Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StGB § 306 a; StGB § 306 a Abs. 2; StGB § 306 b Abs. 2 Nr. 2; GVG § 185; StPO § 344 Abs. 2 Satz 2; StPO § 349 Abs. 2; StPO § 357
Instanzenzug: LG Gießen, vom
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:
1. den Angeklagten B. wegen Anstiftung zur Körperverletzung sowie wegen Betruges und schwerer Brandstiftung, letztere in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten,
2. den Angeklagten R. wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich zusammentreffend mit schwerer Brandstiftung und Beihilfe zum Betrug, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten,
3. den Angeklagten Bä. wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich zusammentreffend mit schwerer Brandstiftung und Beihilfe zum Betrug, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten sowie
4. den Angeklagten Ro. wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Beihilfe zum Betrug zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren.
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts sowie die Revision des Angeklagten B. , der die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet. Während sich der Angeklagte B. gegen seine Verurteilung insgesamt wendet, erstrebt die Staatsanwaltschaft insbesondere eine Verurteilung aller Angeklagten u. a. wegen besonders schwerer Brandstiftung. Die Rechtsmittel haben in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der hoch verschuldete Angeklagte B. eine Pizzeria in A. . Nachdem sein früherer Koch C. im Frühjahr 2004 gekündigt und rückständigen Lohn eingefordert hatte, beauftragte B. im Dezember desselben Jahres den bei ihm angestellten Mitangeklagten R. damit, gegen eine Belohnung von 300 € passende Leute zu finden, die C. krankenhausreif schlagen sollten. Am gegen 1.25 Uhr versetzte der von R. gedungene Mitangeklagte Bä. im Beisein R. s dem Geschädigten C. von hinten mit einem Stock einen Schlag auf den Kopf, so dass dieser eine Woche stationär im Krankenhaus behandelt werden musste (II. 1 der Urteilsgründe).
2. Im Februar 2005 beauftragte B. den Mitangeklagten R. damit, Leute ausfindig zu machen, die seine Pizzeria anzünden sollten. Mit den dann erhofften Zahlungen der Brandversicherung wollte er seine Schulden begleichen. Ende Februar/Anfang März 2005 kam es zu einem nächtlichen Treffen zwischen den Angeklagten B. , R. und Ro. , wobei B. darauf hinwies, dass das ihm nicht gehörende, aber von ihm und seiner Familie im Obergeschoss bewohnte Haus als solches intakt bleiben müsse. Nur die Pizzeria solle zerstört werden. Hierzu sei das als Brandbeschleuniger zu verwendende Benzin nur in einer schmalen Spur zu legen, damit das Feuer sich nicht ins Treppenhaus würde ausdehnen können. Als Lohn für die Brandstiftung stellte B. 20.000 € in Aussicht.
Anfang April 2005 übergab B. dem Mitangeklagten R. die Schlüssel für die Pizzeria mit dem Bemerken, er werde am nächsten Ruhetag, Montag dem , mit seiner Familie einen Ausflug machen. An diesem Tag gegen 21.00 Uhr begaben sich R. , Ro. und der für die Tatausführung gewonnene Bä. zum Restaurant, betraten dieses mit dem ihnen übergebenen Schlüssel und schlugen eine Scheibe ein, um einen Einbruch vorzutäuschen. R. überprüfte, ob jemand im Obergeschoss zurückgeblieben war und schüttete dann zusammen mit Bä. im Inneren der Pizzeria insgesamt 25 l Benzin aus, bevor Bä. einen primitiven Zeitzünder legte. Plangemäß entzündete sich das Benzin erst, als die Angeklagten das Gebäude verlassen hatten. Es kam zu einer explosionsartigen Verpuffung. Nicht nur der Gastraum, sondern das ganze Wohnhaus wurden stark beschädigt. Darüber hinaus griff der Brand auf ein Nachbarhaus über und beschädigte Dachstuhl und Außenwand. Der dort wohnende Zeuge D. erlitt eine leichte Rauchvergiftung und musste im Krankenhaus medizinisch versorgt werden. Der Gesamtschaden betrug 500.000 €. Der Angeklagte B. erhielt 80.000 € an Versicherungsleistungen, seine Mittäter haben die versprochenen 20.000 € nicht bekommen (II. 2 der Urteilsgründe).
2. Das Landgericht hat im Fall II. 1 (zutreffend) eine Strafbarkeit der Angeklagten R. und Bä. wegen gefährlicher Körperverletzung sowie eine Anstiftung des Angeklagten B. zu einer einfachen Körperverletzung angenommen. Hinsichtlich des Inbrandsetzens der Pizzeria (Fall II. 2) geht das Landgericht - ausdrücklich entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - hinsichtlich aller Angeklagten "nur" von einer schweren Brandstiftung gemäß § 306 a StGB in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus, bei den Angeklagten R. , Bä. und Ro. darüber hinaus (zutreffend) von tateinheitlich begangener Beihilfe zu dem von dem Angeklagten B. tatmehrheitlich begangenen Betrug zum Nachteil der Brandversicherung.
