BFH Beschluss v. - III B 90/06

Verlustabzug nach § 10d EStG ist bei der Ermittlung der Einkünfte/Bezüge nach § 33a EStG nicht zu berücksichtigen

Leitsatz

Bei der Ermittlung der nach § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG anzurechnenden Einkünfte/Bezüge der unterhaltenen Person ist der Einkünftebegriff des § 2 Abs. 2 EStG maßgebend. Das hat zur Folge, dass der Verlustabzug nach § 10d EStG nicht zu berücksichtigen ist, da er nicht die Ermittlung der Einkünfte betrifft, sondern es aus Gründen der Steuergerechtigkeit ermöglicht, den negativen Gesamtbetrag der Einkünfte eines Jahres mit positiven Ergebnissen früherer oder nachfolgender Jahre steuerwirksam zu saldieren. An dieser Auslegung hat sich auch durch die Entscheidung des BVerfG zur Minderung der Einkünfte des Kindes durch die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen () nichts geändert. Das BVerfG hat die Auffassung des BFH bestätigt, dass vom Begriff der Einkünfte in § 2 Abs. 2 EStG auszugehen ist.

Gesetze: EStG § 10d, EStG § 33a

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist im Streitjahr 1999 mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 1999 die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für seinen Sohn (Lebenshaltungskosten sowie vom Kläger getragene Kosten der Rechtsanwaltspraxis des Sohnes) nicht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch Urteil vom   8 K 1375/03 E (Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1427) als unbegründet ab.

Es führte im Wesentlichen aus, die Unterhaltsleistungen seien bereits wegen der Höhe der eigenen Einkünfte des Sohnes nicht steuermindernd zu berücksichtigen (§ 33a Abs. 1 Satz 4 EStG). Da der Sohn Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Rechtsanwalt in Höhe von 16 669 DM erzielt habe, überstiegen die Einkünfte den Betrag von 1 200 DM um 15 469 DM. Um diesen Betrag vermindere sich der in § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG aufgeführte höchstmögliche Abzugsbetrag in Höhe von 13 020 DM mit der Folge, dass der Kläger keinen Abzug von Unterhaltsaufwendungen steuerrechtlich geltend machen könne.

Entgegen der Auffassung des Klägers vermindere sich der zu berücksichtigende Betrag der Einkünfte aus selbständiger Arbeit nicht durch einen Verlustvortrag i.S. von § 10d EStG in Höhe von 12 447 DM, wie er bei der Einkommensteuerveranlagung des Sohnes im Einkommensteuerbescheid 1999 vom berücksichtigt worden sei. Denn maßgebend seien nur die innerhalb des jeweiligen Steuerabschnitts (Veranlagungszeitraums) erzielten Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 2 EStG. § 10d EStG ermögliche aus Gründen der Steuergerechtigkeit eine Durchbrechung der Abschnittsbesteuerung. Sie beseitige aber nicht die Regelung in § 2 EStG, wonach grundsätzlich im jeweiligen Besteuerungsabschnitt die Einkünfte gemäß § 2 Abs. 2 EStG zu berechnen seien.

Der (BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260) führe zu keiner anderen Beurteilung. Das BVerfG habe es lediglich für unzulässig gehalten, die vom Arbeitgeber abgeführten und deshalb nicht in den Verfügungsbereich des Arbeitnehmers gelangten Sozialversicherungsbeiträge in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen. Die erzielten Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Rechtsanwalt in Höhe von 16 669 DM hätten dem Sohn aber grundsätzlich für den laufenden Unterhalt zur Verfügung gestanden.

Der Kläger begehrt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Er trägt im Wesentlichen vor, es sei die Rechtsfrage zu klären, ob bei der Ermittlung der „anderen Einkünfte” der unterhaltenen Person Verlustvorträge zu berücksichtigen seien. Es sei bisher lediglich entschieden worden, dass unter „Einkünften” nicht das „Einkommen” i.S. des § 2 Abs. 4 EStG oder das „zu versteuernde Einkommen” i.S. des § 2 Abs. 5 EStG zu verstehen sei. Die Verlustabzüge verminderten aber bereits den Umfang des „Gesamtbetrages der Einkünfte”. Das „Einkommen” werde erst in einem darauf folgenden Rechenschritt bestimmt.

Insbesondere bei den Einkunftsarten Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit stünden die Einkünfte in einem Geschäftsjahr in engem Zusammenhang mit dem Umfang der Einkünfte des Vorjahres und des Folgejahres. Aufgrund der Einräumung des Verlustabzugs gehe der Gesetzgeber typisierend davon aus, dass nur die nach Abzug des Verlustes verbleibenden Einkünfte dem Einkünfte Erzielenden zur Verfügung stünden.

Ferner sei zu klären, inwieweit sich die vom BVerfG in seiner Entscheidung in BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 geforderte verfassungskonforme Auslegung des Einkünftebegriffs auf andere Positionen als die Sozialversicherungsbeiträge auswirke. Nach der Entscheidung des BVerfG seien nur solche Einkünfte des Unterhaltsverpflichteten anzurechnen, die den zum Unterhalt Verpflichteten effektiv entlasten könnten. Es sei daher zu klären, ob Positionen in der Jahresabschlussbilanz des Unternehmens eines unterstützten selbständigen Unterhaltsberechtigten, deren Realisierung ungewiss sei (offene Forderungen), bei der Ermittlung der Einkünfte berücksichtigt werden dürften. Denn ebenso wenig wie abgeführte Sozialversicherungsbeiträge könnten zum Zeitpunkt der Unterhaltsleistung nicht realisierte Forderungen eine effektive Entlastung des Unterhaltsberechtigten bewirken. Im Übrigen habe das FG nicht einmal die Krankenkassenbeiträge und die zwingend zu entrichtenden Beiträge an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte berücksichtigt.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Im Streitfall liegt weder der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) noch des Erfordernisses einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  Alternative 1 FGO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) vor. Die aufgeworfenen Rechtsfragen, inwieweit Einkünfte des Sohnes gemäß § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG 1999 die Abziehbarkeit der Unterhaltsleistungen des Klägers vermindern bzw. nach welcher Methode solche Einkünfte i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG zu bestimmen sind, sind nicht klärungsbedürftig, da sich die Antwort ohne weiteres aus dem Gesetz und der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt.

Der Begriff der Einkünfte in § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG 1999 entsprach auch vor der ausdrücklichen Verweisung auf § 32 Abs. 4 Satz 2 und 4 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2002 dem dort enthaltenen Einkünftebegriff mit der Folge, dass für die Auslegung des § 33a Abs. 4 Satz 4 EStG 1999 auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zurückgegriffen werden kann.

Danach sind unter dem Begriff der Einkünfte entsprechend der Definition in § 2 Abs. 2 EStG bei Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit der Gewinn (§§ 4 bis 7k) und bei anderen Einkunftsarten der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 8 bis 9a) zu verstehen. Bei Einkünften aus selbständiger Arbeit ist der Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 EStG der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen bzw. bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (vgl. , BFH/NV 2005, 24, und vom VIII R 35/04, BFHE 207, 318, BFH/NV 2005, 293). Im Streitfall ist daher gemäß § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG der durch Bestandsvergleich ermittelte Gewinn des Sohnes anzurechnen. Wegen der Anknüpfung an den Einkünftebegriff in § 2 Abs. 2 EStG kann der Gewinn für die Anrechnung gemäß § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG nicht korrigiert werden um in der Bilanz aktivierte Forderungen, die möglicherweise nicht realisiert werden können.

Da der Einkünftebegriff des § 2 Abs. 2 EStG maßgebend ist, sind im Veranlagungszeitraum entstandene Verluste mit positiven Einkünften derselben oder einer anderen Einkunftsart auszugleichen. Dagegen ist der Verlustabzug nach § 10d EStG nicht zu berücksichtigen, da er nicht die Ermittlung der Einkünfte betrifft, sondern es aus Gründen der Steuergerechtigkeit ermöglicht, den negativen Gesamtbetrag der Einkünfte eines Jahres mit positiven Ergebnissen früherer oder nachfolgender Jahre steuerwirksam zu saldieren (vgl. , BFHE 196, 504, BStBl II 2002, 250). Die 1999 erzielten —positiven— Einkünfte des Sohnes des Klägers wurden somit zwar unter Durchbrechung der Abschnittsbesteuerung von der Besteuerung ausgenommen. Dies wirkt sich jedoch nicht bei den Voraussetzungen für den Abzug der Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung im Streitjahr aus (vgl. BFH-Urteil in BFHE 196, 504, BStBl II 2002, 250, und , BSGE 88, 117, sowie Helmke in Helmke/ Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, § 32 EStG Rz 93; Seiler in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 32 Rz 17).

An dieser Auslegung hat sich auch durch die Entscheidung des BVerfG zur Minderung der Einkünfte des Kindes durch die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260) nichts geändert. Das BVerfG hat die Auffassung des BFH bestätigt, dass vom Begriff der Einkünfte in § 2 Abs. 2 EStG auszugehen ist. Eine andere Auslegung, die von der tradierten, steuerrechtlichen Terminologie abwiche, würde nach Auffassung des BVerfG zu Wortlaut und systematischem Zusammenhang der Norm treten und damit auch zum klar geäußerten Willen des Gesetzgebers.

Nach der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 (unter B. II. 3. der Gründe) ist im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung allerdings der Relativsatz „die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind” nicht nur auf Bezüge, sondern auch auf Einkünfte des Kindes zu beziehen. Nicht als Einkünfte anzusetzen seien daher jedenfalls diejenigen Beträge, die —wie die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge— von Gesetzes wegen dem Einkünfte erzielenden Kind oder dessen Eltern nicht zur Verfügung stünden und deshalb die Eltern finanziell nicht entlasten könnten. Das FG hat hierzu festgestellt, dass die vom Sohn erzielten Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Rechtsanwalt in Höhe von 16 669 DM grundsätzlich für den laufenden Unterhalt des Sohnes zur Verfügung standen.

2. Soweit der Kläger erstmals im Beschwerdeverfahren rügt, nach den Grundsätzen der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 seien die Beiträge seines Sohnes für die Krankenversicherung und an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte von den Einkünften abzusetzen, ist die Beschwerde bereits unzulässig. Denn der Kläger hat nicht dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), dass die Nichtberücksichtigung der Beiträge zur Krankenversicherung und zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte entscheidungserheblich ist. Mangels Angabe der Höhe der Beiträge ist nicht erkennbar, ob ihre Berücksichtigung einen (Teil-)Abzug nach § 33a Satz 4 EStG ermöglicht hätte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1318 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 26/2008 S. 2414
NWB-Eilnachricht Nr. 32/2008 S. 13
VAAAC-81416