Keine steuerliche Anerkennung einer rückwirkenden Mietanpassung unter nahen Angehörigen aufgrund einer Wertsicherungsklausel mangels tatsächlicher Durchführung
Leitsatz
Gilt die in einem Mietvertrag unter nahen Angehörigen vereinbarte Mietanpassung entsprechend einer - zunächst schwebend unwirksamen - Wertsicherungsklausel rückwirkend als genehmigt, kann die Mietanpassung gleichwohl steuerlich nicht rückwirkend anerkannt werden, wenn sie über lange Zeit (hier: über 18 Jahre) nicht geltend gemacht und der Mietvertrag insoweit nicht entsprechend der Vereinbarung durchgeführt wurde. Das steuerliche Rückwirkungsverbot greift nicht ein, wenn eine klare und eindeutige vertragliche Abrede zunächst schwebend unwirksam ist und der Schwebezustand nach den zivilrechtlichen Vorgaben rückwirkend beendet wird.
Gesetze: EStG § 4 Abs. 4
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt eine Bäckerei. Er hat seine Betriebsräume von seiner Ehefrau mit Mietvertrag vom , der zunächst fest auf die Dauer von 15 Jahren abgeschlossen war und sich danach jeweils um ein viertel Jahr verlängerte, angemietet. Die monatliche Miete betrug 8 000 DM zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer. Laut § 4 des Mietvertrags war in dieser „Bruttomiete” ein Pauschalbetrag von 1 500 DM für die Nebenkosten enthalten. Hinsichtlich der „Kaltmiete” wurde in § 5 des Mietvertrags eine Wertsicherungsklausel vereinbart. Danach sollte sich die Kaltmiete in demselben prozentualen Verhältnis verändern wie der vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden für die gesamte Bundesrepublik amtlich festgestellte und fortgeführte Lebenshaltungskostenindex für die mittlere Verbrauchergruppe. Veränderungen des Indexes von weniger als 5 % sollten außer Betracht bleiben. Die Kaltmiete sollte sich mit Beginn des Monats ändern, in dem eine Veränderung des Indexes um 5 % oder mehr vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden festgestellt wird. Unterhalb der Überschrift „§ 5 Wertsicherungsklausel” befindet sich ein —in Klammern gesetzter— Hinweis, dass die Wertsicherungsklausel nur gültig ist, wenn sie von der Landeszentralbank genehmigt wird. Ein Antrag auf Genehmigung wurde aber nicht gestellt und auch keine Mieterhöhung geltend gemacht.
Am vereinbarten der Kläger und seine Ehefrau, im Hinblick auf bisher nicht durchgeführte Mietanpassungen und im Sinne einer einvernehmlichen Fortführung des Mietverhältnisses die Miete ab entsprechend der im Vertrag enthaltenen Wertsicherungsklausel zu berechnen. Die vereinbarte Nachzahlung betrug —jeweils inklusive der gesetzlichen Umsatzsteuer— für 1993 und 1994 zusammen 69 720,11 DM, für 1995 37 422,98 DM, für 1996 43 208,63 DM und für Januar bis September 1997 33 274,32 DM, d.h. insgesamt 183 626,04 DM und war in neun monatlichen Raten beginnend ab November 1997 an die Ehefrau zu entrichten.
Die Mieterhöhungen für den Zeitraum Januar 1993 bis September 1997 waren in den am beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) eingereichten Bilanzen für die Jahre 1994 bis 1997 jeweils gewinnmindernd passiviert.
Bei einer Außenprüfung im Juni 1999 für die Jahre 1994 bis 1997 stellte sich heraus, dass keine Genehmigung für die Wertsicherungsklausel eingeholt worden war. Daraufhin wurde am eine solche Genehmigung beantragt. Das hierfür nunmehr zuständige Bundesamt für Wirtschaft teilte mit Schreiben vom mit, die vereinbarte Preisklausel gelte gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Preisangaben (PreisAngG) vom i.V.m. § 2, 4 Abs. 1 der Preisklauselverordnung (PrKV) vom bereits als genehmigt.
Das FA folgte den Feststellungen des Betriebsprüfers und berücksichtige die Mieterhöhungen bis einschließlich August 1997 nicht als betriebliche Verbindlichkeiten. Es änderte die Gewerbesteuermessbescheide 1994 bis 1997 und erhöhte den Gewerbeertrag entsprechend. Der Einspruch des Klägers war erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte im Wesentlichen aus, die nachträglichen Mietzahlungen würden auf einer rückwirkenden Vereinbarung beruhen. Diese sei steuerrechtlich nicht anzuerkennen, da der Steuerpflichtige auf einen entstandenen Steueranspruch nicht mit Wirkung für die Vergangenheit Einfluss nehmen könne. Zudem verstoße die Mieterhöhungsvereinbarung gegen den Grundsatz, dass Verträge zwischen nahen Angehörigen der Besteuerung nur dann zugrunde zu legen seien, wenn sie bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen seien und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprächen. Ein fremder Dritter hätte sich nicht auf derartige Mietanpassungen für zurückliegende Zeiträume von mehreren Jahren eingelassen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger Divergenz zu der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) über die steuerliche Anerkennung zivilrechtlich erst nachträglich wirksam gewordener, jedoch von Anfang an klarer und ernsthafter Vereinbarungen und zu der Rechtsprechung über die ertragsteuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und unter Änderung der Gewerbesteuermessbescheide 1994, 1995, 1996 und 1997 die Mietnachzahlungen im Jahr 1994 in Höhe von 69 720,11 DM, im Jahr 1995 in Höhe von 37 422,98 DM, im Jahr 1996 in Höhe von 43 208,63 DM und im Jahr 1997 in Höhe von 30 301,49 DM unter Auflösung der vom FA berücksichtigten Steuerrückstellungen als Betriebsaugaben zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Das FG hat die Mieterhöhungen für die Jahre 1993 bis 1997 im Ergebnis zutreffend nicht als gewinnmindernde betriebliche Verbindlichkeiten anerkannt.
1. Die Nichtanerkennung kann aber nicht auf das steuerliche Rückwirkungsverbot gestützt werden. Denn das steuerliche Rückwirkungsverbot greift nicht ein, wenn eine klare und eindeutige vertragliche Abrede zunächst schwebend unwirksam ist und der Schwebezustand —wie im Streitfall— nach den zivilrechtlichen Vorgaben rückwirkend beendet wird (vgl. , BFHE 181, 328, BStBl II 1999, 35).
Im Streitfall war in § 5 des Mietvertrags eine Mietanpassung entsprechend der Veränderung des Lebenshaltungskostenindexes vereinbart. Diese Wertsicherungsklausel war eine gemäß § 3 des Währungsgesetzes (WährG) vom genehmigungsbedürftige Gleitklausel, die mangels Genehmigung zunächst schwebend unwirksam war. Nach Aufhebung des § 3 WährG zum durch das Gesetz zur Einführung des Euro und der Neuregelung über die Zulässigkeit einer Indexierung nach § 2 Abs. 1 PreisAngG i.V.m. §§ 2, 4 Abs. 1 PrKV gilt die Wertsicherungsklausel rückwirkend als genehmigt (vgl. , Der Betrieb 1979, 1502). Das Schreiben des Bundesamtes für Wirtschaft bestätigte im Sinne eines Negativattests die rückwirkend eingetretene Wirksamkeit der Klausel (Oberlandesgericht —OLG— Rostock, Teilurteil vom 3 U 203/00, Grundeigentum 2002, 1331).
Aufgrund der Wertsicherungsklausel erhöhte sich die Miete automatisch bei Eintritt der in der Klausel umschriebenen Voraussetzungen (OLG Celle, Urteil vom 2 U 236/00, Gewerbemiete und Teileigentum 2002, 41). Die Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau vom legt daher nicht rückwirkend eine höhere Miete fest, sondern gibt lediglich die Höhe und die Fälligkeit der Beträge wieder, die sich aufgrund der automatisch eingetretenen Mietanpassungen ergeben hatten und regelt die Zahlungsmodalitäten.
2. Die Mieterhöhungen sind jedoch deshalb nicht als gewinnmindernde betriebliche Verbindlichkeiten anzuerkennen, weil deren Vereinbarung gegen die Grundsätze der steuerlichen Behandlung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen verstößt.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Verträge zwischen nahen Angehörigen ertragsteuerlich nur dann anzuerkennen, wenn die Vereinbarungen zivilrechtlich wirksam, klar und eindeutig sind, ihre Gestaltung dem zwischen fremden Dritten Üblichen entspricht und sie auch tatsächlich durchgeführt werden (, BFHE 185, 397, BStBl II 1998, 349; vom X R 14/01, BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826; Senatsbeschluss vom III B 131/03, BFH/NV 2005, 339).
b) Im Streitfall legte die Wertsicherungsklausel klar und eindeutig die Voraussetzungen für die Mietanpassung fest und wurde durch die Genehmigungsfiktion des § 2 Abs. 1 PreisAngG i.V.m. §§ 2, 4 Abs. 1 PrKV rückwirkend zivilrechtlich wirksam. Ihre Gestaltung entspricht auch dem zwischen fremden Dritten Üblichen. Jedoch wurde die Mietanpassung entsprechend der Wertsicherungsklausel über lange Zeit nicht geltend gemacht und der Mietvertrag insoweit nicht entsprechend der Vereinbarung durchgeführt. Eine solche Abweichung in der tatsächlichen Durchführung weicht vom Üblichen ab. Die über Jahre unterlassene Umsetzung der Mieterhöhung zeigt, dass die die Mietanpassung entsprechend dem Lebenshaltungskostenindex nicht ernsthaft vereinbart war. Hierfür spricht auch, dass die bis 1998 notwendige Genehmigung der Wertsicherungsklausel nicht beantragt worden war.
Zwar schließt auch bei der Durchführung von Verträgen unter nahen Angehörigen nicht jede Abweichung vom Üblichen die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus (vgl. , BFH/NV 2008, 284). Daher hätte die unterlassene Mietanpassung über einen kurzen Zeitraum nicht notwendigerweise zur Folge gehabt, dass die nachträgliche Mietanpassung nicht als betriebliche Verbindlichkeit zu berücksichtigen ist. Die Ehefrau des Klägers hat jedoch 18 Jahre und neun Monate keine erhöhte Miete eingefordert. Fremde hätten nicht über einen derart langen Zeitraum auf die vereinbarte Mietanpassung verzichtet. Erst seit der Vereinbarung vom ist von einem rechtlichen Bindungswillen auszugehen, so dass die Mieterhöhungen erst ab diesem Zeitpunkt steuerrechtlich anzuerkennen sind.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1139 Nr. 7
EStB 2008 S. 241 Nr. 7
HFR 2008 S. 909 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 32/2008 S. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 7/2009 S. 434
StBW 2008 S. 6 Nr. 12
JAAAC-80782