BGH Urteil v. - 3 StR 53/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: LG Hildesheim, vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Wohnungseinbruchsdiebstahls in fünf Fällen (Fälle 1 bis 5 der Anklage, vgl. VII. 1. a) bis e) der Urteilsgründe) sowie des wahlweise erhobenen Vorwurfs des Wohnungseinbruchsdiebstahls oder der Hehlerei in drei Fällen (Fälle 9 bis 11 der Anklage nebst Nachtragsanklage, vgl. VII. 1. f) bis i) der Urteilsgründe) freigesprochen. Gegen den Freispruch in den Fällen 5 und 9 bis 11 der Anklage richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit sachlichrechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel hat Erfolg, da die Beweiswürdigung des Landgerichts Rechtsfehler aufweist.

1. Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen zu verschaffen, obliegt allein dem Tatrichter. Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Es ist ihm verwehrt, sie durch eine eigene zu ersetzen oder sie etwa nur deshalb zu beanstanden, weil aus seiner Sicht eine andere Bewertung der Beweise näher gelegen hätte. Vermag der Tatrichter vorhandene, wenn auch nur geringe Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten nicht zu überwinden, so kann das Revisionsgericht dies nur auf Rechtsfehler überprüfen, insbesondere darauf, ob die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, die Beweismittel nicht ausschöpft, Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze aufweist oder ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 13 und Überzeugungsbildung 33; BGH NStZ 2000, 48; BGH wistra 2002, 260, 261). Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11, 24).

2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht.

a) Für den Freispruch im Fall 5 der Anklage gilt Folgendes: Nach den Feststellungen war der Angeklagte in der Nacht des Beifahrer in einem von dem Mitangeklagten B. gesteuerten VW Golf. Sie wurden von einer Polizeistreife gestellt, nachdem der Mitangeklagte einen Wohnungseinbruchsdiebstahl begangen hatte und mit dem Fahrzeug auf dem Rückweg war. Der Angeklagte hat sich gegen den Vorwurf, an dem Wohnungseinbruchsdiebstahl beteiligt gewesen zu sein, mit der Behauptung verteidigt, der Mitangeklagte habe ihn am Abend zu einer Probefahrt aufgefordert, um zum einen technische Probleme am VW Golf zu überprüfen und zum anderen ein weiteres Fahrzeug, das der Mitangeklagte kaufen wollte, zu besichtigen. Der Mitangeklagte habe in dem Ort V. den Wagen alleine verlassen, er - der Angeklagte - habe ca. 20 Minuten bis gegen 21.43 Uhr in dem VW Golf gewartet, dann sei der Mitangeklagte zurückgekommen und habe mitgeteilt, das zum Kauf in Aussicht genommene Fahrzeug könne heute nicht probegefahren werden. Das Landgericht ist der Auffassung, die Einlassung sei nicht zu widerlegen, weil weitere Beweise oder Indizien nicht zur Verfügung stünden.

Dies lässt zum einen besorgen, die Strafkammer habe dem Grundsatz keine Bedeutung geschenkt, dass es der Zweifelssatz nicht gebietet, dem Urteil Behauptungen des Angeklagten zu Grunde zu legen, die zwar nicht durch gegenläufige Beweise zu widerlegen sind, für deren Richtigkeit sich aber andererseits keinerlei Anhaltspunkte im festgestellten Sachverhalt ergeben (st. Rspr.; vgl. BGH NJW 1995, 2300; NStZ 1999, 205; NJW 2002, 1057, 1059; 2002, 2188, 2189; 2003, 2179). Unabhängig hiervon erweist sich die Beweiswürdigung des Landgerichts aber jedenfalls als lücken- und damit rechtsfehlerhaft, weil sie sich mit mehreren Besonderheiten und Beweisanzeichen nicht auseinandersetzt, die mit nicht geringem Gewicht für eine Tatbeteiligung des Angeklagten sprechen können und auf deren Erörterung vor der Anwendung des Zweifelssatzes daher aus Rechtsgründen nicht verzichtet werden durfte.

Das Landgericht hätte erwägen müssen, dass ein Einbrecher wohl kaum einen Unbeteiligten unter einem Vorwand zum Tatort mitnimmt, ihn dort warten lässt und dann vor seinen Augen mit Diebesbeute zurückkehrt. Zudem sind im Keller der Freundin des Angeklagten in einem diesem zuzuordnenden Bereich zahlreiche Schmuckstücke gefunden worden, die aus der Beute anderer Wohnungseinbruchsdiebstähle stammten. Weiterhin ist der Angeklagte bereits mehrfach und erheblich wegen Diebstahls im erschwerten Fall verurteilt worden. Hinzu kommt, dass nach den Feststellungen die Beute, ein Münzalbum, Schmuckstücke und Geld, auf der Flucht vor der Polizei aus dem Wagen geworfen worden ist. Das Münzalbum konnte Tage später am Randstreifen einer Autobahnauffahrt, demnach am rechten Straßenrand der Autobahn aufgefunden werden. Es liegt nicht fern, dass die bei hoher Geschwindigkeit vorgenommene Entäußerung der Beute unter Mithilfe des Angeklagten geschehen ist, was ebenfalls auf dessen Mitwirkung schließen ließe. Alle diese Umstände hätten nicht nur isoliert, sondern auch in einer sie alle umfassenden Gesamtwürdigung auf ihre Bedeutung für die Überzeugungsbildung von der Schuld des Angeklagten untersucht werden müssen.

b) Für den Freispruch vom Vorwurf dreier weiterer Einbruchsdiebstähle (Fälle 9 bis 11 der Anklage) bzw. entsprechender Hehlereitaten an den aufgefundenen Beutestücken gilt Folgendes: Hier hat sich der Angeklagte mit der Einlassung verteidigt, die Schmuckstücke auf einem Flohmarkt in Unkenntnis ihrer Herkunft erworben zu haben. Diese Einlassung ist nach Auffassung des Landgerichts ebenfalls nicht zu widerlegen.

Hier führt bereits die Aufhebung des Urteils im Fall 5 der Anklage zur Aufhebung des Freispruchs, da nicht auszuschließen ist, dass sich das Landgericht bei einer Verurteilung im Fall 5 im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung auch von der Täterschaft des Angeklagten in den Fällen 9 bis 11 überzeugt hätte, insbesondere da das Landgericht diese Fälle nur isoliert betrachtet und dabei ausgeblendet hat, dass mit der Festnahme des Angeklagten am im Umfeld eines Einbruchsdiebstahls ein weiteres Beweisanzeichen für eine strafbare Erlangung der sichergestellten Schmuckstücke vorhanden ist.

3. Rein vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass eine Wahlfeststellung nach ständiger Rechtsprechung voraussetzt, dass die mehreren möglichen, einander ausschließenden Verhaltensweisen rechtsethisch und psychologisch gleichartig bzw. gleichwertig sind (vgl. BGHR StGB § 260 Wahlfeststellung 1 m. w. N.). Daher käme nur eine Wahlfeststellung zwischen dem - im Wohnungseinbruchsdiebstahl enthaltenen - einfachen Diebstahl (§ 242 Abs. 1 StGB) und Hehlerei, nicht aber zwischen Wohnungseinbruchsdiebstahl und Hehlerei in Betracht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
VAAAC-81750

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