BFH Beschluss v. - X B 237/07

Bezeichnung des Klagebegehrens; Verletzung der Sachaufklärungspflicht; Inhalt und Umfang der Hinweispflichten und Aufklärungspflichten; schlüssige Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs

Gesetze: FGO § 65, FGO § 40 Abs. 2, FGO § 76, FGO § 78, FGO § 96, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 119

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gerügten Verfahrensmängel sind nicht schlüssig dargelegt worden und/oder liegen nicht vor.

1. Soweit das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) den Gewerbesteuermessbetrag 1999 sowie die Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide 2000 und 2002 betrifft, ist das FG entgegen der Ansicht des Klägers verfahrensfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Kläger den Gegenstand des Klagebegehrens i.S. von § 65 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht (ausreichend) bezeichnet hat.

a) Zur Bezeichnung seines Klagebegehrens muss der Kläger substantiiert darlegen, worin er die durch die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen (vorgeblich) begründeten Rechtsverletzungen erblickt, insbesondere ausführen, inwieweit die angegriffenen Verwaltungsakte rechtswidrig sein und den Kläger in seinen Rechten verletzen sollen (vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs —BFH— vom GrS 1/78, BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99, 102; ständige Rechtsprechung). Wie weit das Klagebegehren zu substantiieren ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere vom Inhalt der angefochtenen Verwaltungsakte sowie von der einschlägigen Steuer- und Klageart. Eine solche Konkretisierung erweist sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. die Nachweise bei Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 65 FGO Rz 15) schon deswegen als unentbehrlich, weil das Gericht nach § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht über das Klagebegehren hinausgehen darf.

b) Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger den Gegenstand seines Klagebegehrens vor dem FG in Bezug auf den Gewerbesteuermessbescheid 1999 sowie auf die Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide 2000 und 2002 nicht in der von § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO geforderten Weise bezeichnet.

Der Kläger hatte in seiner Klageschrift insoweit lediglich ausgeführt, streitig sei,

- ob die „Voraussetzung der Versteuerung der Veräußerung der Grundstücke X-Straße und Y-Straße (vorlägen)”,

- ob die Zahlungen zu Versicherungen über die Konten des Klägers nachgewiesen worden seien und

- ob eine Zuschätzung von Erlösen erfolgen könne, obwohl der Kläger „keine weiteren Konten betreibt”.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) hatte hierauf im Schriftsatz vom im Wesentlichen Folgendes erwidert: Was die vom Kläger aufgeworfene Frage anbelange, ob die Voraussetzungen der Versteuerung der Veräußerung der beiden Grundstücke vorlägen, sei zu bemerken, dass in keinem der angefochtenen Bescheide bisher Einkünfte aus der Veräußerung aus privaten Veräußerungsgeschäften angesetzt worden seien. Eine Zuschätzung von Erlösen sei für das Streitjahr 1999 nicht erfolgt. Für die Streitjahre 2000 und 2002 seien die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen gemäß § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung anhand einer vom Kläger vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertung geschätzt worden.

Auch in der Folgezeit hat der Kläger den Gegenstand seines Klagebegehrens im finanzgerichtlichen Verfahren nicht näher konkretisiert. In der mündlichen Verhandlung vor dem hat er keinen (Klage-)Antrag gestellt.

Vor diesem Hintergrund konnte das FG nicht erkennen, inwieweit die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen, namentlich der Gewerbesteuermessbescheid 1999, die Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide 2000 und 2002 sowie die entsprechenden Einspruchsentscheidungen rechtswidrig sein und den Kläger in seinen Rechten verletzen sollen.

2. Ein Verfahrensmangel liegt des Weiteren auch nicht darin, dass das FG die Klage wegen Einkommensteuer 1999 „mangels Rechtsschutzbedürfnisses” als unzulässig abgewiesen hat.

In dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1999 hat das FA die Einkommensteuer auf 126 688 DM festgesetzt. In der Klageschrift begehrte der Kläger, die Einkommensteuer 1999 auf 138 791 DM festzusetzen.

Da der Kläger mithin die Festsetzung einer gegenüber dem angefochtenen Bescheid höheren Einkommensteuer begehrte, durfte das FG mangels gegenteiliger Anhaltspunkte mit Recht davon ausgehen, dass der Kläger die für das Vorliegen der Klagebefugnis nach § 40 Abs. 2 FGO gebotene Verletzung in eigenen Rechten nicht geltend gemacht hatte (vgl. hierzu z.B. Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 40 FGO Rz 40a ff., m.w.N.).

3. Soweit der Kläger beanstandet, das FG habe seine Pflicht verletzt, den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), genügt diese Rüge nicht den gesetzlichen Anforderungen.

a) Die schlüssige Rüge eines solchen Verfahrensmangels setzt nach ständiger Rechtsprechung u.a. voraus, dass dieser Mangel in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb dem Beteiligten eine solche Rüge nicht möglich war (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 70 i.V.m. Rz 67, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

b) Daran fehlt es im Streitfall.

4. Keinen Erfolg hat ferner die Rüge des Klägers, das FG habe über die Klage entschieden, ohne ihm —dem Kläger— im Termin zur mündlichen Verhandlung die Gelegenheit zu geben, „ggf. noch vorzutragende ergänzende Erläuterungen zur Sache zu erklären”, und das FG habe dadurch seiner Verpflichtung gemäß § 76 Abs. 2 FGO zuwidergehandelt.

a) Inhalt und Umfang der Hinweis- und Aufklärungspflichten sind von der Sach- und Rechtslage im einzelnen Fall abhängig. Hierbei kommt es u.a. maßgebend auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten der Beteiligten an. Je rechtskundiger diese sind, umso geringer ist die Hinweis- und Fürsorgepflicht des Gerichts. Ist der Beteiligte —wie es hier der Kläger vor dem FG war— fachkundig vertreten, so muss das Gericht insbesondere auf offenkundige Umstände nicht hinweisen (vgl. die zahlreichen Nachweise aus der Rechtsprechung des BFH bei Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 76 Rz 55).

b) Nach diesen Maßstäben war das FG nicht gehalten, dem im Termin zur mündlichen Verhandlung durch einen Rechtsanwalt (fachkundig) vertretenen Kläger weitere Hinweise zwecks Ergänzung seines bisherigen Klagevortrages zu geben. Es lag für den Kläger und seinen Prozessbevollmächtigten (auch ohne ausdrücklichen Hinweis des Gerichts) auf der Hand, dass es für eine erfolgreiche Klage sowohl einer Substantiierung des Klagebegehrens und der Klagebegründung als auch eines ergänzenden (spezifizierten) Tatsachenvortrages sowie dessen Nachweises bzw. Glaubhaftmachung bedurfte.

Davon abgesehen hatte das FG den ehemaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits mit Schreiben vom aufgefordert, zu der (ausführlichen) Klageerwiderung des FA Stellung zu nehmen und die „streitigen Aufwendungen” nachzuweisen. Zusätzlich hatte das FG auch den jetzigen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt R, nachdem dieser Einsicht in die dem FG vorliegenden Akten genommen hatte, wiederholt und vergeblich aufgefordert, die Klage zu begründen und zur Klageerwiderung des FA Stellung zu nehmen.

5. Schließlich kann auch die Rüge des Klägers keinen Erfolg haben, das FG habe über die Klage entschieden, ohne zu berücksichtigen, das ihm —dem Kläger— nur eine unzureichende Einsicht in die Akten des FA gewährt und damit sein Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, §§ 96 Abs. 2, 119 Nr. 3 FGO) verletzt worden sei.

a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird für das finanzgerichtliche Verfahren u.a. dadurch verwirklicht, dass die Prozessbeteiligten das Recht haben, die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten (insbesondere der beklagten Behörde) einzusehen (§ 78 FGO). Damit wird gewährleistet, dass die Beteiligten zu den in den vorgelegten und beigezogenen Akten enthaltenen Tatsachen Stellung nehmen können, bevor sie das Gericht zur Grundlage seiner Entscheidung macht (vgl. z.B. Gräber/Koch, a.a.O., § 78 Rz 1a). Falls das Gericht die Akteneinsicht zu Unrecht verweigert, gleichwohl aber die Akten auswertet, liegt ein Verfahrensfehler vor (vgl. z.B. , BFH/NV 2002, 1168, m.w.N.).

b) Die schlüssige Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs —hier durch die angebliche (partielle) Versagung der Akteneinsicht— setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH u.a. die substantiierte Darlegung durch den Beschwerdeführer voraus, dass er den Mangel in der (nächsten) mündlichen Verhandlung gerügt habe bzw. aus welchen —von ihm nicht zu vertretenden Gründen— er an einer solchen Rüge gehindert gewesen sei (vgl. § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung).

An einem dahingehenden (substantiierten) Vortrag mangelt es im Streitfall. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass sein Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem den (vorgeblichen) Mangel der versagten Akteneinsicht gerügt habe. Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus der Sitzungsniederschrift über diesen Termin. Der Kläger hat ferner nicht dargetan, warum er an einer solchen Rüge gehindert gewesen sei.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
KAAAC-81865