BVerwG Beschluss v. - 6 PB 16.07

Leitsatz

1. Die Weiterbeschäftigung des Jugendvertreters ist unzumutbar, wenn diesem im maßgeblichen Zeitpunkt des Ausbildungsendes lediglich vorübergehend ein Arbeitsplatz bereitgestellt werden kann; daran ändert sich nichts, wenn später der Wechsel auf einen Dauerarbeitsplatz in Betracht kommt.

2. Das Auflösungsbegehren des öffentlichen Arbeitgebers kann keinesfalls mit der Begründung abgelehnt werden, der Jugendvertreter könne außerhalb der Ausbildungsdienststelle weiterbeschäftigt werden.

Gesetze: BPersVG § 9

Instanzenzug: VG Osnabrück, VG 7 A 2/05 vom OVG Lüneburg, OVG 17 LP 3/06 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein

Gründe

Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg. Die allein erhobene Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie in der Senatsrechtsprechung bereits geklärt sind oder sich ohne Weiteres aus ihr beantworten lassen.

1. Die Beteiligten wollen zunächst geklärt wissen, ob es dem öffentlichen Arbeitgeber zumutbar ist, den Jugendvertreter weiterzubeschäftigen, wenn im Zeitpunkt der Beendigung seiner Ausbildung ein "befristeter Arbeitsplatz" zu besetzen ist und bereits feststeht bzw. voraussehbar ist, dass während der "Befristung" ein auf Dauer zu besetzender Dienstposten frei wird und mit ihm besetzt werden kann. Diese Frage ist nach gefestigter Senatsrechtsprechung mit dem Oberverwaltungsgericht eindeutig zu verneinen.

Die Weiterbeschäftigung ist dann unzumutbar im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG, wenn der Arbeitgeber dem Jugendvertreter zum Zeitpunkt der Beendigung der Berufsausbildung keinen auf Dauer angelegten, ausbildungsadäquaten Arbeitsplatz bereitstellen kann (vgl. BVerwG 6 P 3.05 - BVerwGE 124, 292 <295 f.> = Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 25 S. 37 m.w.N.). Sowohl der Feststellungsantrag nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BPersVG als auch der Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG knüpfen an denselben Vorgang an, nämlich die Überleitung des Jugendvertreters vom Berufsausbildungsverhältnis in das durch die gesetzliche Fiktion des § 9 Abs. 2 BPersVG begründete Arbeitsverhältnis, und zielen übereinstimmend darauf ab, den Arbeitgeber von der Erfüllung des Weiterbeschäftigungsanspruchs von vornherein, jedenfalls alsbald freizustellen, wenn ihm die Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten ist. Deswegen kann maßgeblich für die Unzumutbarkeitsfrage nur der Zeitpunkt sein, zu dem das Arbeitsverhältnis nach § 9 Abs. 2 oder 3 BPersVG begründet werden soll (vgl. BVerwG 6 PB 2.06 - Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 26 Rn. 4 m.w.N.). Die Berücksichtigung eines Dauerarbeitsplatzes, der erst nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses frei wird, ist daher ausgeschlossen, und zwar unabhängig davon, wie sicher die Prognose ist. Die Bezugnahme auf den Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses vermittelt eine sichere Entscheidungsgrundlage, die Personalbedarfsprognosen wegen der damit typischerweise verbundenen Unsicherheit vorzuziehen ist. Entwicklungen nach Ausbildungsende je nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit oder dem Ausmaß des zeitlichen Abstandes zu berücksichtigen, verbietet sich daher. Die Zulassung von - wie auch immer gesicherten - Prognosen könnte nicht nur zugunsten des Jugendvertreters wirken, sondern müsste auch zugunsten des Arbeitgebers erfolgen. Letzteres wäre aber schon im Ansatz mit dem Schutzzweck der Norm nicht vereinbar. Die Kontinuität der Amtsführung eines personalvertretungsrechtlichen Organs würde im erheblichen Maße beeinträchtigt, wenn ein Jugendvertreter nur wegen eines künftig erst auftretenden Ereignisses an der Fortsetzung seiner Amtstätigkeit gehindert würde (vgl. Beschluss vom a.a.O. Rn. 7 ff.).

Der öffentliche Arbeitgeber verfügt nicht über einen Dauerarbeitsplatz für den Jugendvertreter, wenn er eine im Zeitpunkt des Ausbildungsendes unbesetzte Stelle für eine aus dem Erziehungsurlaub zurückkehrende Mitarbeiterin freihalten muss. Daran ändert sich nichts, wenn der Jugendvertreter auf einen nach Ausbildungsende freiwerdenden Dauerarbeitsplatz überwechseln könnte. Die Berücksichtigung eines solchen Umstandes wäre mit einer Prognoseentscheidung verbunden, die aber aus den dargestellten rechtssystematischen und teleologischen Erwägungen ausgeschlossen ist.

2. Die Beteiligten wollen ferner geklärt wissen, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Jugendvertreters zumutbar ist, wenn er allen Auszubildenden das Angebot zu einer sechsmonatigen Überbrückungstätigkeit nach Beendigung der Ausbildung unterbreitet und wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Ausbildung bereits feststeht, dass während dieses Zeitraums ein Dauerarbeitsplatz für die Weiterbeschäftigung des Jugendvertreters zur Verfügung stehen wird. Diese Frage ist lediglich eine Variante der ersten. Sie ist wie diese zu verneinen, weil ihre Bejahung ebenfalls darauf hinausliefe, das Freiwerden eines Dauerarbeitsplatzes erst nach Beendigung der Ausbildung zu berücksichtigen.

Die vertragliche Vereinbarung eines befristeten Arbeitsverhältnisses im Anschluss an das Ende der Ausbildung ist nicht geeignet, den für die Beurteilung nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG maßgeblichen Zeitpunkt zu verlagern. Dies gilt namentlich auch dann, wenn der betreffende Jugendvertreter auf ein entsprechendes Angebot des Arbeitgebers eingeht und sich dabei zugleich die Wahrung seiner Rechte aus § 9 Abs. 2 bis 4 BPersVG vorbehält. Denn dadurch wird der Zeitpunkt, ab welchem der Beginn des gesetzlichen Arbeitsverhältnisses fingiert wird und welcher für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bestimmend ist, nicht berührt.

3. Weiter wollen die Beteiligten geklärt wissen, ob dem öffentlichen Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Jugendvertreters zumutbar ist, wenn der der Dienststelle zur Verfügung stehende Dienstpostenrahmen zwei zu besetzende Dienstposten vorsieht und im Arbeitsfeld des Jugendvertreters ausreichend Tätigkeit zur Verfügung steht, um diesen auf dem zu besetzenden Dienstposten weiterzubeschäftigen. Diese Frage ist anhand der Senatsrechtsprechung ebenfalls zu verneinen.

Liegt eine der Qualifikation des Jugendvertreters entsprechende Zweckbestimmung des Haushaltsgesetzgebers nicht vor, so ist ein freier Arbeitsplatz nicht deswegen vorhanden, weil eine im maßgeblichen Zeitpunkt freie Stelle ohne Verstoß gegen das Haushaltsrecht mit dem Jugendvertreter besetzt werden könnte (vgl. Beschluss vom a.a.O. S. 300 f. bzw. S. 41). In Ermangelung entsprechender Vorgaben ist die Dienststelle nicht gezwungen, auf ihr zu Gebote stehenden freien Stellen Arbeitsplätze zu schaffen, die auf die Qualifikation von Jugendvertretern zugeschnitten sind, die ihre Weiterbeschäftigung geltend machen. Bei der Entscheidung über die Mittelverwendung obliegt ihr keine Prüfpflicht zugunsten des Jugendvertreters, deren Erfüllung der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte unterliegt. Auf dieser Ebene der Entscheidungsfindung beschränkt sich die Wirkung von § 9 BPersVG auf eine Missbrauchskontrolle: Die Weiterbeschäftigung ist ausnahmsweise dann zumutbar, wenn die Entscheidung über die Zweckbestimmung der Mittelverwendung erkennbar das Ziel verfolgte, die Weiterbeschäftigung des Jugendvertreters zu verhindern (vgl. Beschluss vom a.a.O. S. 302 f. bzw. S. 43).

Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts enthielt der "Dienstpostenrahmen der WTD 91 (Stand )" keine Vorgabe, welche die Dienststelle verpflichtet hätte, freie Stellen im maßgeblichen Zeitpunkt () mit Arbeitnehmern einer bestimmten fachlichen Qualifikation zu besetzen. Vielmehr handelte es sich dabei lediglich um die Darstellung von Planungsgrößen, die einerseits eine Vermehrung von Stellen der Vergütungsgruppe BAT VIII um zwei vorsah, andererseits aber generell einen massiven Stellenabbau anstrebte. Ein derartiges Zahlenwerk belässt der Dienststelle die Kompetenz zur Entscheidung darüber, ob freie Stellen überhaupt in Anspruch genommen werden sollen und welche fachlichen Anforderungen gegebenenfalls zu stellen sind. Die Wahrnehmung dieser typischen Arbeitgeberfunktion ist von den Verwaltungsgerichten im Rahmen des Verfahrens nach § 9 Abs. 4 BPersVG nicht auf ihre Richtigkeit oder auch nur Plausibilität hin zu überprüfen. Vor Willkürentscheidungen ist der Jugendvertreter gleichwohl geschützt. Seine Weiterbeschäftigung ist zumutbar, wenn die Entscheidung der Dienststelle über die Verwendung freier Stellen erkennbar das Ziel verfolgte, seine Anstellung zu verhindern.

4. Schließlich wollen die Beteiligten geklärt wissen, ob in Bezug auf die Weiterbeschäftigung des Jugendvertreters allein auf die Ausbildungsdienststelle abzustellen ist oder ob gegebenenfalls weitere Dienststellen im Zuständigkeitsbereich des öffentlichen Arbeitgebers in den Blick zu nehmen sind. Diese Frage ist in der Senatsrechtsprechung geklärt. Danach kommt es für die Frage, ob ein ausbildungsadäquater Dauerarbeitsplatz für den Jugendvertreter zur Verfügung steht, allein auf den Bereich der Ausbildungsdienststelle an (vgl. Beschluss vom a.a.O. S. 296 bzw. S. 37).

Dass in § 9 BPersVG nur vom Arbeitgeber und nicht vom Leiter der Dienststelle die Rede ist und dass folglich allein der Arbeitgeber die Aktivlegitimation für den Auflösungsantrag hat, findet seine Erklärung darin, dass Vertragspartner des Auszubildenden nur die betreffende juristische Person des öffentlichen Rechts sein kann, nicht aber der Leiter der Dienststelle, welche für diese juristische Person öffentliche Aufgaben erfüllt. Ein überzeugendes Argument für einen dienststellenübergreifenden Weiterbeschäftigungsanspruch lässt sich daraus nicht herleiten (vgl. Beschluss vom a.a.O. S. 297 bzw. S. 38).

Schutzzweck der Regelung in § 9 BPersVG ist es, Auszubildende vor Personalmaßnahmen zu bewahren, die sie an der Ausübung ihrer Personalrats- und Jugendvertreterarbeit hindern oder ihre Unabhängigkeit in dieser Arbeit beeinträchtigen können. Indem § 9 BPersVG die amtierende Personalvertretung bzw. Jugend- und Auszubildendenvertretung vor dauernden oder vorübergehenden Änderungen ihrer Zusammensetzung schützt, dient er zugleich der Kontinuität der Gremienarbeit. Das kollektivrechtliche Element des Schutzzwecks wird nicht erreicht, wenn der Auszubildende in einer anderen Dienststelle weiterbeschäftigt wird. Denn damit erlischt seine Mitgliedschaft im Personalrat bzw. in der Jugend- und Auszubildendenvertretung (vgl. Beschluss vom a.a.O. S. 297 bzw. S. 38).

Die vorstehende Senatsrechtsprechung steht im Einklang mit derjenigen des Bundesarbeitsgerichts zu § 78a BetrVG. Dieses hat im Beschluss vom - 7 ABR 15/06 - (AP Nr. 38 zu § 78a BetrVG 1972) bekräftigt, dass die Weiterbeschäftigungspflicht aus § 78a Abs. 2 BetrVG das Bestehen eines freien Dauerarbeitsplatzes im Ausbildungsbetrieb voraussetzt. Es hat dabei herausgestellt, dass die Pflicht des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung nur bei Fortbestehen des durch § 78a Abs. 1 BetrVG geschützten Mandats gerechtfertigt ist und dass die von der Vorschrift bezweckte Ämterkontinuität nicht erreicht wird, wenn der Auszubildende in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in einem anderen Betrieb des Unternehmens aufgenommen wird (a.a.O. Rn. 24).

Auf den danach wesentlichen Gesichtspunkt der Ämterkontinuität sind die Beteiligten in ihrer Beschwerdebegründung nicht eingegangen. Schon deswegen geben die dortigen Ausführungen dem Senat keinen Anlass, von der dargestellten Rechtsprechung abzuweichen. Der von den Beteiligten angesprochene Aspekt der gesetzlichen Vertretung des Arbeitgebers ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Belang. Zwar sind in dieser Hinsicht für eine korrekte Antragstellung nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerwG 6 P 11.03 - BVerwGE 119, 270 = Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 23). Die Zuständigkeit des Leiters einer übergeordneten Dienststelle zur Vertretung des öffentlichen Arbeitgebers im Prozess ist jedoch nicht geeignet, den für die materielle Beurteilung wesentlichen Gesichtspunkt der Ämterkontinuität infrage zu stellen.

Da somit die Weiterbeschäftigungspflicht auf die Ausbildungsdienststelle beschränkt ist, muss der öffentliche Arbeitgeber entgegen der Auffassung der Beteiligten im Rahmen von § 9 BPersVG den Jugendvertreter über etwaige Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in anderen Dienststellen nicht unterrichten. Freilich hat der Senat einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Jugendvertreters in einer anderen Dienststelle für möglich gehalten, wenn der öffentliche Arbeitgeber bei anderen Auszubildenden entsprechend verfährt und der Jugendvertreter sich spätestens mit dem eigenen Weiterbeschäftigungsverlangen (hilfsweise) damit einverstanden erklärt hat (Beschluss vom a.a.O. S. 298 f. und 309 bzw. S. 39 f. und 48 unter Hinweis auf - BAGE 84, 294 <298 f.>). Nunmehr hat das Bundesarbeitsgericht jedoch im zitierten Beschluss vom klargestellt, dass die Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers zu nach dem Konsensprinzip geänderten Arbeitsbedingungen gleichfalls betriebsbezogen ist (a.a.O. Rn. 42). Diesem zutreffenden Gedanken folgt der Senat, weil die Weiterbeschäftigung nach § 9 BPersVG wegen des wesentlichen Grundsatzes der Ämterkontinuität zwingend den Verbleib des Jugendvertreters in der Ausbildungsdienststelle voraussetzt. Das Auflösungsbegehren des öffentlichen Arbeitgebers kann daher keinesfalls mit der Begründung abgelehnt werden, der Jugendvertreter könne außerhalb der Ausbildungsdienststelle weiterbeschäftigt werden.

Fundstelle(n):
OAAAC-80695