II. Revisionen der Staatsanwaltschaft
1. Zu Recht rügt die Staatsanwaltschaft, dass das Landgericht eine Strafbarkeit aller Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung nach § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB mit unzutreffender Begründung abgelehnt hat. Dessen Voraussetzungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann gegeben, wenn die Brandlegung - wie hier - zum Zwecke eines Betrugs zum Nachteil der Versicherung begangen wird (vgl. BGHSt 45, 211, 216 ff.; NJW 2000, 3581; NStZ 2000, 197; NStZ-RR 2000, 209; 2004, 366; 2005, 76; NJW 2007, 2130; Beschluss vom - 3 StR 74/08). Die von dem Landgericht unter Berufung auf abweichende Meinungen in der Literatur (zum Streitstand vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 306 b Rdn. 9 ff.) bemühten Argumente für eine restriktive Auslegung des § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB auf Fälle, in denen gerade die spezifischen Auswirkungen der Brandlegung die Begehung der weiteren Tat begünstigen, sind nicht neu und geben dem Senat keinen Anlass, von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuweichen.
2. Ebenso unzutreffend ist der rechtliche Ansatz des Landgerichts, eine Strafbarkeit der Angeklagten R. , Bä. und Ro. wegen besonders schwerer Brandstiftung scheide auch deshalb aus, weil deren primäres Tatziel das unabhängig von späteren Versicherungsleistungen zugesagte Entgelt von 20.000 € für die Brandlegung gewesen sei. Die von § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB vorausgesetzte Absicht muss sich nämlich nicht auf den Deliktserfolg, sondern allein auf die Verknüpfung der Brandstiftungshandlung mit dem mindestens gebilligten Erfolg einer bestimmten weiteren Tat beziehen (BGHSt 45, 211 ff.; Fischer aaO Rdn. 10 a). Sowohl für die Brandstiftung als solche als auch für den nachfolgenden Betrug genügte bedingter Vorsatz, der nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts bei allen Angeklagten gegeben war. Dies gilt auch für den Angeklagten Bä. , der die Pizzeria deshalb im Auftrag des Angeklagten B. in Brand setzte, um diesem die Inanspruchnahme der Brandversicherung zu ermöglichen. Dass die ihm dafür versprochene Entlohnung nicht direkt aus der Versicherungsleistung, sondern aus dem sonstigen Vermögen B. s fließen sollte, hindert eine mögliche Strafbarkeit aus § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht.
3. Die Aufhebung im Fall II. 2 der Urteilsgründe erfasst auch die tateinheitliche Verurteilung aller Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten D. , die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten B. wegen schwerer Brandstiftung auch nach § 306 a Abs. 2 StGB sowie die Verurteilung der Angeklagten R. , Bä. und Ro. wegen tateinheitlich begangener Beihilfe zum Betrug. Die Verurteilung des Angeklagten B. wegen tatmehrheitlich begangenen Betruges bleibt hiervon unberührt.
Von der Aufhebung umfasst sind auch die Feststellungen, da der Senat nicht ausschließen kann, dass die neue Hauptverhandlung zu abweichenden Feststellungen führen wird. Im Übrigen wird der neu entscheidende Tatrichter genauer als bisher geschehen zu prüfen haben, ob sich der Vorsatz aller Angeklagten auf eine Verletzung (§§ 223, 224 StGB) oder zumindest eine konkrete Gesundheitsgefährdung (§ 306 a Abs. 2 StGB) des Geschädigten D. bezog. Dies versteht sich angesichts des gemeinsamen Tatplans der Angeklagten, durch eine "umsichtige" Brandlegung nur das Inventar der Pizzeria, nicht aber das gesamte Gebäude, geschweige denn das Nachbargebäude, in Brand zu setzen (UA S. 10 bis 12, 20), hier nicht von selbst.
Der Wegfall der im Fall II. 2 festgesetzten Einsatzstrafen führt auch zur Aufhebung der hinsichtlich der Angeklagten B. , R. und Bä. verhängten Gesamtstrafen. Was den Angeklagten R. anbelangt, wird der neue Tatrichter zu prüfen haben, ob gegen diesen verhängte frühere Geldstrafen bereits vollstreckt sind oder ob diese gegebenenfalls bei erneuter Gesamtstrafenbildung zu berücksichtigen sein werden. Der Angeklagte Bä. hingegen ist durch die rechtlich nicht mögliche Einbeziehung einer gegen ihn verhängten, zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe ersichtlich nicht beschwert, so dass sich die Erörterung eines Härteausgleichs erübrigt.
III. Revision des Angeklagten B.
1. Die von dem Angeklagten B. erhobene Formalrüge einer Verletzung des § 185 GVG ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom unzulässig im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
2. Auf die Sachrüge hin ist das Urteil - soweit es den Angeklagten B. betrifft - ebenfalls im Fall II. 2 der Urteilsgründe (Inbrandsetzung der Pizzeria) und im Gesamtstrafenausspruch aufzuheben, weil ein Vorsatz dieses Angeklagten, seinen Nachbarn D. zu verletzen oder zumindest dessen Gesundheit konkret zu gefährden (§§ 223, 224, 306 a Abs. 2 StGB) nicht in der erforderlichen Weise festgestellt ist. Eine Erstreckung der Revision insoweit gemäß § 357 StPO auf die übrigen Mitangeklagten war nicht veranlasst, weil hier die Beurteilung eines Verletzungsvorsatzes hinsichtlich jedes Angeklagten individuell vorzunehmen ist und der Entscheidung des Landgerichts nicht etwa ein fehlerhaftes Verständnis des bedingten Vorsatzes als solchem zugrunde liegt.
Die Verurteilung des Angeklagten B. wegen tatmehrheitlich begangenen Betruges bleibt von der teilweisen Aufhebung im Fall II. 2 unberührt. Im Übrigen ist seine Revision aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BAAAC-84366
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