BFH Beschluss v. - X S 15/08 (PKH)

Anforderungen an einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde, der vom Kläger persönlich gestellt wird

Gesetze: FGO § 142, FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Antragsteller erzielte in den Streitjahren 1994 bis 2002 als Lagerist Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Bereits am hatte er bei der zuständigen Stadtverwaltung ein Gewerbe im Bereich „Musikverlag und -produktion” angemeldet. Aus dieser Tätigkeit erklärte er für die Streitjahre durchgängig Verluste.

In den ursprünglichen Einkommensteuerbescheiden 1994 bis 2001 berücksichtigte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die vom Antragsteller erklärten Verluste aus Gewerbebetrieb, wobei er die Steuerfestsetzungen insoweit allerdings nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) vorläufig mit der Begründung vornahm, dass die „Gewinnerzielungsabsicht (Liebhaberei) zu prüfen” sei. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2001 bat das FA den Antragsteller um weitere Erläuterungen und Unterlagen zu seiner Tätigkeit als Komponist und Produzent. Der Antragsteller antwortete, seine Bemühungen um eine Gewinnerzielung seien ernsthafter Natur. Die von ihm gekaufte professionelle Hard- und Software übersteige den für eine hobbymäßige Tätigkeitsausübung erforderlichen Rahmen. Er habe Eigenproduktionen, nämlich Demo-Musikkassetten ., den einschlägigen Tonträgerfirmen und dem Handel sowie allen deutschen Rundfunksendern übersandt und selbsterstellte Musiktitel nacheinander verschiedenen Künstlern zum Kauf angeboten. Für die Gewinnerzielungsabsicht spreche seine Mitgliedschaft als Musikverleger bei der X und der Y, beim A-Verband und bei der Z. Im Jahr 2002 habe er sich zum dritten Mal mit einem Musikstück beim „.” beworben und zwei weitere Maxi-CD's für die Distribution und für Airplay-Einsätze produziert. Eine Einnahmen- und Ausgabenkalkulation könne er nicht vorlegen. Es gebe weder ein betriebswirtschaftliches Konzept noch eine Marktanalyse für die ausgeübte Tätigkeit.

In dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2002 erkannte das FA den vom Antragsteller erklärten Verlust nicht mehr an. Ebenso änderte es die Einkommensteuerbescheide für 1994 bis 2001 gemäß § 165 Abs. 2 Satz 1 AO und berücksichtigte die bislang angesetzten Verluste nicht mehr.

In den nachfolgenden Einspruchsverfahren legte der Antragsteller eine Liste seiner Verkaufsbemühungen hinsichtlich diverser Produkte vor.

Das Finanzgericht (FG) wies die vom Antragsteller nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage als unbegründet ab. Es führte u.a. aus:

Das FA sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller nicht aus eigenem Gewinnstreben, sondern zur Befriedigung privater Interessen tätig geworden sei. Wesentliches Indiz für diese Annahme sei das Fehlen eines brauchbaren (betriebs-) wirtschaftlichen Konzepts bei der Aufnahme der Tätigkeit und dessen fortlaufender Anpassung an die jeweils im Vorjahr erzielten wirtschaftlichen Ergebnisse. Aufzeichnungen zu seinen Gewinnerwartungen sowie zur Art deren Ermittlung habe der Antragsteller nicht vorgelegt, wie er auch nicht substantiiert dargestellt habe, ob und welche von ihm oder von externen Beratern erstellten Marktanalysen der Aufnahme seiner Tätigkeit zugrunde gelegen hätten, obwohl er als marktunkundiger „Quereinsteiger” ohne vorher gesammelte Markterfahrungen im Musikgeschäft habe tätig werden wollen. Selbst wenn er anhand von Fachzeitschriften oder Verbindungen zu bereits am Markt tätigen Unternehmen seine Marktchancen eingeschätzt haben sollte, entspräche ein solches Verhalten gerade nicht den Grundsätzen unternehmerischen Handelns. Bezogen auf seine sonstigen Vermögensverhältnisse tätige ein Geschäftsleiter gerade nicht ohne eine vorangegangene sachkundige Marktanalyse sowie eine detaillierte betriebswirtschaftliche Kosten- und Gewinnkalkulation erhebliche Investitionen. Durch die Aufnahme einer Tätigkeit ohne brauchbares wirtschaftliches Konzept und ohne konkrete Gewinnerwartungen, die er laut seinem Schreiben vom selbst nach mehrjähriger Tätigkeit nicht detailliert habe belegen können, habe der Antragsteller eine dauerhafte Gewinnlosigkeit in Kauf genommen, was auf die Befriedigung privater Interessen schließen lasse. Angesichts der über einen neunjährigen Zeitraum (1994 bis 2003) durchgehend erwirtschafteten Verluste und der Tatsache, dass der Antragsteller mit Ausnahme des Jahres 1997 —wenn überhaupt— nur geringe Einnahmen bis maximal 629 DM erklärt habe, habe das FA zu Recht angenommen, dass die Tätigkeit nach Art ihrer Ausführung gerade nicht geeignet gewesen sei, auf die Dauer gesehen Gewinne zu erzielen. Langjährige Verluste eines Unternehmens, dessen Einnahmen auf niedrigem Niveau stagnierten, sprächen regelmäßig dafür, dass der Steuerpflichtige seine Tätigkeit nur aus persönlichen Gründen fortführe.

Die Verluste könnten nicht —auch nicht zum Teil— als Anlaufverluste berücksichtigt werden. Mangels signifikanter Steigerung der Einnahmen sei bei der Art der Geschäftsführung nicht abzusehen gewesen, dass der Antragsteller überhaupt Gewinne, geschweige denn, dass er dauerhafte Gewinne habe erwirtschaften können. Auch zur Beurteilung von Anlaufverlusten sei darauf abzuheben, wie der Betrieb in der Anfangszeit geführt worden sei.

Verfahrensrechtliche Gründe hätten dem Erlass der Einkommensteueränderungsbescheide 1994 bis 2001 nicht entgegengestanden. Die für diesen Zeitraum ursprünglich erlassenen Steuerbescheide hätten hinsichtlich der erklärten gewerblichen Verluste Vorläufigkeitsvermerke getragen, so dass der Antragsteller mit in diesem Punkt zu seinen Lasten geänderten Steuerbescheiden hätte rechnen müssen.

Innerhalb der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Antragsteller persönlich einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) sowie auf Beiordnung eines Prozessvertreters für eine zu erhebende Nichtzulassungsbeschwerde gegen das o.a. FG-Urteil gestellt und eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt.

Innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist hat der Antragsteller sein Begehren zur Gewährung von PKH im Wesentlichen damit begründet, dass er in seiner an das FG gerichteten Klageschrift und in zwei weiteren Schriftsätzen vor dem FG „in größerem Umfang Tatsachen und Beweismittel zu (seiner) Entlastung” angeführt habe. Diese Tatsachen und Beweise seien im anzufechtenden FG-Urteil nicht berücksichtigt worden. Hierin liege ein Verfahrensfehler, insbesondere die Verletzung seines Rechts auf Gehör.

II. Der Antrag ist unbegründet und deshalb abzulehnen.

1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

2. Die durch den Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung durch Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

a) Dies folgt zwar noch nicht allein daraus, dass die Nichtzulassungsbeschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO durch eine vor dem Bundesfinanzhof (BFH) vertretungsberechtigte Person oder Gesellschaft i.S. von § 62a FGO erhoben worden ist. Denn einem Beteiligten, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, ein Rechtsmittel, das dem Vertretungszwang unterliegt, wirksam zu erheben, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. § 56 FGO) gewährt werden.

b) Der Antrag auf PKH muss jedoch deshalb abgelehnt werden, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert oder ein Verfahrensmangel dargelegt wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.

Der angerufene Senat kann bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des Vortrags des Antragstellers, des Inhalts der vorliegenden Akten und des von dem Antragsteller beanstandeten FG-Urteils keinen Grund i.S. von § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO erkennen, der eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.

aa) Der vorliegende Sachverhalt wirft keine über den spezifisch gelagerten Einzelfall des Antragstellers hinausreichende allgemein bedeutsame Rechtsfrage auf, welche die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und/oder Nr. 2 Alternative 1 FGO gebietet.

bb) Überdies vermag der Senat auch nicht zu erkennen, dass das FG mit einem bestimmten, in dem angegriffenen Urteil aufgestellten tragenden abstrakten Rechtssatz von einer Entscheidung des BFH oder eines anderen Gerichts abgewichen ist (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).

cc) Ebenso wenig ist ersichtlich, dass das FG-Urteil infolge schwerwiegender materiell-rechtlicher Fehler objektiv willkürlich erscheint und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. hierzu , BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837).

dd) Schließlich beruht das FG-Urteil bei der gebotenen kursorischen Prüfung auch nicht auf einem Verfahrensmangel, der —auf der Grundlage des vom FG eingenommenen materiell-rechtlichen Standpunkts— dessen Entscheidung beeinflussen konnte. Insbesondere vermag der angerufene Senat nicht zu erkennen, dass das FG wegen Nichterhebung der vom Antragsteller angetretenen Beweise gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (vgl. § 76 Abs. 1 FGO) oder wegen (vorgeblicher) Nichtbeachtung der vom Antragsteller dem Gericht unterbreiteten Tatsachen und rechtlichen Argumente das Recht des Antragstellers auf Gehör (vgl. Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes; § 96 Abs. 2 und § 119 Nr. 3 FGO) missachtet hat.

Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist der materiell-rechtliche Standpunkt des FG zugrunde zu legen (vgl. die zahlreichen Nachweise aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 79). Nach der vom FG —im Übrigen im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH— vertretenen materiell-rechtlichen Auffassung zur Frage der Abgrenzung eines mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenen Gewerbes i.S. von § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes und der einkommensteuerrechtlich irrelevanten „Liebhaberei” kam es indessen auf eine weitere Aufklärung des Sachverhalts und die Erhebung weiterer Beweise nicht an.

Anhaltspunkte dafür, dass das FG die vom Antragsteller im Klageverfahren vorgetragenen umfänglichen Tatsachen und rechtlichen Argumente nicht zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung bedacht hat, sind nicht zu erkennen. Die Pflicht des FG zur Begründung seiner Entscheidung geht nicht soweit, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste. Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, dass das FG das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz 10a, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH). Es darf ein Vorbringen außer Betracht lassen, das nach seiner Rechtsauffassung unerheblich oder unsubstantiiert ist (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., m.w.N.). Das rechtliche Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (Gräber/ Ruban, a.a.O., m.w.N.). Für eine solche Konstellation fehlt hier jeder Anhaltspunkt.

2. Da dem Antragsteller keine PKH bewilligt werden kann, geht auch sein Antrag, ihm einen Prozessvertreter beizuordnen, ins Leere.

3. Der Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei.

Fundstelle(n):
DAAAC-83295