Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Instanzenzug: LG München I, 30 O 9491/03 vom OLG München, 18 U 3337/06 vom
Tatbestand
Am schloss die frühere Beklagte zu 1, vertreten durch ihren Mitarbeiter, den Beklagten zu 2, mit dem Ehemann der Klägerin einen Vertrag zur Vermittlung der Finanzierung des Erwerbs einer von der früheren Beklagten zu 3 vertriebenen Eigentumswohnung. Dieser erwarb die Wohnung aufgrund notariell beurkundeten Angebots vom , das die frühere Beklagte zu 3 am in notarieller Form annahm. Vorausgegangen waren dem Beratungsgespräche mit dem Beklagten zu 2, deren Inhalt streitig ist. Ein auf den Tag nach Abgabe des Kaufangebots datiertes von dem Beklagten zu 2 erstelltes Berechnungsbeispiel weist als monatliche Belastung des Käufers einen Betrag von 387 DM vor Steuern und einen Betrag zwischen 64 und 81 DM nach Steuern aus.
Die Klägerin, die sich Ansprüche ihres Ehemannes hat abtreten lassen, hält das Berechnungsbeispiel und die Beratung insgesamt aus mehreren Gründen für falsch. Sie hat die Beklagten auf Zahlung von 110.875,95 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückübereignung der Eigentumswohnung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Senat, beschränkt auf die Klage gegen den Beklagten zu 2, zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag gegen diesen Beklagten, der die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt, weiter.
Gründe
I.
Das Berufungsgericht meint, zwischen dem Ehemann der Klägerin (im Folgenden: Zedent) und dem Beklagten zu 2 sei zwar ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Die Klägerin habe jedoch nicht den Nachweis erbracht, dass der Beklagte zu 2 Beratungspflichten verletzt habe. Sie habe weder ihre Behauptung bewiesen, dass der Beklagte zu 2 eine Wertsteigerung der Wohnung von 2% pro Jahr zugesichert habe noch dass er das ihrer Behauptung nach falsche Berechnungsbeispiel dem Zedenten zeitlich vor dessen Kaufangebot vorgelegt habe. Soweit der Beklagte zu 2 möglicherweise gesagt habe, die Kapitalanlage trage sich selbst, sei davon auszugehen, dass sich diese Aussage auf das Berechnungsbeispiel bezogen habe; die Beweisaufnahme habe aber keine Zusicherung des Inhalts ergeben, dass es auch so, wie in dem Beispiel berechnet, kommen werde.
II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass zwischen dem Zedenten und dem Beklagten zu 2 ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist.
Ein solcher Vertrag wird nach ständiger Rechtsprechung stillschweigend abgeschlossen, wenn der Anlageinteressent die Dienste und Erfahrungen eines Vermögensverwalters, Anlageberaters oder Anlagevermittlers in Anspruch nehmen will und dieser mit der gewünschten Tätigkeit beginnt; dabei ist es ohne Bedeutung für den Vertragsschluss, von welcher Seite die Initiative zu dem Beratungsgespräch ausgegangen ist (BGHZ 100, 117, 118; 123, 126, 128; Urt. v. , III ZR 71/05, NJW-RR 2006, 109; Urt. v. , III ZR 75/06, NJW-RR 2007, 1271, 1272). Diese Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vor. Danach ist der Beklagte zu 2 weder ausdrücklich noch nach den Umständen für die Beklagte zu 1 aufgetreten und war für den Zedenten die maßgebliche Person und dessen Anspruchpartner. Er ist von sich aus an den Zedenten mit Vorschlägen über steuerlich günstige Kapitalanlagen herangetreten und hat in diesem Zusammenhang die Immobilie als eine für die Zwecke geeignete Anlage benannt.
Soweit die Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht hat, dass ein Beratungsvertrag allenfalls zwischen dem Zedenten und der früheren Beklagten zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 sei, zustande gekommen sein könne, bleibt das ohne Erfolg, da sie die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht angegriffen hat. Das ist jedoch unverzichtbar, weil der Beklagte zu 2 die Umstände für die Betriebsbezogenheit seiner Beratung vortragen muss, wenn der von ihm abgegebenen Erklärungen nicht für seine Person gelten lassen will (vgl. , NJW 1995, 43, 44).
2. Das Berufungsgericht hat jedoch einen Anspruch aus positiver Vertragsverletzung wegen eines Beratungsfehlers mit fehlerhafter Begründung verneint.
a) Der Senat hat für die Haftung des Verkäufers entschieden, dass dieser zwar grundsätzlich nicht verpflichtet ist, den Käufer über die Wirtschaftlichkeit des Erwerbs und seinen Nutzen zu beraten oder aufzuklären, er aber aus einem Beratungsvertrag haftet, wenn er sich nicht auf Auskünfte über das Objekt und Verhandlungen über den Kaufvertrag beschränkt, sondern den Käufer auch unabhängig davon berät (Urt. v. , V ZR 73/06, Rdn 8, 9 - in juris veröffentlicht; Urt. v. , V ZR 66/06, NJW 2007, 1874). Entscheidend ist, dass eine über die Angaben zum Objekt hinausgehende Beratung erfolgt. Auch ein Anlagevermittler haftet über die Pflicht zu richtiger und vollständiger Auskunft über das Objekt hinaus aus einem Beratungsvertrag, wenn er die Vermögensbelange des Anlageinteressenten wahrnimmt und über die sich für diesen aus dem Erwerb ergebenden finanziellen Belastungen berät (vgl. , WM 2007, 2228, 2229).
b) Der Beratungsvertrag verpflichtet zu richtiger vollständiger Information über die tatsächlichen Umstände, die für den Kaufentschluss des Interessenten von wesentlicher Bedeutung sind (BGHZ 123, 126, 129; Senat, Urt. v. , V ZR 223/03, NJW 2005, 983).
aa) Bei der Beratung über den Erwerb einer Immobilie zu Anlagezwecken bildet die Ermittlung des monatlichen Eigenaufwands das Kernstück der Beratung. Sie soll den Käufer von der Möglichkeit überzeugen, mit seinen finanziellen Mitteln das Objekt erwerben und halten zu können (Senat, BGHZ 156, 371, 377; Urt. v. , V ZR 66/06, NJW 2007, 1874, 1876; Urt. v. , V ZR 284/06, NJW 2008, 649).
bb) Wird als Kaufanreiz die wirtschaftliche Rentabilität des Erwerbs herausgestellt, muss der Berater auch über die hierfür bedeutsamen Umstände richtig informieren. Er verletzt seine Beratungspflichten, wenn er ein in tatsächlicher Hinsicht unzutreffendes, zu positives Bild der Ertragserwartung der Immobilie oder ihres Wertsteigerungspotenzials gibt (Senat, Urt. v. , V ZR 223/03, NJW 2005, 983; Urt. v. , V ZR 227/06, NJW-RR 2007, 1660, 1661).
c) Gemessen daran, kann eine Verletzung eines Beratungsvertrages nach den tatrichterlichen Feststellungen nicht verneint werden.
aa) Sind die Angaben des Beraters zur Höhe der monatlichen Belastung des Käufers falsch, so ist dieser nicht richtig informiert und damit die Beratungspflicht verletzt worden. Grundlage der Schadensersatzpflicht des Beraters sind dessen schuldhaft fehlerhafte Erklärungen zur Höhe der monatlichen Belastung (vgl. Senat, Urt. v. , V ZR 308/02, NJW 2003, 1811, 1813). Einer Zusicherung in dem Sinne, dass der Berater auch zum Ausdruck gebracht haben muss, für die Richtigkeit seiner - regelmäßig auf einer Berechnung beruhenden - Angabe zur Höhe der monatlichen Belastung einzustehen, bedarf es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht.
Nach dem Vortrag der Klägerin war die Beratung fehlerhaft, wenn die monatliche Belastung nicht - wie von dem Beklagten zu 2 angegeben - zwischen von 70 bis 80 DM/mtl. lag, sondern ein Mehrfaches dieses Betrages ausmachte. Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf das schriftliche Berechnungsbeispiel die Ursachen für die fehlerhafte Angabe des Beklagten zu 2 benannt, die darin begründet sein sollen, dass dieser den Aufwand des Erwerbers infolge Nichtberücksichtigung der Beiträge zur Lebensversicherung und der Grundsteuer zu niedrig, die erzielbaren Erträge dagegen zu hoch, nämlich nach einer befristeten Mietgarantie von 18 DM/m2, und nicht mit der erheblich niedrigeren ortsüblichen Vergleichsmiete von 11,90 DM/m2, angesetzt hatte. Bei der Berechnung des monatlichen Eigenaufwands des Käufers müssen die Zahlungen für die Tilgung der zur Finanzierung des Kaufs aufzunehmenden Darlehen berücksichtigt werden (Senat, Urt. v. , V ZR 308/02, NJW 2003, 1811, 1812). Hierzu gehören die an eine Lebensversicherung zu zahlenden Beiträge, die zur Finanzierung des Erwerbs abgeschlossen wird; es sei denn, dass der Beratende deutlich macht, dass die von ihm angegebene monatliche Belastung Aufwand zur Tilgung nicht einschließt (Senat, Urt. v. , V ZR 223/03, NJW 2005, 983, 985). Ebenso fehlerhaft ist es, wenn bei der Berechnung der Belastung die Erträge aus einer befristeten Mietgarantie in Ansatz gebracht werden, welche die ortsübliche Vergleichsmiete erheblich übersteigt. Der Zufluss der garantierten Mieten ist nur von begrenzter Dauer und zudem von der Bonität des Garanten abhängig. Durch den Ansatz solcher Garantiebeträge wird daher ein zu positives Bild der für den Erwerber wichtigen längerfristigen Ertragserwartung der Immobilie gezeichnet (vgl. Senat, Urt. v. , V ZR 260/03, WuM 2005, 205, 207; Urt. v. , V ZR 66/06, NJW 2007, 1874, 1876).
Ob und welche der in dem schriftlichen Berechnungsbeispiel ausgewiesenen Angaben zur Höhe der monatlichen Belastung der Beklagte zu 2 dem Zedenten bereits vor dessen notarieller Angebotserklärung mitgeteilt hat, lässt das Berufungsgericht dahinstehen. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung hat es jedoch keine Beweislastentscheidung hinsichtlich des Inhalts der Erklärungen des Beklagten zu 2 zu Ungunsten der Klägerin getroffen. Es hat die Bekundung des als Zeugen vernommenen Zedenten über eine Erklärung des Beklagten zu 2, die Finanzierungskosten seien mit einer geringen Zuzahlung von 70 bis 80 DM im Monat gedeckt, nämlich nach den Umständen als plausibel angesehen, die Richtigkeit dieser Aussage jedoch mit der rechtsfehlerhaften Begründung dahinstehen lassen, auch der Zeuge habe sich nicht an eine Zusicherung des Beklagten zu 2 erinnern können, dass es so wie berechnet, kommen werde.
bb) Auch Angaben des Beraters über den künftigen Wert einer Immobilie können - unabhängig von dem in einer solchen Erklärung enthaltenen spekulativen Element - unrichtig sein und einen Beratungsfehler darstellen, wenn die von diesem benannte Wertentwicklung wegen eines überhöhten Erwerbspreises ausgeschlossen oder zumindest gänzlich unwahrscheinlich ist (Senat, Urt. v. , V ZR 223/03, NJW 2005, 983, 984).
Gemessen daran, kommt auch in diesem Punkt ein Beratungsfehler in Betracht, wenn der Beklagte zu 2 dem Zedenten unter Zugrundelegung einer allgemeinen jährlichen Wertsteigerung am Immobilienmarkt von 1 bis 2 % p.a. einen künftigen Wert der Wohnung nach 30 Jahren von 300.000 DM in Aussicht gestellt hat. Ein Beratungsfehler lässt sich nicht mit der Erwägung des Berufungsgerichts verneinen, dass eine solche Wertsteigerung von 1 bis 2 % im Jahr im Rahmen des Möglichen liege. Nach den getroffenen Feststellungen zum Verhältnis zwischen dem Kaufpreis und dem Wert der verkauften Wohnung kann ein Beratungsfehler auch dann vorliegen, wenn der prognostizierte Steigerungssatz nicht zu beanstanden ist. War der Verkehrswert der Wohnung nämlich erheblich niedriger als der vereinbarte Kaufpreis, tritt eine Wertsteigerung erst ein, wenn sie den gezahlten Kaufpreis übersteigt.
III.
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) zurückzuverweisen.
Es wird zu prüfen haben, ob der Beklagte zu 2 schuldhaft Beratungspflichten durch unzutreffende oder unvollständige Erklärungen - unterhalb der Schwelle einer Zusicherung - verletzt hat, die für den Kaufentschluss ursächlich waren.
Fundstelle(n):
TAAAC-84441
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein