zielenden Normzwecks nicht erfüllen kann.

Entgegen der Auffassung des Klägers bedarf es auch nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um zu klären, dass das vorstehend erläuterte Auslegungsergebnis mit höherrangigem Recht in Einklang steht. Dem Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG) tragen die Befreiungstatbestände des § 6 RGebStV offenkundig dadurch Rechnung, dass sie einkommensschwachen Personen die Möglichkeit einer "bescheidgebundenen" Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht einräumen. Was den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) betrifft, verlangt dieser erkennbar nicht, den Empfängern von Sozialhilfe solche Personen gleichzustellen, denen Sozialhilfe zustände, falls sie sie beantragen würden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, falls seine Auswahl sachgerecht ist. Dabei ist er - insbesondere bei Massenerscheinungen - auch befugt, zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die damit verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und diese nicht sehr intensiv belasten (BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310 <318 f.> und vom - 2 BvL 2/99 - BVerfGE 116, 164 <182 f.>, jeweils m.w.N.). Danach ist es nicht zu beanstanden, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV die Rundfunkgebührenbefreiung für einkommensschwache Personen an die Vorlage eines Sozialhilfebescheides knüpft. Müssten die Rundfunkanstalten jeder im Einzelfall geltend gemachten Unterschreitung einer sozialrechtlich relevanten Einkommens- und Vermögensgrenze nachgehen, würde sie dies vor beträchtliche Schwierigkeiten stellen, da sie - anders als die sozialrechtlichen Fachbehörden - nicht über die dafür erforderlichen Sachaufklärungsmittel verfügen. Der Wegfall der früher vorhandenen Möglichkeit, Gebührenbefreiung zu erlangen, ohne die betreffende Sozialleistung in Anspruch zu nehmen, belastet nur den relativ kleinen Personenkreis, der diese Leistung nicht in Anspruch nehmen will, obwohl sie ihm zusteht. Auch für diese Personen ist die Belastung, die darin besteht, dass sie die Gebührenbefreiung nicht einzeln, sondern - wie es der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausgedrückt hat - nur als Teil eines "Gesamtpakets" in Anspruch nehmen können, überschaubar. Sie ist in Anbetracht der den Gebührenzahlern zugutekommenden Verwaltungsvereinfachung hinzunehmen und gebietet deshalb von Verfassungs wegen nicht die Anerkennung eines besonderen Härtefalles.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Fundstelle(n):
GAAAC-85922