Leitsatz
Im Falle einer luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung (hier: Flughafen Berlin-Schönefeld) kann der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld statt realer Schutzvorkehrungen nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG je nach Art und Intensität der Fluglärmimmissionen einen Anspruch auf Übernahme der betroffenen Grundstücke zum Verkehrswert (gegen Übertragung des Eigentums) begründen.
Der Planfeststellungsbehörde steht bei der Stichtagsregelung für die Ermittlung des Verkehrswertes ein Gestaltungsspielraum zu, bei dessen Ausfüllung sie die schutzwürdigen Interessen der lärmbetroffenen Grundstückseigentümer und des Flughafenbetreibers in einen gerechten Ausgleich zu bringen hat.
Die Planfeststellungsbehörde darf im Planfeststellungsbeschluss festlegen, dass sich die Höhe der Entschädigung nach dem Verkehrswert des Grundstücks zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses bemisst (Bestätigung von BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 <Rn. 408 bis 415> Flughafen Berlin-Schönefeld).
Gesetze: GG Art. 14 Abs. 1; VwVfG § 74 Abs. 2 Satz 2; VwVfG § 74 Abs. 2 Satz 3; LuftVG § 9 Abs. 2
Gründe
I
Die Kläger wenden sich gegen Regelungen, die der Planfeststellungsbeschluss (PFB) für den Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld vom für Entschädigungen bei der Übernahme eines Grundstücks im Entschädigungsgebiet "Übernahmeanspruch" trifft.
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Gemarkung Mahlow, Flur ..., Flurstück ... (K. Straße ..., 15831 Mahlow), auf dem sie wohnen. Die DLR-Analyse zur Fluglärmbelastung in der Umgebung des Flughafens Berlin-Schönefeld prognostiziert für das Grundstück der Kläger einen energieäquivalenten Dauerschallpegel von 71,6 dB(A) tags und 65,6 dB(A) nachts sowie eine Überschreitungshäufigkeit des Maximal-Schallpegels von 70 dB(A) während der Nacht von 29,3. Aufgrund dieser Lärmprognose liegt das Grundstück innerhalb des im Planfeststellungsbeschluss festgesetzten Entschädigungsgebietes "Übernahmeanspruch" (vgl. Teil A II 5.1.6 i.V.m. Anlage 3 PFB). Unter Teil A II 5.1.6 Nr. 1 heißt es:
"Die Träger des Vorhabens haben auf Antrag des Eigentümers eines innerhalb des Entschädigungsgebietes Übernahmeanspruch gelegenen Grundstückes, das am mit Wohngebäuden bebaut oder bebaubar war, eine Entschädigung in Höhe des Verkehrswertes gegen Übereignung des Grundstücks zu leisten. Der Verkehrswert des Grundstücks ist zum Stichtag der Geltendmachung des Anspruchs zu ermitteln."
Die Kläger erhoben im Verwaltungsverfahren u.a. Einwendungen wegen der Wertminderung ihres Grundstücks und haben am Klage erhoben. Am beantragten sie die Übernahme ihres Grundstücks.
Gegen den Planfeststellungsbeschluss vom haben nahezu 4 000 Personen Klage erhoben, die in rund 60 Verfahren zusammengefasst waren. Der beschließende Senat hat von der ihm durch § 93a Abs. 1 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, vorab Musterverfahren durchzuführen und die übrigen Verfahren auszusetzen. Die Kläger, deren Klage nicht als Musterverfahren vorgesehen war, haben sich ebenso wie der Beklagte mit diesem prozessualen Vorgehen einverstanden erklärt. Das Verfahren der Kläger wurde gemäß § 93a Abs. 1 VwGO ausgesetzt.
Über die ausgewählten Musterklagen ist durch Urteile vom entschieden worden (vgl. BVerwG 4 A 1001.04, 4 A 1073.04, 4 A 1078.04 und das in BVerwGE 125, 116 abgedruckte Urteil in der Rechtssache BVerwG 4 A 1075.04). Die Anfechtungsklagen gegen den Planfeststellungsbeschluss vom i.d.F. vom wurden abgewiesen; die hilfsweise erhobenen Anträge auf Planergänzung hatten, soweit es um besseren Lärmschutz ging, teilweise Erfolg. Nach Zustellung der Musterurteile hat das Gericht die Kläger darauf hingewiesen, dass ihr Verfahren fortzuführen sei, ggf. auch nach Maßgabe des § 93a Abs. 2 VwGO. Die Kläger haben ihre Klage in vollem Umfang aufrechterhalten. Sie sind der Ansicht, in ihrem Fall scheide eine Entscheidung im Beschlussverfahren nach Maßgabe des § 93a Abs. 2 VwGO aus. Sie machen im Wesentlichen geltend:
Ihnen stehe aus dem Rechtsgedanken des § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg i.V.m. dem Aufopferungsgewohnheitsrecht ein Anspruch auf angemessene Entschädigung gegen Übernahme ihres Wohngrundstücks durch die Vorhabenträger zu. Die Höhe der Entschädigung sei entgegen der Stichtagsregelung des Planfeststellungsbeschlusses nach dem Verkehrswert ihres Grundstücks zu einem Zeitpunkt vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses am zu bemessen und müsse die bereits vor diesem Zeitpunkt eingetretene erhebliche Wertminderung berücksichtigen, die ursächlich auf den geplanten Flughafenausbau zurückzuführen sei. Ihr Grundstück befinde sich unmittelbar außerhalb des Flughafenumgriffs im Zentrum der Einflugschneise der neuen Startbahn Süd. Aufgrund der Flughafennähe habe sich der Verkehrswert ihres Grundstücks zwischen dem Jahr 1996 und dem November des Jahres 2004 um 50 % bis 60 % gemindert. Darin liege eine situationsbedingte Sonderentwicklung, die ihren Fall von den Fällen, die durch die Musterurteile vom entschieden worden seien, in tatsächlicher Hinsicht wesentlich unterscheide. Ihr Grundstück werde nach Aufnahme des Flugbetriebs auf der neuen Südbahn in schwerer und unerträglicher Weise von Immissionen betroffen sein, so dass eine Wohnnutzung ausscheide. Ihr Anspruch auf angemessene Entschädigung lasse sich nicht unmittelbar auf § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg stützen. In seinem Musterurteil vom - BVerwG 4 A 1075.04 - (BVerwGE 125, 116 <Rn. 393 ff.>) habe das Bundesverwaltungsgericht zwar den Entschädigungsanspruch und die Entschädigungshöhe bei der Beeinträchtigung des Außenwohnbereichs aus § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg abgeleitet. Dabei habe es der Surrogatfunktion dieses Entschädigungsanspruchs im Verhältnis zum Primäranspruch in § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfGBbg maßgebliche Bedeutung beigemessen und die Stichtagsregelung des Planfeststellungsbeschlusses gebilligt. Danach sei die Höhe der Entschädigung im Entschädigungsgebiet "Außenwohnbereich" nach dem Stichtag der Geltendmachung des Anspruchs zu bestimmen. Die für dieses Ergebnis ausschlaggebenden Erwägungen seien jedoch nicht auf die Entschädigungshöhe im Entschädigungsgebiet "Übernahmeanspruch" übertragbar. Darin liege die rechtliche Besonderheit des vorliegenden Verfahrens.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung von Ziff. II 5.1.6 Nr. 1 Teil A des Planfeststellungsbeschlusses des Beklagten vom zu verpflichten, die Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Der Beklagte und die Beigeladenen beantragen Klageabweisung. Sie sind der Ansicht, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung im Verfahren nach § 93a Abs. 2 VwGO erfüllt sind, und treten dem Klagevorbringen entgegen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf das BVerwG 4 A 1075.04 - (BVerwGE 125, 116 ff.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung in den Musterverfahren verwiesen.
II
Der Senat macht von der ihm durch § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch, über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden. Die Beteiligten sind zu der gewählten Entscheidungsform angehört worden.
Die Klage muss erfolglos bleiben. Die Kläger können im Rahmen des ihnen vom Beklagten zuerkannten Übernahmeanspruchs nicht verlangen, dass der für die Ermittlung des Verkehrswerts ihres Wohngrundstücks maßgebliche Zeitpunkt entgegen der Stichtagsregelung des Beklagten vorverlegt wird.
Über den Antrag der Kläger ist der Sache nach bereits im Rahmen der Musterklagen durch die Urteile vom rechtskräftig entschieden worden. Im Verfahren BVerwG 4 A 1073.04 (juris) hatten zahlreiche Kläger u.a. den Antrag gestellt, ihnen jeweils eine Entschädigung in Höhe des Verkehrwertes gegen Übereignung des Grundstücks zu gewähren, wobei der Verkehrswert des Grundstücks zum Stichtag , hilfsweise zum Stichtag , zu ermitteln ist. Im Verfahren BVerwG 4 A 1078.04 (juris) hatten die Kläger u.a. beantragt, dass der Verkehrswert des zu übernehmenden Grundstücks zum Qualitätsstichtag des Konsensbeschlusses vom , hilfsweise der Stellung des Planfeststellungsantrags () zu ermitteln ist. Der Senat hat die Stichtagsregelung in Teil A II 5.1.6 Nr. 1 des Planfeststellungsbeschlusses nicht beanstandet und insoweit die vorbezeichneten Klageanträge in seinen Musterurteilen abgewiesen (vgl. BVerwG 4 A 1078.04 - UA Rn. 400 bis 408 und - BVerwG 4 A 1073.04 - UA Rn. 412 bis 419; gleichlautend BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 <Rn. 408 bis 415>). Der Bescheidungsantrag der Kläger zielt ebenfalls auf eine Vorverlegung des Stichtags für die Verkehrswertermittlung. Er ist aus den Gründen der Musterurteile zurückzuweisen.
Die Voraussetzungen für einen Beschluss nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO sind gegeben. Nach einstimmiger Auffassung des Senats ist der entscheidungserhebliche Sachverhalt im vorliegenden Verfahren geklärt. Das Grundstück der Kläger liegt in der Umgebung des geplanten Flughafens in dem durch den Planfeststellungsbeschluss festgesetzten Entschädigungsgebiet "Übernahmeanspruch". Ferner ist der Senat einstimmig der Auffassung, dass die Sache gegenüber den Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Das gilt für die Grundlage des geltend gemachten Anspruchs (1.) wie für die Stichtagsregelung, nach der sich der Verkehrswert des Grundstücks und damit die Höhe der Entschädigung bestimmt (2.).
1. Der Beklagte hat das Grundstück der Kläger in Anwendung des § 9 Abs. 2 LuftVG i.V.m. § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfGBbg in das festgesetzte Entschädigungsgebiet "Übernahmeanspruch" aufgenommen (PFB S. 664). Ausschlaggebend dafür war, dass der prognostizierte Fluglärm nach Inbetriebnahme des Flughafens Berlin-Schönefeld die verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze überschreiten würde. Die Zumutbarkeitsgrenze hat der Beklagte für die Tagstunden der sechs verkehrsreichsten Monate im Jahr bei einem energieäquivalenten Dauerschallpegel von 70 dB(A) außen gezogen. Der Senat hat in seinem Musterurteil vom weder die Ableitung des Übernahmeanspruchs aus § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg noch die festgesetzte Zumutbarkeitsschwelle beanstandet (vgl. BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 <Rn. 374 ff., 409>). Der vorliegende Streitfall weist keine tatsächlichen oder rechtlichen Besonderheiten auf, die es rechtfertigen könnten, diesen Rechtsstandpunkt zu modifizieren oder zu ergänzen.
Nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfGBbg hat die Planfeststellungsbehörde den Trägern des Vorhabens Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind. Satz 3 dieser Vorschrift bestimmt, dass der Betroffene Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld hat, wenn solche Vorkehrungen oder Anlagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind. Der Entschädigungsanspruch setzt voraus, dass (weitere) Schutzvorkehrungen nicht vorgenommen werden können, weil sich technisch-reale Maßnahmen als unzureichend oder angesichts der Höhe ihrer Kosten als unverhältnismäßig erweisen oder weil sich die Beeinträchtigungen durch geeignete Maßnahmen überhaupt nicht verhindern lassen. Der Entschädigungsanspruch ist ein Surrogat für nicht realisierbare Schutzmaßnahmen (vgl. auch BVerwG 4 A 4.04 - BVerwGE 123, 37 <47> m.w.N.). Nach Ansicht des Beklagten scheiden Schutzvorkehrungen zugunsten der Kläger, welche die Lärmwirkungen auf ein zumutbares Maß beschränken könnten, von vornherein aus. Die Innenräume von Wohngebäuden im Entschädigungsgebiet "Übernahmeanspruch" könnten durch entsprechende Schallschutzmaßnahmen zwar ausreichend geschützt werden, aber ein Wohnen bei ständig geschlossenen Fenstern und Türen sei unzumutbar; zum Wohnen gehöre auch eine angemessene Nutzung der Außenwohnanlagen (PFB S. 664). Der Beklagte geht damit zutreffend von der Untunlichkeit von Schutzvorkehrungen aus, weil es letztlich keine Vorkehrungen gibt, die den Klägern wirksamen und zumutbaren Fluglärmschutz bieten könnten.
Zu § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg vertritt der Beklagte die Ansicht, dass diese Vorschrift nicht nur eine Entschädigung für die Beeinträchtigung der Außenwohnbereiche, sondern je nach Art und Intensität der Fluglärmimmissionen auch einen Anspruch auf Übernahme betroffener Grundstücke zum Verkehrswert gegen Übertragung des Eigentums einschließe. Der Senat teilt diesen Rechtsstandpunkt (vgl. BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 <Rn. 374 ff., 409>). Die Auffassung der Kläger, der von ihnen geltend gemachte Entschädigungsanspruch falle nicht in den unmittelbaren Anwendungsbereich von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg, er sei vielmehr aus dem Rechtsgedanken dieser Vorschrift i.V.m. dem Aufopferungsgewohnheitsrecht zu entwickeln, wird der rechtlichen Tragweite des Entschädigungsanspruchs aus § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg nicht gerecht. Die von den Klägern befürwortete restriktive Auslegung kann sich weder auf den Wortlaut noch auf den Ausgleichszweck der Norm stützen und widerspricht dem systematischen Zusammenhang zwischen den Sätzen 2 und 3 des § 73 Abs. 2 VwVfGBbg.
Die Vorschriften, die den in der Folge einer luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung auf einem Wohngrundstück hinzunehmenden Fluglärm regeln, sind Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ( - BA S. 25 - in dem Verfahren der Verfassungsbeschwerde gegen das Senatsurteil vom - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 - und den Planfeststellungsbeschluss vom ). Als solche müssen diese Vorschriften der verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsstellung und dem Gebot einer sozial gerechten Eigentumsordnung in gleicher Weise Rechnung tragen. Die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten sind dabei in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen (vgl. BVerfG a.a.O., S. 25 mit Hinweis auf BVerfGE 79, 174 <191 ff., 198> zum Straßenverkehrslärm). Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht die Einbeziehung von Übernahmeansprüchen bei unzumutbaren Fluglärmimmissionen in den Anwendungsbereich von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg. Die Kläger bewegen sich im Anwendungsbereich dieser Norm, weil sie in Gestalt eines Übernahmeanspruchs einen Anspruch auf angemessene Entschädigung im Hinblick auf schlechthin unzumutbare Fluglärmimmissionen geltend machen, die durch Schutzvorkehrungen i.S.v. § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfGBbg nicht auf das verfassungsrechtlich zumutbare Maß abgesenkt werden können. Bei dieser Sach- und Rechtslage ist für einen Entschädigungsanspruch aus dem Rechtsgedanken des § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg i.V.m. dem Aufopferungsgewohnheitsrecht kein Raum.
2. Der den Klägern nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg eingeräumte Anspruch auf eine "angemessene Entschädigung" bemisst sich nach der Höhe des Verkehrswertes ihres Grundstücks zum Stichtag der Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs (Teil A II 5.1.6 Nr. 1 des PFB). Der Senat hat diese Stichtagsregelung als rechtlich einwandfrei angesehen ( BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 <Rn. 408 bis 415>). Die dagegen erhobenen Einwände der Kläger lassen keine tatsächlichen oder rechtlichen Besonderheiten erkennen, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnten.
Die Kläger missverstehen die Entscheidungsgründe der Musterurteile, soweit sie darauf hinweisen, dass der Senat seine Ausführungen zur Stichtagsregelung ( BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 <Rn. 408 ff.>) systematisch in den Kontext seiner Ausführungen zur Entschädigungshöhe bei der Beeinträchtigung des Außenwohnbereichs (a.a.O. Rn. 393 ff.) und zur Minderung der Grundstücksverkehrswerte (a.a.O. Rn. 400 ff.) gestellt und damit den Übernahmeanspruch aus dem unmittelbaren Anwendungsbereich von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg herausgelöst habe. Die Ausführungen des Senats zum Zeitpunkt der Wertermittlung (a.a.O. Rn. 408 ff.) gelten für alle Entschädigungsleistungen, die der Planfeststellungsbeschluss den Trägern des Vorhabens auferlegt. Darunter fallen Entschädigungen für die Beeinträchtigung der Außenwohnbereiche (Teil A II 5.1.5 des PFB) und Entschädigungen in dem Fall, in dem die Kosten für passive Schallschutzeinrichtungen 30 % des Verkehrswertes von Grundstück und Gebäuden mit zu schützenden Räumen überschreiten (Teil A II 5.1.7 Nr. 2 des PFB), ebenso wie Entschädigungen in Gestalt eines Übernahmeanspruchs. Aus Rn. 409 des Musterurteils vom - BVerwG 4 A1075.04 - (BVerwGE 125, 116) ergibt sich nichts anderes. Die von den Klägern angeführten Urteilsgründe zur Minderung der Grundstücksverkehrswerte (a.a.O. Rn. 400 ff., insbesondere Rn. 403 bis 407) beziehen sich auf die abwägungsfehlerfreie Bewältigung vorhabenbedingter Minderungen des Verkehrswertes in Fallkonstellationen, in denen ein finanzieller Ausgleich nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg nicht zwingend geboten ist (vgl. a.a.O. Rn. 404). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, da der Beklagte das Grundstück der Kläger gerade wegen unzumutbarer Lärmimmissionen auf der Grundlage von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg in das festgesetzte Entschädigungsgebiet "Übernahmeanspruch" aufgenommen hat.
Die Kläger machen unter Beweisantritt geltend, dass ein "sonderentwicklungsbedingter" Rückgang des Bodenwertes ihres Grundstücks um mehr als 60 % zwischen dem Jahr 1996 und dem (dem Tag der Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs) zu einer Minderung des Verkehrswertes um 50 % (60 %) in diesem Zeitraum geführt habe. Diese extreme Belastung bedeute eine tatsächliche Besonderheit i.S.v. § 93a Abs. 2 VwGO, die eine Entscheidung im Beschlusswege unzulässig mache. Das trifft nicht zu.
In seinem Musterurteil vom - BVerwG 4 A 1075.04 - (BVerwGE 125, 116 <Rn. 408 bis 415>) hat der Senat den Einwand zahlreicher Musterkläger zurückgewiesen, der Beklagte hätte den Stichtag für die Ermittlung des Grundstücksverkehrswertes auf einen Zeitpunkt vor Geltendmachung des Übernahmeanspruchs festsetzen müssen. Der Senat hat eine derartige Vorverlegung als nicht gerechtfertigt angesehen und dies im Wesentlichen mit systematischen und teleologischen Erwägungen zur Schutzfunktion des § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg begründet. In diesem Zusammenhang hat er es auch abgelehnt, die Entschädigungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den möglichen Vorwirkungen einer Enteignung auf den Anwendungsbereich des § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg zu übertragen (a.a.O. Rn. 411 bis 414). Daran ist auch im vorliegenden Fall festzuhalten.
Entgegen dem Klagevorbringen verletzt die vom Beklagten gewählte und vom Senat gebilligte Stichtagsregelung für die Verkehrswertermittlung die Kläger nicht in ihrem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Zurückzuweisen ist zunächst die Kritik der Kläger, der Senat habe in seinem Urteil vom (a.a.O. Rn. 413, 414) zur Auslegung von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg den Standpunkt vertreten, der Verkehrswert eines Übernahmegrundstücks sei zum Stichtag der Aufnahme des Betriebes des Flughafens zu ermitteln. Der Senat hat aus dem Regelungszweck (Surrogatfunktion) des Entschädigungsanspruchs aus § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg abgeleitet, dass als Stichtag für die Ermittlung des Verkehrswertes frühestens der Erlass des (nach § 10 Abs. 6 Satz 1 LuftVG sofort vollziehbaren) Planfeststellungsbeschlusses und spätestens der Zeitpunkt in Betracht komme, zu dem der Flughafen in seiner planfestgestellten Form in Betrieb genommen werde (vgl. a.a.O. Rn. 413 bis 415).
Danach steht der Planfeststellungsbehörde bei der Stichtagsregelung ein Gestaltungsspielraum zu. Bei seiner Ausfüllung hat sie die schutzwürdigen Interessen der lärmbetroffenen Grundstückseigentümer und Anwohner einerseits und die der Vorhabenträger andererseits in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Das sind verfassungsrechtliche Vorgaben, welche die Planfeststellungsbehörde bei der Auslegung und Anwendung eigentumsbestimmender Normen (hier: § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg) nicht außer Acht lassen darf (vgl. auch - mit Hinweis auf BVerfGE 53, 352 <357 f.>; 68, 361 <372>; Jarass in: Jarass/Pieroth <Hrsg.>, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 14 Rn. 51). Die Stichtagsregelung des Beklagten genügt diesen Anforderungen. Sie knüpft nicht an die Inbetriebnahme des Flughafens an, sondern zugunsten der betroffenen Grundeigentümer an den Zeitpunkt der Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses. Die Betroffenen erleiden hierdurch keine Nachteile. Sie werden im Gegenteil begünstigt, da sie es in der Hand haben, für ihren Entschädigungsantrag den Zeitpunkt zu wählen, der ihnen unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem Grundstücksmarkt günstig erscheint ( BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 <Rn. 415>). Eine Vorverlegung des Stichtags in der von den Klägern geforderten Weise ist aus Gründen des Eigentumsschutzes (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) nicht geboten. Vor Abschluss des Planfeststellungsverfahrens lässt sich noch nicht sicher abschätzen, ob das Vorhaben überhaupt so wie geplant und mit allen Konsequenzen, die sich aus der planerischen Konzeption ergeben, in die Tat umgesetzt werden kann und soll (Urteil vom a.a.O. Rn. 414).
Dem Beweisantrag der Kläger, zu ihrer Behauptung einer 50%igen Minderung des Verkehrswertes des streitbefangenen Grundstücks zwischen 1996 und dem Beweis durch Einholung eines Verkehrswertgutachtens eines Sachverständigen einzuholen, kann nicht stattgegeben werden. Nach der aus den vorstehenden Gründen nicht zu beanstandenden Stichtagsregelung des Beklagten ist der Verkehrswert des Grundstücks (bzw. das Ausmaß der Verkehrswertminderung) vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses vom für die Höhe der nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg zu leistenden Entschädigung nicht maßgeblich. Tatsachen, die nach der materiellrechtlichen Auffassung des Tatrichters nicht entscheidungserheblich sind, bedürfen keines Sachverständigenbeweises.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstelle(n):
VAAAC-85917