Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 286
Instanzenzug: AG Osnabrück, 15 C 465/06 (XXIX) vom LG Osnabrück, 13 S 1/07 vom
Tatbestand
Die Klägerin vertreibt Getränkezubereitungsanlagen an gewerbliche Kunden. Am unterzeichnete die Beklagte auf einem Formular der Klägerin eine von dieser unter dem gleichen Datum bestätigte Bestellung über einen gebrauchten Kaffeeautomaten für 4.050 DM netto. In der Rubrik "Sonstiges" war handschriftlich eingetragen:
"2000 (zzgl. Mehrwertsteuer) Anzahlung !".
Unter den Formularüberschriften "Bestellung" bzw. "Auftragsbestätigung" war folgender Zusatz aufgedruckt:
"Rechtlich losgelöst vom Zustandekommen eines etwaigen Miet-, Leasing- oder Finanzierungsvertrages".
Am gleichen Tage unterzeichnete die Beklagte weiter ein von der Klägerin am gegengezeichnetes und mit "Leasingvertrag V" überschriebenes Formular, in dem besagter Kaffeeautomat als Mietgegenstand bezeichnet und eine Grundmietzeit von 24 Monaten mit einer Mietrate von 105,57 DM netto monatlich eingetragen war. Die Grundmietzeit sollte mit dem auf die Aushändigung des Mietgegenstandes folgenden Monat beginnen und sich nach ihrem Ablauf mit einer Kündigungsfrist von jeweils sechs Monaten auf unbestimmte Zeit verlängern. Ferner unterzeichnete die Beklagte am eine von der Klägerin im Juni 2001 gegengezeichnete Servicevereinbarung betreffend die Beseitigung von Störungen und Schäden durch natürliche Abnutzung bei ordnungsgemäßem Gebrauch der Maschine, die den handschriftlichen Zusatz enthielt:
"12 Monate ohne Berechnung in Verbindung eines Miet/Leasingvertrages ab Aufstellungsdatum !".
Ob es hierbei nur um einen auf Erwerb des Kaffeeautomaten gerichteten Abzahlungskauf gegangen ist, bei dem zusätzlich zur Anzahlung noch die 24 im Leasingvertragsformular fälschlich als Mietraten bezeichneten Teilzahlungsbeträge geleistet werden sollten - so die Beklagte -, oder ob der in der Bestellung liegende Kauf durch das von der Beklagten erst im Mai 2006 gekündigte Leasingverhältnis ersetzt werden sollte - so die Klägerin -, ist zwischen den Parteien streitig.
Die Vorinstanzen haben die auf Zahlung der Leasingraten von Mai bis November 2006 gerichtete Klage abgewiesen und der auf Rückzahlung der Raten für den Zeitraum ab Ablauf der 24-monatigen Grundmietzeit gerichteten Widerklage stattgegeben. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Gründe
Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Die Erklärungen der Beklagten hätten nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Anzahlung, der anschließend geleisteten Monatsraten und des lediglich bei Annahme eines Kaufvertrages kalkulatorisch noch verständlichen Finanzierungszinses sowie nach den Geschäftsbedingungen zum Leasingvertrag, in denen unter anderem ein Eigentumsvorbehalt vorgesehen sei, erkennbar nur auf den Abschluss eines Abzahlungskaufs abgezielt. Der Umstand, dass eines der Formulare mit Leasingvertrag überschrieben sei, sei demgegenüber unerheblich.
II.
Diese Würdigung beanstandet die Revision mit Recht als unvollständig, weil das Berufungsgericht entgegen § 286 ZPO wesentliche tatsächliche Umstände außer Betracht gelassen hat, nach denen nicht auszuschließen ist, dass die Parteien den hinsichtlich der Abwicklung der zweiten Kaufpreishälfte ergänzungsbedürftig gebliebenen Kaufvertrag nicht nur um Abzahlungsmodalitäten ergänzen, sondern ihn wieder aufheben und durch einen auf unbestimmte Zeit laufenden Leasingvertrag ersetzen wollten.
1. Die Revision wendet sich zutreffend dagegen, dass das Berufungsgericht bei seiner Würdigung den Anhaltspunkten für eine mögliche Ersetzung des zunächst zustande gekommenen Kaufvertrages durch die spätere Leasingabrede zu wenig Beachtung geschenkt hat. Zwar ist die Auslegung dieser individualvertraglichen, maßgeblich in handschriftlichen Zusätzen zum Ausdruck gekommenen Verknüpfung der einzelnen Formularverträge Sache des Tatrichters. Der Senat kann lediglich überprüfen, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt worden sind, ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, namentlich wesentliches Auslegungsmaterial unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden ist, oder ob ein Auslegungsergebnis erzielt worden ist, das - ausgehend vom Vertragswortlaut nach Maßgabe des zu erforschenden wirklichen Willens der Vertragsschließenden - den Interessen der Parteien nicht mehr gerecht wird (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 136/04, WM 2005, 1895, unter II 2 a; , NJW 2002, 1878, unter II 1 a m.w.N.). Diesen Maßstäben genügt die Würdigung des Berufungsgerichts jedoch nicht.
Das Berufungsgericht hat für sein Auslegungsergebnis, nach dem die von der Beklagten abgegebenen und von der Klägerin angenommenen Erklärungen so zu verstehen seien, dass die Beklagte das Kaffeezubereitungsgerät für 4.050 DM netto kaufen, 2.000 DM netto anzahlen und die restlichen 2.050 DM netto in 24 Monatsraten zu je 105,57 DM netto abbezahlen sollte, maßgeblich auf die wirtschaftliche Vernunft der Beklagten abgestellt. Denn hiernach hätte die Beklagte das Gerät nach 24 Monaten unter Beendigung weiterer Zahlungspflichten erworben. Dagegen hätte sie nach der von der Klägerin behaupteten Leasing-Lösung, bei der die geleistete Anzahlung in eine angeblich auch so in Rechnung gestellte Leasingsonderzahlung umgewandelt worden wäre, mit gleichem finanziellen Aufwand nach Ablauf der 24-monatigen Grundmietzeit vor der Entscheidung gestanden, den Vertrag unter ersatzloser Rückgabe des Geräts zu beenden oder das Gerät unter Fortzahlung der Leasingraten zu behalten. Die für das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts zweifellos sprechende wirtschaftliche Interessenlage ist jedoch noch nicht geeignet, alle gegenläufigen Auslegungsgesichtspunkte in einer Weise zu verdrängen, dass ihnen von vornherein keine Bedeutung mehr beigemessen zu werden braucht und ihre Würdigung deshalb unterbleiben kann. Das gilt umso mehr, wenn es sich wie hier um Umstände handelt, die - auch wenn sie nach Vertragsschluss liegen - geeignet sein können, ein bestimmtes, bereits bei Vertragsschluss vorherrschendes übereinstimmendes Vertragsverständnis der Parteien zum Ausdruck zu bringen (Senatsurteil vom , aaO, unter II 2 a bb m.w.N.).
Bei diesen vom Berufungsgericht außer Betracht gelassenen Gesichtspunkten geht es namentlich um die in der dafür gestellten Rechnung angeblich vermerkte Bezeichnung der Anzahlung als Leasingsonderzahlung sowie eine Abbuchung der monatlichen Raten als Leasingraten, was die Klägerin jeweils in das Wissen der Zeugin K. gestellt hat. Ferner könnte für die Sichtweise der Klägerin sprechen, dass im handschriftlichen Zusatz der Service-Vereinbarung auf einen Miet-/Leasingvertrag Bezug genommen ist und dass die Beklagte die Zahlungen nicht - wie es nach ihrem Vertragsverständnis an sich zu erwarten gewesen wäre - nach Ablauf von 24 Monaten eingestellt hat. Zumindest wäre zu klären und zu würdigen gewesen, ob und inwieweit eine Hinnahme solcher für einen Leasingvertrag sprechenden Umstände durch die Beklagte einen Rückschluss auf ein bestimmtes Vertragsverständnis der Parteien zulässt oder ob diese Umstände - was auch denkbar erscheint - eher nur als Zeichen einer gewissen Gleichgültigkeit oder Nachlässigkeit der Beklagten bei der Abwicklung des Geschäfts zu werten sind. Keine Bedeutung hat dagegen der vom Berufungsgericht für sein Ergebnis zusätzlich aufgegriffene Eigentumsvorbehalt. Denn das vom Berufungsgericht gewürdigte Zusammentreffen von Leasingvertrag und Eigentumsvorbehalt beruht ersichtlich auf einer Vertauschung der von der Klägerin zu den Akten gereichten Klauselwerke; das von der Beklagten eingereichte Leasingvertragsformular belegt vielmehr, dass dem Leasingvertrag die dazu passenden Bedingungen beigefügt waren.
2. Im Ergebnis zutreffend rügt die Revision weiter, dass das Berufungsgericht dem Beweisantritt auf Vernehmung der Zeugin K. , wonach entsprechend einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen den Parteien der Kaffeeautomat nicht habe gekauft, sondern geleast werden sollen, nicht nachgegangen ist. Die urkundsmäßig belegten Vereinbarungen der Parteien geben zum Verhältnis des zunächst geschlossenen Kaufvertrages und des anschließend von der Klägerin angenommenen Antrages auf Abschluss eines Leasingvertrages zwar aus sich heraus keinen Aufschluss. Ebenso hat die Klägerin nicht näher dargelegt, in welcher Weise, insbesondere durch welche mündlichen Absprachen im Einzelnen das Verhältnis der verschiedenen Verträge in einem bestimmten Sinne geklärt worden sein soll. Im Gegenteil hat die Beklagte sogar unwidersprochen vorgetragen, dass die Vertragsverhandlungen einschließlich des Abschlusses nur mit dem betreffenden Außendienstmitarbeiter der Klägerin geführt worden seien und mit niemand anders, auch nicht mit der benannten Zeugin K. .
Gleichwohl hätte das Berufungsgericht den Zeugenbeweisantritt nicht als von vornherein unerheblich werten dürfen. Es handelt sich bei dem in das Wissen der Zeugin gestellten Willen der Vertragsparteien, den zunächst geschlossenen Kaufvertrag durch den Leasingvertrag zu ersetzen, um eine innere Tatsache, die in der Weise bewiesen werden kann, dass Indizien festgestellt werden, welche den Schluss auf diese Tatsache zulassen (Senatsbeschluss vom - VIII ZB 100/04, NJW 2006, 1808, unter III 2 b; , NJW 1992, 2489, unter II 2). Zwar hätte es für einen erheblichen Beweisantritt noch nicht genügt, die Zeugin K. ohne nähere Darlegung der Umstände lediglich zu einem dahingehenden Parteiwillen zu benennen. Denn bei einem Indizienbeweis darf und muss der Richter vor der Beweiserhebung prüfen, ob der Beweis schlüssig ist. Das wiederum lässt sich nur aus den Umständen herleiten, aus denen sich die Kenntnis über den zu beweisenden Parteiwillen ergeben soll (Senatsurteil vom - VIII ZR 94/82, WM 1983, 825, unter II 3 b). Solche Umstände, die auf eine entsprechende Willensbildung der Parteien zu Verhältnis und Bedeutung der getroffenen Vertragsabreden schließen lassen könnten, sind von der Klägerin aber in Bezug auf die Rechnungsstellung zur Sonderzahlung sowie ihre anschließende Abbuchungspraxis vorgetragen worden. Das Berufungsgericht hätte diese Indizien deshalb zumindest auf ihre Tauglichkeit überprüfen und bei Bejahung den Zeugenbeweis erheben müssen.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben und ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist wegen der nachzuholenden Feststellungen und der danach erneut vorzunehmenden Würdigung der Vertragsumstände noch nicht zur Endentscheidung reif. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Fundstelle(n):
DAAAC-81811
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein