BGH Urteil v. - III ZR 170/07

Leitsatz

[1] Der Anspruch auf Naturalrestitution bei dem Verlust vertretbarer Sachen entfällt, und der Geschädigte ist auf einen Geldausgleich beschränkt, wenn er eine Ersatzbeschaffung selbst vornimmt (hier: Neukauf von Aktien anstelle eines unberechtigt veräußerten Aktienpakets). Es unterliegt nicht der Disposition des Geschädigten zu bestimmen, dass das Deckungsgeschäft nicht zugunsten des Schädigers wirken solle.

Gesetze: BGB § 249 Cb; BGB § 249 Fb

Instanzenzug: LG Hamburg, 309 O 328/92 vom OLG Hamburg, 2 U 4/01 vom

Tatbestand

Die Kläger sind die Testamentsvollstrecker des während des Rechtsstreits verstorbenen ursprünglichen Klägers, O. W. (im Folgenden: der Kläger). Die Beklagte ist eine Tochter der vorverstorbenen Ehefrau des Klägers, I. W. . Die Parteien haben vorliegend mit Klage und Widerklage um eine Reihe von Vermögenswerten beider Erblasser gestritten. Im Revisionsverfahren geht es nur noch um eine Schadensersatzforderung des Klägers gegen die Beklagte wegen des Verkaufs eines Aktienpakets. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Bei der R. bank Reutte/Tirol bestand ein anonymes Wertpapierkonto, das einen Bestand von 466 Mannesmann-Aktien im Nennwert von 50 DM je Aktie aufwies. In den Bankunterlagen war keine bestimmte Person als Kontoinhaber vermerkt. Die tatsächliche Verfügungsgewalt hatte jeder, der das Kennwort nennen und sich mit dem Safeschlüssel Zugang zu einem Bankschließfach verschaffen konnte, in dem sich die vorzulegenden Kontounterlagen befanden. Nach dem Tod ihrer Mutter wies sich die Beklagte am gegenüber der Bank auf diese Weise als Berechtigte aus und veranlasste den Verkauf der Mannesmann-Aktien. Mit einem Teil des Verkaufserlöses von 17.000 DM glich die Bank einen auf dem Wertpapierkassakonto vorhandenen Schuldsaldo aus; der Rest von 50.000 DM wurde an die Beklagte ausgezahlt. Nachdem der Kläger von der Transaktion erfahren hatte, erwarb er eine Woche später am erneut 466 Mannesmann-Aktien über die R. - bank Reutte zu einem Kaufpreis von insgesamt 74.769,49 DM.

Der Kläger hat behauptet, das Wertpapierkonto habe allein ihm zugestanden. Der Beklagten sei bewusst gewesen, dass sie zur Verfügung hierüber nicht berechtigt gewesen sei. Wegen des Verlusts der Aktien sowie der bis 1997 entgangenen Dividenden hat er die Beklagte vor dem Landgericht auf Ersatzbeschaffung von - nach Teilung der Aktien im Verhältnis 1:10 - 4.660 Mannesmann-Aktien sowie auf Zahlung von 26.662,18 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen und außerdem die Feststellung begehrt, dass die Beklagte ab 1998 bis zu einer Herausgabe der Aktien zur Erstattung der späteren Dividenden verpflichtet sei.

Das Landgericht hat den Klageanträgen im Wesentlichen entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers hat das Oberlandesgericht - nach Änderung des Herausgabeantrags in einen Zahlungsantrag - die Beklagte zur Zahlung von 822.636 € nebst Zinsen als Ersatz für 360 Mannesmann-Aktien im Nennwert von je 50 DM (= 3.600 Aktien im Nennwert von 5 DM) und wegen der Dividenden bis 1997 zur Zahlung von 10.092,26 € nebst Zinsen verurteilt sowie festgestellt, dass die Beklagte zu einer Erstattung der Dividenden auf 360 Mannesmann-Aktien im Nennwert von 50 DM ab 1998 bis zum Zeitpunkt des "Squeeze-Out" verpflichtet sei. Die weitergehende Klage hat das Berufungsgericht abgewiesen. Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Parteien insoweit ihre beiderseitigen Berufungsanträge weiter.

Gründe

Die Revision der Beklagten hat größtenteils Erfolg. Die Revision des Klägers ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat, soweit noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Kläger allein Berechtigter hinsichtlich des Kontos und Eigentümer der im Depot verwahrten Aktien gewesen. Die Beklagte habe deswegen durch deren Veräußerung und Entgegennahme des Erlöses ein objektiv fremdes Geschäft im Sinne der § 687 Abs. 2, § 678 BGB geführt. Ihre fehlende Berechtigung habe die Beklagte auch erkannt, selbst dann, wenn sie angenommen habe, ihre Mutter sei in irgendeiner Weise an dem Konto mit berechtigt gewesen. Infolgedessen hafte die Beklagte für alle durch die Übernahme der Geschäftsführung verursachten Schäden. Sie habe den Kläger so zu stellen, wie er ohne ihr Eingreifen gestanden hätte, und ihn, nachdem die Notierung der Mannesmann-Aktien im amtlichen Markt eingestellt worden sei, in Geld zu entschädigen. Maßgebend hierfür sei die Höhe der von Vodafone nach Übernahme gezahlten Barabfindung, somit 228,51 € je Aktie zum Nennwert von 5 DM. Mit dem Ankauf von exakt 466 Mannesmann-Aktien nur sieben Tage nach deren Verkauf durch die Beklagte habe der Kläger zwar den früheren Zustand seines Aktienvermögens und sogar desselben Depots in Österreich tatsächlich wiederhergestellt. Nach seiner Erklärung habe er dadurch indes nur seinen Schaden für sich selbst bereinigen, nicht aber die Beklagte, von der er von Anfang an Naturalrestitution verlangt habe, entlasten wollen. Diese subjektive Komponente habe die Beklagte nicht widerlegt. Deswegen sei es dem Kläger letztlich unbenommen geblieben, bei Aufrechterhaltung seines Anspruchs auf Naturalrestitution aus seinem Vermögen weitere Mannesmann-Aktien für sich selbst anzuschaffen. Soweit er jedoch von den neu gekauften Aktien 106 Stück mit Mitteln erworben habe, die er durch den unberechtigten Aktienverkauf der Beklagten erst erlangt habe (nämlich Ausgleich des Minussaldos von 17.000 DM), sei lediglich der ohne das schädigende Ereignis bestehende Zustand wiederhergestellt worden und ein Ersatzanspruch ausgeschlossen. Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus § 254 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift sei der Kläger jedenfalls nicht über die anzurechnenden 17.000 DM hinaus gehalten gewesen, einen Deckungskauf vorzunehmen, auch wenn ihm dies finanziell ohne weiteres möglich gewesen sei.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis zwar zum Grund des Anspruchs, nicht aber bezüglich dessen Höhe stand.

1. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts standen die von der Beklagten verkauften 466 Mannesmann-Aktien im Alleineigentum des Klägers. Ob die Beklagte dies positiv wusste und sie darum, wie das Berufungsgericht annimmt und die Revision der Beklagten bekämpft, dem Kläger wegen angemaßter Eigengeschäftsführung nach § 687 Abs. 2, § 678 BGB haftet, mag dahinstehen. Die Beklagte hat jedenfalls mit der Veräußerung dieses Aktienpakets das Eigentum des Klägers verletzt und ist ihm deshalb nach § 823 Abs. 1 BGB, auf den das Berufungsgericht auch hilfsweise verweist, zum Schadensersatz verpflichtet. Dabei genügt jede Fahrlässigkeit.

2. Der mit dem Eigentumsverlust an den Aktien zunächst eingetretene Schaden des Klägers ist jedoch gegenständlich durch die von ihm lediglich eine Woche später durchgeführte und entgegen der Meinung des Berufungsgerichts in vollem Umfang anzurechnende Ersatzbeschaffung von exakt derselben Anzahl anderer Mannesmann-Aktien ausgeglichen worden. Insoweit hat der Kläger eine Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) selbst vorgenommen. Infolgedessen beschränkt sich die Leistungspflicht der Beklagten nun auf Geldersatz und auf Erstattung der Differenz zwischen den Aufwendungen des Klägers für den Ersatzkauf in Höhe von 74.769,49 DM und dem ihm aus dem Verkauf der Beklagten zugeflossenen, zur Glattstellung des Wertpapierkontos verwendeten Betrag von 17.000 DM, demzufolge auf 57.749,49 DM oder umgerechnet 29.526,85 €.

Bei dem Verlust vertretbarer Sachen hat der Geschädigte nach § 249 BGB zwar grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen Naturalrestitution und Geldentschädigung (vgl. MünchKomm/Oetker, BGB, 5. Aufl., § 249 Rn. 308 ff.). Er ist ferner auch im Rahmen der ihm nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht nicht stets gehalten, ein Deckungsgeschäft vorzunehmen. Nur wenn es im Einzelfall von der Sache her geboten und ihm auch zumutbar ist, hat er diesen Weg der Schadensbegrenzung zu beschreiten (Senatsurteil vom - III ZR 42/87 - NJW 1989, 290, 291; - NJW-RR 1993, 626, 627 = WM 1993, 1155, 1156; siehe auch - NJW 2001, 3257, 3258; vom - II ZR 355/00 - NJW 2002, 2553, 2555 und vom - XI ZR 336/01 - NJW-RR 2002, 1272 = WM 2002, 1502, 1503). Darum geht es hier aber nicht. Wenn der Geschädigte tatsächlich eine Ersatzbeschaffung vornimmt, kann, sofern es sich nicht ausnahmsweise um eine ganz überobligationsmäßige Leistung handelt, nicht zweifelhaft sein, dass der Erwerb den Vermögensverlust, zu dessen Deckung er bestimmt ist, grundsätzlich mindert (vgl. zum Deckungsverkauf BGHZ 136, 52, 53). Der Geschädigte hat es dann auch nicht in der Hand, den Zweck des Ersatzkaufs zu beschränken und nur für sich selbst den früheren Zustand gegenständlich wiederherzustellen, während eine Entlastung des Schädigers durch denselben Vorgang ausgeschlossen sein soll. Der Umfang des zu leistenden Schadensersatzes bestimmt sich objektiv nach rechtlichen Kriterien und unterliegt in der Zurechnung oder Nichtzurechnung adäquat verursachter Folgen nicht der Disposition des Verletzten.

Im Streitfall hat sich das Berufungsgericht tatrichterlich davon überzeugt, dass der Kläger mit dem Kauf derselben Anzahl von Mannesmann-Aktien sieben Tage nach der Verfügung der Beklagten den Umfang seines Aktiendepots wiederherstellen und nicht etwa aus anderen Gründen seinen Bestand an Mannesmann-Aktien um zufällig dieselbe Zahl aufstocken wollte. Die Parteien greifen dies nicht mit Verfahrensrügen an; auch finanzielle oder sonstige Unzumutbarkeit einer Ersatzbeschaffung hat der Kläger nicht eingewandt. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger hiernach einen auf den Schaden anrechenbaren Deckungskauf vorgenommen hat.

3. Auf dieser Grundlage ist die Beklagte dem Kläger lediglich zur Erstattung der für die Ersatzbeschaffung angefallenen Mehrkosten in Höhe von 29.526,85 € nebst anteiligen Zinsen, beginnend mit dem im Berufungsurteil bestimmten Zeitpunkt (§ 288 BGB), verpflichtet. Im Übrigen, auch hinsichtlich der mit den Klageanträgen zu 3 und 4 geforderten Erstattung künftiger Dividenden, erweist sich die Klage - und somit auch die Revision der Kläger - als unbegründet. Da der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat hierüber abschließend selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Fundstelle(n):
BB 2008 S. 1405 Nr. 27
BB 2008 S. 1758 Nr. 33
NJW 2008 S. 2430 Nr. 33
WM 2008 S. 1280 Nr. 27
SAAAC-82694

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja