Überprüfung einer Ermessensentscheidung durch das FG
Gesetze: FGO § 76
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) sind entweder nicht schlüssig gerügt bzw. sie liegen nicht vor.
1. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO und damit ein Verfahrensfehler kann gegeben sein, wenn das Finanzgericht (FG) seine Entscheidung nicht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Diese Vorschrift ist daher dann verletzt, wenn das FG den Inhalt der ihm vorliegenden Akten nicht vollständig und einwandfrei berücksichtigt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom X B 6/07, BFH/NV 2007, 1921, m.w.N.).
Die schlüssige Rüge eines solchen Verfahrensverstoßes setzt u.a. voraus, dass der Kläger den nach seiner Ansicht übergangenen Vortrag und die übergangenen Beweismittel genau angeben muss, wozu auch die Angabe der Fundstelle in den Verfahrensakten gehört (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom I B 138/04, BFH/NV 2005, 2212, und vom V B 192/05, BFH/NV 2006, 2097). Dem genügt die Beschwerdebegründung nicht.
a) Der Kläger macht geltend, das FG habe bei seiner Annahme, wonach der rechtskundig vertretene Kläger nicht habe darauf vertrauen dürfen, dass Anträge, die darauf abzielen, die Frist für die Abgabe einer Steuerklärung über den 28. Februar des dem Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahrs hinausgehend zu verlängern, von der Finanzbehörde stillschweigend genehmigt werden. Es habe unberücksichtigt gelassen, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) bezogen auf den Kläger und auch auf andere Mandanten, die der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers vertreten habe, solchen Anträgen in der Vergangenheit stillschweigend entsprochen habe.
Dieser Vortrag ist nicht ausreichend. Er zeigt nicht auf, welchen konkreten Fristverlängerungsanträgen das FA entsprochen hat. Auch werden in der Beschwerdebegründung die Fundstellen in den Akten nicht benannt, aus denen sich (angeblich) diese Verwaltungsentscheidungen ergeben. Zudem legt die Beschwerdebegründung nicht dar, mit welcher Begründung diese Fristverlängerungsanträge versehen waren. Denn das FG ist in materiell-rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass über den 28. Februar des übernächsten Folgejahres hinausgehenden Fristverlängerungsanträgen nur dann zu entsprechen war, wenn in schlüssiger und glaubwürdiger Weise ein Grund dargelegt wurde, dem Fristverlängerungsantrag zu entsprechen. Ausgehend hiervon hätte in der Beschwerdebegründung auch ausgeführt werden müssen, dass hinsichtlich der Begründung der in der Vergangenheit (angeblich) stillschweigend genehmigten Fristverlängerungsanträge maßgebliche Unterschiede zu dem vorliegend zu beurteilenden Fristverlängerungsantrag nicht bestanden haben.
b) Auch der Einwand, das FG habe entgegen der Aktenlage angenommen, der Kläger habe durch die verspätete Abgabe der Steuererklärung einen finanziellen Vorteil erzielt, ist nicht in ausreichender Weise dargelegt. Der Kläger hat nicht die (angebliche) Fundstelle aus den den Streitfall betreffenden Akten angegeben, aus der sich ergibt, dass er mit der am erfolgten Abgabe seiner Steuererklärung zugleich vorzeitig die im Falle der antragsgemäßen Veranlagung geschuldete Steuernachzahlung entrichtet hat.
2. Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) und damit ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO mit der Begründung geltend gemacht, das FG hätte den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufklären müssen, so sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH u.a. auch Ausführungen dazu erforderlich, aus welchen genau bezeichneten Gründen sich dem FG eine weitere Sachverhaltsaufklärung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen (Senatsbeschluss vom X B 143/06, BFH/NV 2007, 1692).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. In dieser wird vorgebracht, das FG sei nach der Rechtsprechung (, BFHE 118, 537, BStBl II 1976, 499) bei der Überprüfung einer Ermessensentscheidung der Finanzbehörde nicht gehindert, die maßgebenden Tatsachen und Beweismittel abweichend von dieser Behörde festzustellen bzw. zu würdigen. Aus diesem Grund sei das FG gehalten gewesen, zu überprüfen, wie das FA in der Vergangenheit mit Fristverlängerungsanträgen verfahren sei, welche Zeiträume nach dem 28. Februar des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahrs betroffen hätten.
Aus dem zuletzt genannten BFH-Urteil ergibt sich nur, dass das FG bei der Überprüfung einer Ermessensentscheidung nicht an die von der Finanzbehörde getroffenen Tatsachenfeststellungen gebunden ist. Hieraus folgt indessen nicht, dass sich dem FG in Fällen der Überprüfung einer Ermessensentscheidung stets eine weitere Sachaufklärungspflicht aufdrängen muss. Insbesondere ist das FG nicht gehalten, von sich aus aus den Akten Gründe herauszusuchen, die evtl. eine Fristverlängerung für die Abgabe einer Steuererklärung rechtfertigen könnten (, BFH/NV 2001, 1369). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige rechtskundig vertreten ist. Aus diesem Grund hätte der Kläger darlegen müssen, aufgrund welcher besonderen, im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragenen Umstände sich dem FG eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Dies ist vorliegend nicht geschehen.
Soweit der Kläger geltend macht, das FG sei im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung gehalten gewesen, Feststellungen dazu zu treffen, ob der klägerische Vortrag im Fristverlängerungsantrag vom , wonach die ursprüngliche Terminplanung wegen nicht vorhersehbarer Krankheit und Kur von drei Mitarbeiterinnen völlig durcheinander geraten sei, näher zu überprüfen, wird ein Verfahrensfehler nicht schlüssig gerügt. Eine Sachaufklärung durch das FG ist nur dann erforderlich, wenn es ausgehend vom Rechtsstandpunkt des FG hierauf ankommt. Das FG hat aber in seinem Urteil den Rechtsstandpunkt eingenommen, die vorgetragenen Gründe seien nicht ausreichend, um dem Fristverlängerungsantrag entsprechen zu können.
Soweit der Kläger vorbringt, das FG habe versäumt zu prüfen, ob durch die verspätete Abgabe der Steuererklärung das Veranlagungsgeschäft beim FA gestört worden sei, macht er keinen Verfahrensfehler geltend. Vielmehr rügt er, dass das FG diesem Gesichtspunkt in materiell-rechtlicher Hinsicht keine Bedeutung beigemessen habe. Materiell-rechtliche Fehler sind aber regelmäßig für die Zulassung der Revision nicht ausreichend (siehe hierzu auch unten bei 4.).
3. Die Revision ist auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen. Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift ist dann gegeben, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt. Keine Abweichung liegt hingegen vor, wenn das FG erkennbar von der BFH-Rechtsprechung ausgeht, diese aber fehlerhaft auf die Besonderheiten des Streitfalls anwendet (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 53 ff., m.w.N. aus der Rechtsprechung).
a) Der Kläger macht geltend, das Urteil des beschließenden Senats vom X R 24/95 (BFHE 192, 32, BStBl II 2000, 514) enthalte den Rechtssatz, dass ein Antrag, mit dem ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe über die generell bzw. in einem vereinfachten Verfahren eröffnete Möglichkeit, über den 29. Februar…hinaus, Fristverlängerung begehrt, wegen seines Ausnahmecharakters einer besonderen substantiierten Begründung bedürfe. Die Verwaltungsentscheidung, durch die ein solcher Ausnahmeantrag abgelehnt werde, könne allein deshalb ermessensfehlerhaft sein, weil ihre schriftliche Begründung zu einem bestimmten, die begehrte Ausnahmeregelung möglicherweise rechtfertigenden Vorbringen keine Ausführungen enthalte. Demgegenüber habe das FG entschieden, das FA habe die rückwirkende Fristverlängerung ermessensfehlerfrei abgelehnt. Es habe die vorgetragenen Gründe unberücksichtigt gelassen, die typischerweise alle Personen treffen, die einen steuerberatenden Beruf ausüben. Derlei Gründe wie Arbeitsüberlastung wegen der Erkrankung von Mitarbeitern und Belastungen durch laufende Einspruchs- und Klageverfahren aus den Vorjahren seien durch die bis zum gewährten Fristverlängerungen abgegolten. Die vorgetragenen Gründe für die begehrte Fristverlängerung seien zu Recht nicht als unvorhergesehen angesehen worden.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Kläger keine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO auf. Denn auch nach dem Vortrag des Klägers hat das FG nicht den Rechtssatz aufgestellt, es sei nicht erforderlich, dass das FA in seiner ablehnenden Entscheidung auf einzelne Punkte, die der Kläger zur Begründung seines Antrags vorgebracht hat, eingehen muss. Vielmehr ist das FG ausweislich der Urteilsbegründung (S. 4 des angefochtenen Urteils) von der zitierten Rechtsprechung des beschließenden Senats ausgegangen. Das FG hat lediglich einzelfallbezogen zum Ausdruck gebracht, die Begründung, die das FA zu dem Vorbringen des Klägers gegeben hat, sei nicht zu beanstanden.
b) Der Kläger macht ferner geltend, der beschließende Senat habe in seinem Urteil vom X R 83/98 (BFHE 195, 558, BStBl II 2001, 618) den Rechtssatz aufgestellt, der Verspätungszuschlag habe präventiven Charakter. Er diene dazu, den Steuerpflichtigen zur künftigen fristgerechten Abgabe seiner Steuererklärung anzuhalten. Demgegenüber werde das angefochtene Urteil von dem Rechtssatz getragen, auf das Abgabeverhalten der Folgejahre sei nicht zwingend abzustellen, es genüge auf das Abgabeverhalten der Vorjahre abzustellen.
Eine Divergenz liegt im Streitfall nicht vor. Der Kläger gibt die rechtlichen Ausführungen des FG nur unzureichend wieder. Es hat im Zusammenhang mit den vorstehend vom Kläger wiedergegebenen rechtlichen Ausführungen ausdrücklich betont, der Verspätungszuschlag sei ein Druckmittel zur Sicherung eines zukünftig ordnungsgemäßen Veranlagungsverfahrens. Diese Aussage deckt sich im Ergebnis mit den Ausführungen des beschließenden Senats in seinem zuletzt genannten Urteil. Das FG hat lediglich einzelfallbezogen ausgeführt, dass bei mehrfach verspäteter Abgabe der Steuererklärungen in den Vorjahren die rechtzeitige Abgabe in einem Folgejahr den Einsatz eines am unteren Rand bemessenen Verspätungszuschlags nicht entbehrlich macht. Auch mit dieser Aussage weicht das FG nicht von den tragenden Erwägungen des genannten Senatsurteils ab.
4. Auch soweit der Kläger geltend macht, das angefochtene Urteil sei aus mehreren Gründen in materiell-rechtlicher Hinsicht fehlerhaft, kommt eine Zulassung der Revision nicht in Betracht. Die Revision ist wegen materiell-rechtlicher Fehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nur in Ausnahmefällen zuzulassen. Dies ist nur dann der Fall, wenn das angefochtene Urteil derart schwere Fehler aufweist, dass die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (Senatsbeschluss vom X B 120/05, BFH/NV 2006, 779). Solche Fehler zeigt der Kläger mit seinem Vorbringen, das FG habe nicht berücksichtigt, dass durch die verspätete Abgabe der Steuererklärung der Veranlagungsprozess nicht gestört worden sei und dass der Kläger keinen finanziellen Vorteil erlangt habe, nicht auf. Nichts anderes gilt für das Vorbringen, hinsichtlich der Höhe des Verspätungszuschlags sei die persönliche Leistungsfähigkeit des Klägers und die Frage, ob dieser schuldhaft gehandelt habe, nur unzureichend gewürdigt worden.
Fundstelle(n):
DAAAC-81393