Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 154 a Abs. 2; StPO § 206 a; StPO § 264; StPO § 264 Abs. 1; StPO § 265; StrEG § 8
Instanzenzug: LG Hagen, vom Veröffentlichung: nein
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahrenshindernis fehlender Anklage geltend macht und im Übrigen allgemein die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt zur Einstellung des Verfahrens, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
1. Zu Recht macht die Revision geltend, dass die abgeurteilte Tat vom eine eigene prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO war, die nicht von der unverändert zugelassenen Anklage umfasst war und die deshalb vom Landgericht nicht ohne Nachtragsanklage - die nicht erhoben worden ist - hätte abgeurteilt werden dürfen.
a) Gegenstand der Anklage zu Fall 4 war der Vorwurf einer am zum Nachteil des Nebenklägers T. gemeinschaftlich begangenen schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Demgegenüber liegt der Verurteilung des Angeklagten ein Tatgeschehen vom Folgetag, dem zu Grunde, bei dem die Angeklagten den Nebenkläger erneut trafen, mit dem es zu einer Auseinandersetzung kam, in deren Verlauf der Angeklagte und einer der früheren Mitangeklagten auf ihn einschlugen und eintraten und anschließend versuchten, ihn in ihren Pkw zu drängen, bis eine Passantin eingriff. Das abgeurteilte Tatgeschehen unterscheidet sich danach nicht nur in zeitlicher Hinsicht, sondern auch im Übrigen in den weiteren die Tat prägenden Umständen von dem Anklagesachverhalt. Daran ändert nichts, dass Opfer sowohl der angeklagten als auch der abgeurteilten Tat jeweils der Nebenkläger war und beiden Geschehen nahe liegend der fortdauernde Konflikt zwischen den Angeklagten einerseits und dem Nebenkläger andererseits zu Grunde lag. Das allein genügt für die Annahme des Vorliegens nur einer prozessualen Tat nicht. Vielmehr handelte es sich bei der angeklagten Tat und der abgeurteilten Tat um zwei voneinander getrennte geschichtliche Ereignisse, die untereinander weder eine deliktsimmanente Verbindung der Handlungen noch eine Überschneidung im äußeren Ablauf der Taten aufzeigten (vgl. BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 34; ; Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 264 Rdn. 2, 2 a m.w.N.). Dies folgt hier schon ohne Weiteres daraus, dass nach den im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen auch bereits am eine Auseinandersetzung zwischen den Angeklagten und dem Nebenkläger stattfand, der dabei den Angeklagten - in Übereinstimmung mit dem Anklagesachverhalt - seinen Fahrzeugschlüssel und seinen Pkw "als Sicherheit" überließ.
b) Auch der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft, wie er in der Anklage konkretisiert worden ist, erfasste lediglich das Tatgeschehen vom , nicht dagegen das Geschehen vom Folgetage. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass im Anklagesatz zum Geschehen am erwähnt ist, dass die Angeklagten den Nebenkläger zum Schluss in ihr Auto drängen wollten und ihn schlugen, ihn dann aber letztlich wieder gehen ließen, sich nach den Feststellungen Gleiches aber auch am Folgetag ereignet hat. Denn der entsprechende Satz in der Anklageschrift bezog sich - wie die Ermittlungsakten ergeben - auf die Auseinandersetzung zwischen den Angeklagten und dem Nebenkläger, die zu einem Einsatz der Polizei am um 0:44 Uhr führte. Dazu hatte der Nebenkläger in seiner zeugenschaftlichen Vernehmung angegeben, die Täter hätten ihn "gegen ca. 01:00 h ... ins Auto zerren (wollen), ..., worauf augenscheinlich der Taxifahrer die Polizei rief" (SA Bd. I Bl. 3 u. 7). Der von dem Nebenkläger erwähnte Taxifahrer Te. ist auch in der Anklage als Zeuge aufgeführt, während die Zeugen für den abgeurteilten Vorfall vom , der der Polizei an diesem Tag um 20:27 Uhr gemeldet wurde (SA Bd. III Bl. 446), in der Anklage nicht erscheinen. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die Angeklagten ihr Vorgehen gegen den Nebenkläger, wie es ihnen die Anklage für den zur Last legt, am Folgetag wiederholt haben. Jedenfalls ist der im Anklagesatz erwähnte Versuch der Angeklagten, den Nebenkläger in das Fahrzeug zu drängen, so eng mit dem übrigen Geschehen, wie es entsprechend der Anklage am stattgefunden hat, verknüpft, dass sich die Annahme einer prozessualen Tatidentität zwischen diesem Geschehen und einem nach den Feststellungen gleichartigen Vorgehen der Angeklagten am nächsten Tag verbietet. Anders verhielte es sich nur, wenn lediglich die Tatzeit einer ansonsten ausreichend individualisierten, d.h. "einmaligen" Tat in Frage stünde. Ein Fall, in dem ein die Tatzeit betreffender Mangel der Anklage durch einen rechtlichen Hinweis nach § 265 StPO wirksam behoben werden könnte (vgl. BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 3, 8, 11, 18), wie ihn der Vorsitzende erteilt hat, liegt aber dann grundsätzlich nicht vor, wenn wie hier in Betracht kommt, dass sich das angeklagte Geschehen wiederholt, mithin sowohl zum in der Anklage genannten als auch zu einem weiteren Zeitpunkt ereignet hat. Die Konkretisierung des Falles 4 der Anklage im Zusammenhang mit der Beschränkung des Prozessstoffs "bzgl. des Geschehens in den ersten vier Sätzen" (SA Prot. Bd. III Bl. 611) gemäß § 154 a Abs. 2 StPO und der erteilte rechtliche Hinweis nach § 265 StPO konnten deshalb hier die fehlende Anklage nicht ersetzen. Vielmehr hätte es insoweit einer Nachtragsanklage bedurft (vgl. BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 14 m.w.N.).
Nach alledem ist das Verfahren, soweit das Landgericht den Angeklagten verurteilt hat, einzustellen.
2. Vorsorglich weist der Senat auf folgendes hin:
Da das Landgericht den Angeklagten - ebenso wie die früheren Mitangeklagten - von dem Tatvorwurf zu Fall 4 der Anklage nicht freigesprochen hat, ist die Anklage mit Blick auf die erwähnte Beschränkung nach § 154 a Abs. 2 StPO hinsichtlich des letzten Satzes des Anklagesatzes zum Tatgeschehen vom ["Sie wollten ihn in ihr Auto drängen und schlugen ihn, ließen ihn aber letztlich wieder gehen"] bisher nicht erschöpft und ist das Verfahren insoweit noch beim Landgericht anhängig. Erst mit dem Abschluss dieses Verfahrens - gegebenenfalls nach Einbeziehung des Tatvorwurfs des jetzt abgeurteilten Geschehens vom im Wege der Nachtragsanklage - ist auch darüber zu befinden, ob eine Entscheidung nach § 8 StrEG veranlasst ist.
Fundstelle(n):
JAAAC-82684