BFH Beschluss v. - IX B 252/07

Verfahrensrüge wegen Übergehens eines Klageantrags

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug:

Gründe

I. Von der Darstellung des Sachverhalts sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ab.

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) machen einen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 96 Abs. 1 FGO geltend. Sie rügen, das Finanzgericht (FG) habe nicht über ihren Klageantrag zu 3 aus dem Schriftsatz vom —Auflösungsverlust i.S. von § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes beim Kläger im Veranlagungszeitraum 1996, hilfsweise 1997— entschieden.

Im Tatbestand seines —ausweislich des in den FG-Akten befindlichen Urteilstenors und im Gegensatz zur Urteilsausfertigung— ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteils verweist das FG vor der expliziten Behandlung des Antrags zu 2 aus der Klage lediglich darauf, dass über andere Sachverhalte inzwischen Einigkeit erzielt worden sei. Im finanzgerichtlichen Verfahren haben die Kläger hinsichtlich des Klageantrags zu 3 mit Schriftsatz vom erklärt, dass „der Betrag auch nach Auffassung des Beklagten in Höhe von 15.000,00 DM in 2000 als Verlust aus § 17 berücksichtigt werden” müsse. „Würde das Finanzamt hier konform gehen, könnten die entsprechenden Anträge gestellt werden und das Verfahren abschichtungsweise erledigt werden.” Hierauf hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) mit Schriftsatz vom erwidert, der Nachweis für die vollständige Einzahlung des Stammkapitals für die GmbH (Klageantrag zu 3) sei nicht erbracht. Aktenkundig sei lediglich, dass am in Zusammenhang mit der GmbH eine Zahlung über 172 000 DM erfolgt sei. Ob es sich dabei um die Einzahlung von Stammkapital handelte, sei offen. Hinsichtlich des Entstehungszeitpunktes bestehe nunmehr Einigkeit, so dass vorbehaltlich des Nachweises der Höhe nach einer Verlustberücksichtigung im Jahr 2000 nichts entgegenstehe.

Das FA macht insoweit geltend, es habe kein Streit mehr darüber bestanden, dass der Auflösungsverlust für die GmbH im Jahr 2000 zu berücksichtigen sei, so dass auch das FG darüber nicht mehr habe entscheiden müssen.

II. 1. Die Beschwerde ist zulässig.

Zwar ist das Übergehen eines Sachantrags grundsätzlich nicht mit der Verfahrensrüge nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, sondern nur mit einem Antrag auf Ergänzung des Urteils nach § 109, § 113 Abs. 1 FGO zu korrigieren (vgl. , BFH/NV 2004, 178, m.w.N.). § 109 FGO gilt aber nur, wenn ein nach dem Tatbestand von einem Beteiligten gestellter Antrag bei der Entscheidung übergangen worden ist. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils ist jedoch gerade der Klageantrag zu 3 nicht wiedergegeben, auch nicht durch eine Bezugnahme auf den Schriftsatz der Kläger vom .

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Kläger das im Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils nicht wiedergegebene Begehren durch Antrag nach § 108 FGO auf Berichtigung des Tatbestands hätte geltend machen müssen. Denn § 108 FGO ist auf Urteile, die —wie im Streitfall— ohne mündliche Verhandlung ergangen sind, nicht anwendbar (herrschende Meinung, z.B. , BFH/NV 2000, 852; Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 108 FGO Rz 5, jeweils m.w.N.). Die unzutreffende Darstellung des Sach- und Streitstands im Tatbestand eines ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteils ist als Verfahrensrüge im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geltend zu machen (, BFH/NV 2004, 178).

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Sie führt gemäß § 116 Abs. 6 FGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Denn das FG hat verfahrensfehlerhaft über den Klageantrag zu 3 nicht entschieden.

Nach § 116 Abs. 6 FGO i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO kann der BFH auf die Nichtzulassungsbeschwerde das finanzgerichtliche Urteil aufheben und den Rechtsstreit an das FG zurückverweisen, wenn der geltend gemachte Verfahrensmangel vorliegt und die Entscheidung des FG auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann.

a) Ein Verfahrensmangel setzt voraus, dass das Gericht eine Verfahrensvorschrift falsch oder zu Unrecht nicht angewandt hat.

Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Hierzu gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten einschließlich der von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze (, BFH/NV 1999, 640).

b) Die Entscheidung über den Klageantrag zu 3 war auch nicht deshalb entbehrlich, weil zwischen den Parteien Einigkeit darüber bestand, dass der streitige Verlust erst im Jahr 2000, d.h. nicht im Streitjahr, zu berücksichtigen war. Insoweit liegt keine übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien hinsichtlich des Klageantrags zu 3 vor. Vielmehr stellen die Kläger im Schriftsatz vom eine solche Erledigungserklärung lediglich als Möglichkeit in Aussicht. Sie lassen nicht erkennen, ihr Rechtsschutzbegehren hinsichtlich dem Klageantrag zu 3 aufgeben zu wollen. Auch hat das FG die Erledigung nicht festgestellt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
TAAAC-81434