Leitsatz
Der Existenzgründungszuschuss gem § 421l SGB III ist bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu berücksichtigen.
Gesetze: SGB II F: § 11 Abs 1 S 1 ; SGB II § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a; SGB II § 29 Abs 1; SGB III F: § 57 ; SGB III F: § 421l Abs 1 S 1
Instanzenzug: LSG Niedersachsen-Bremen, L 8 AS 29/06 vom SG Oldenburg, S 47 AS 206/05 vom
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 1. Januar bis , insbesondere die Berücksichtigung eines Existenzgründungszuschusses als Einkommen.
Die 1971 und 1979 geborenen Kläger sind verheiratet und nicht getrennt lebend. Der Kläger zu 2) betreibt seit ein von der Stadt O. genehmigtes Reisegewerbe. Für die Aufnahme dieser selbstständigen Tätigkeit bewilligte ihm die Agentur für Arbeit einen Existenzgründungszuschuss nach § 421 l Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zunächst für ein Jahr ab Aufnahme bis zum in Höhe von monatlich 600,-- Euro (Bescheid vom ).
Mit Bescheid vom bewilligte die Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 1. Januar bis unter Berücksichtigung des Existenzgründungszuschusses sowie Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 34,-- Euro monatliche Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 398,-- Euro. Auf den Widerspruch der Kläger änderte sie unter dem diese Entscheidung teilweise ab und verminderte das zu berücksichtigende Einkommen um Rentenversicherungsbeiträge für den Kläger zu 2) in Höhe von 78,-- Euro monatlich (neuer Zahlbetrag: 476,-- Euro monatlich). Den darüber hinausgehenden Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom zurück.
Auf die dagegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht Oldenburg mit Urteil vom die angefochtenen Bescheide teilweise aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung des Existenzgründungszuschusses im Bewilligungszeitraum zu gewähren. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen durch Urteil vom zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Existenzgründungszuschuss sei als zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen. Er diene nicht der Sicherung des Lebensunterhalts, sondern, wie sich aus der Begründung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ergebe, der Bekämpfung von Schwarzarbeit und Förderung der Aufnahme selbstständiger Tätigkeit. Im Unterschied zum Überbrückungsgeld in § 57 SGB III werde der Zweck der Sicherung des Lebensunterhalts gerade nicht ausdrücklich in § 421 l SGB III genannt. Zudem diene der Zuschuss der sozialen Sicherung in der Gründungsphase, nämlich der Zahlung der anfallenden Sozialversicherungsbeiträge. Hauptzweck des Existenzgründungszuschusses sei allerdings, den Betrieb der neu gegründeten Unternehmung zu sichern, indem die Belastungen aufgefangen würden. Schließlich führe eine Berücksichtigung des Zuschusses zu einem unverständlichen Wertungswiderspruch im Verhältnis zu dem in § 29 SGB II vorgesehenen Einstiegsgeld, welches bei der Grundsicherung gerade nicht als Einkommen berücksichtigt werde.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision. Sie ist der Auffassung, der Existenzgründungszuschuss sei als Einkommen iS des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen. Die Verwendung des Zuschusses sei nicht zweckgebunden und nicht nachzuweisen. Das voraussichtlich zu erzielende Einkommen dürfe 25.000,-- Euro nicht überschreiten. Den Gesetzesmaterialien sei zu entnehmen, dass das Überbrückungsgeld, das im Gesetz ausdrücklich als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts bezeichnet werde, und der Existenzgründungszuschuss dem Zweck nach gleich gerichtete Leistungen an Arbeitnehmer darstellten. § 421 l Abs 4 SGB III schließe daher auch eine Doppelförderung aus. Die mittlerweile erforderliche Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung zeige, dass mit dem Existenzgründungszuschuss nicht der Aufbau eines Unternehmens ermöglicht, sondern lediglich die Einkommensminderung während der Gründungsphase abgefedert werden solle. Dementsprechend sei die Höhe des Zuschusses daran orientiert, dass der Lebensunterhalt in dieser Phase auch ohne regelmäßige Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit zu bestreiten sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom und des Sozialgerichts Oldenburg vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie halten die angefochtenen Urteile für zutreffend. Werde der Existenzgründungszuschuss als Einkommen nach § 11 Abs 1 SGB II berücksichtigt, bleibe keine Aufstockungsleistung zur Gründung und Erhaltung des Betriebes mehr übrig. Die Leistung sei ausdrücklich für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit am bewilligt worden.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Zu Recht hat die Beklagte den Existenzgründungszuschuss nach § 421 l SGB III (in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom <BGBl I 2902>) während des streitigen Leistungszeitraumes in Höhe von monatlich 600,-- Euro als Einkommen iS des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II (in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom <BGBl I 2954>) bedarfsmindernd berücksichtigt.
Auf Grund der Feststellungen des LSG kann aber nicht entschieden werden, ob die Kläger im streitigen Zeitraum aus anderen Gründen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II hatten. Für eine abschließende Entscheidung fehlen Feststellungen zur Höhe des Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit des Klägers zu 2), zu den abzusetzenden Beträgen nach § 11 Abs 2 SGB II, sonstigen Einnahmen und etwaigem Vermögen beider Kläger, sowie zur Höhe ihres Gesamtbedarfes (vor allem zu den Kosten der Unterkunft), die das LSG noch nachzuholen haben wird.
Die geltend gemachten Ansprüche betreffen die Zeit vom 1. Januar bis zum . Nur auf diesen Zeitraum bezieht sich der angefochtene Bewilligungsbescheid und beschränken sich die Anträge der Kläger. Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume sind nicht in analoger Anwendung des § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden (vgl B 7b AS 14/06 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 1 RdNr 30). Die Leistungsansprüche der Kläger sind im Rahmen der erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (vgl B 11b AS 9/06 R - SozR 4-4300 § 428 Nr 3 RdNr 16 ff).
Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllten die Kläger die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II (in der Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom , BGBl I 2014). Gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig sind (Nr 3) sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Die Kläger erfüllten diese Voraussetzungen, sie waren insbesondere hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II, weil sie ihren Lebensunterhalt zumindest nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern konnten und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhielten.
Die Beklagte hat aber dem Grunde nach zu Recht den vom Kläger zu 2) bezogenen Existenzgründungszuschuss als Einkommen gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II bei der Berechnung der den Klägern zu gewährenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts berücksichtigt. Als nicht getrennt lebende Ehegatten bilden die Kläger eine Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 SGB II. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind nach § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II sowie von speziellen Renten- und Beihilfeleistungen, die hier nicht einschlägig sind. Einkommen im Sinne dieser Vorschrift ist auch der Existenzgründungszuschuss nach § 421 l SGB III.
Er erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Einkommensberücksichtigung nach § 11 Abs 3 SGB II. Danach sind als Einkommen nicht zu berücksichtigen
1. Einnahmen, soweit sie als
a) zweckbestimmte Einnahmen,
b) Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege
einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären, 2. Entschädigungen, die wegen eines Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geleistet werden.
Der Existenzgründungszuschuss nach § 421 l SGB III bleibt nicht als zweckbestimmte Einnahme gemäß § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II von der Berücksichtigung als Einkommen nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II ausgenommen. Er dient demselben Zweck wie das Arbeitslosengeld II (Alg II), nämlich der Sicherstellung des Lebensunterhalts (im Ergebnis ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom - L 26 B 550/07 AS ER; - L 25 B 1267/05 AS ER; - L 10 B 1144/05 AS ER; Breithaupt 2006, 591, 593; FEVS 57, 184, 185 f; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand November 2007, K § 11 RdNr 266b; Schmidt in Oestreicher, SGB II, Stand September 2007, § 11 RdNr 126; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 29 RdNr 5, 11; aA ; ZFSH/SGB 2007, 221, 223; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom , FEVS 57, 253; AS ER; Brühl in LPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 11 RdNr 52).
Eine Leistung ist dann zweckbestimmt iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II, wenn ihr vom Gesetzgeber erkennbar eine bestimmte Zweckrichtung beigemessen ist, die im Fall der Anrechnung der Leistung auf das Alg II zu einer Zweckvereitelung führen würde (vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 3 RdNr 17 zum Erziehungsbeitrag nach § 39 Abs 1 Satz 2 Achtes Buch Sozialgesetzbuch; vgl auch zur Frage der Anrechnung einer zweckgebundenen Leistung auf die Arbeitslosenhilfe BSG SozR 4100 § 138 AFG Nr 5 S 21 f; BSG SozR 4100 § 138 AFG Nr 13 S 53; BSGE 66, 134, 137 = SozR 3-4100 § 138 Nr 1 S 4; BSG SozR 3-4100 § 138 Nr 2 S 10). Die Vorschrift soll aber auch verhindern, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden (vgl B 11b AS 15/06 R; B 14/7b AS 62/06 R - und - B 14/7b AS 20/07 R - zur Berücksichtigung von Verletztenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung). Der Wortlaut des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II unterscheidet sich insofern von der entsprechenden Vorschrift im Sozialhilferecht, als § 83 Abs 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (vormals § 77 Bundessozialhilfegesetz <BSHG>) einen in öffentlich-rechtlichen Vorschriften ausdrücklich genannten Zweck fordert. Eine solche explizite Zweckbestimmung findet sich, anders als beim Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III aF (hier in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom ), in § 421 l SGB III nicht. Sie ist nach der weiteren Formulierung des § 11 Abs 3 Nr 1 SGB II, der keine ausdrückliche Benennung eines Zwecks fordert, auch nicht notwendig. Die Gesetzesfassung erklärt sich aus dem Bestreben, zweckidentische Leistungen unabhängig von ihrer Bezeichnung und ihrem Rechtscharakter zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber will im Rahmen der Berücksichtigung von Einkommen nach dem SGB II grundsätzlich sämtliche Zahlungen mit Entgeltfunktion erfassen. Dies wird vor allem aus § 11 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II deutlich. Für die dort aufgeführten Renten und Beihilfen gilt: Es werden nur die Grundrenten von einer Einkommensanrechnung ausgenommen, nicht aber die nach den genannten Gesetzen zu zahlenden weiteren Leistungen, also solche, die - abstellend auf die betreffende Einkommensminderung - ihrerseits erkennbar Entgeltersatzfunktion haben (vgl BSG aaO).
Das Alg II dient der Sicherung des Lebensunterhalts von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann (BT-Drucks 15/1516 S 56; vgl B 7b AS 12/06 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 3 RdNr 17). Auf diese Absicherung ist auch der Existenzgründungszuschusses ausgerichtet. Zwar ergibt sich dies anders als beim früheren Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III aF nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 421 l Abs 1 SGB III. Danach haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss. Dieser Zuschuss wird geleistet, wenn der Existenzgründer (Nr 1) in engem Zusammenhang mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen oder eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach dem SGB III gefördert worden ist, (Nr 2) nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit Arbeitseinkommen nach § 15 Viertes Buch Sozialgesetzbuch erzielen wird, das voraussichtlich 25.000,-- Euro im Jahr nicht überschreiten wird und (Nr 3) eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt hat. Der Zuschuss wird gemäß § 421 l Abs 2 SGB III bis zu drei Jahren erbracht und jeweils längstens für ein Jahr bewilligt. Er beträgt im ersten Jahr nach Beendigung der Arbeitslosigkeit monatlich 600,-- Euro, im zweiten Jahr monatlich 360,-- Euro und im dritten Jahr monatlich 240,-- Euro. Dem Wortlaut des § 421 l Abs 1 Satz 1 SGB III kann allenfalls insofern ein Hinweis entnommen werden, als der Begriff "Zuschuss" darauf hindeutet, dass es sich nur um eine zusätzliche Leistung handelt, mit der nicht der gesamte Bedarf für einen bestimmten Zweck gedeckt wird. Dem entspricht die Pauschalierung der Leistung, die nicht an die Höhe der zuvor bezogenen Entgeltersatzleistungen anknüpft und nicht nach dem konkreten individuellen Bedarf bemessen wird.
Die Zweckidentität von Existenzgründungszuschuss und Regelleistung ergibt sich aber aus der Intention des Gesetzgebers und der systematischen Stellung der Leistung nach § 421 l SGB III. Nach dem allgemeinen Teil der Begründung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom (BT-Drucks 15/26 S 19), mit dem der Existenzgründungszuschuss in das SGB III eingeführt wurde, war generelles politisches Ziel die Anregung der Gründung selbstständiger Existenzen ("Ich-AG"). Dieser Handlungsansatz, so heißt es in der Begründung weiter, sei zudem, wie auch die übrigen in diesem Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen, geeignet, die Schwarzarbeit im Dienstleistungssektor wirkungsvoll zurückzudrängen. Damit ist allerdings lediglich das übergeordnete politische Ziel benannt, jedoch noch keine Aussage darüber getroffen, welchem konkreten Zweck die einzelnen Leistungen dienen sollen. Der aus dieser allgemeinen Zielsetzung gezogene Schluss, der Existenzgründungszuschuss diene anders als das Überbrückungsgeld nicht der Sicherung des Lebensunterhalts (vgl ZFSH/SGB 2007, 221, 226; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom , FEVS 57, 253, 254 f; AS ER; Sächsisches LSG, Beschlüsse vom - L 3 B 151/06 AS-ER und vom - L 3 B 233/05 AS-ER; Marschner in GK-SGB III, Stand November 2007, § 421 l RdNr 4; Becker in PK-SGB III, 2. Aufl 2004, § 421 l RdNr 6), greift zu kurz und berücksichtigt nicht hinreichend die weiteren Begründungen des Gesetzgebers.
Zum Existenzgründungszuschuss heißt es im besonderen Teil der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 15/26 S 22 zu § 421m), durch ihn erfolge die Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Beschäftigung für Arbeitnehmer, die ihre Arbeitslosigkeit beenden. Den Zuschuss könnten die Inhaber der Ich-AG für ihre Beitragszahlungen zur Sozialversicherung verwenden. Der Existenzgründungszuschuss sollte Arbeitsuchenden einen sozial abgesicherten Start in die Selbstständigkeit gewährleisten (vgl Plenarprotokoll 15/8 S 397). Hieraus folgt jedoch nicht, dass der Zuschuss den Existenzgründer allein in die Lage versetzen sollte, die anfallenden Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Mit dem Hinweis auf die Beitragszahlung ist im Gesetzgebungsverfahren nur eine Verwendungsmöglichkeit unter anderen genannt worden.
Schon wegen seiner Höhe umfasst der Existenzgründungszuschuss mehr als die Beiträge zur Sozialversicherung. Sie ist nach der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 15/26 S 23) in etwa nach der Hälfte der Summe aus dem durchschnittlichen monatlichen Arbeitslosengeld und den darauf entrichteten Sozialversicherungsbeiträgen zur Jahresmitte 2002 bemessen. Es entspricht dem Förderziel der Unabhängigkeit von staatlichen Leistungen, dass zunächst die wegfallenden staatlichen Leistungen, Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, mit denen in aller Regel der Lebensunterhalt bestritten wurde, ersetzt werden sollten. Auch im Hinblick auf die Höhe der Leistungen nach dem SGB II mit einem Regelsatz in Höhe von damals 345,-- Euro monatlich (§ 20 Abs 2 SGB II) zuzüglich angemessener Kosten der Unterkunft (§ 22 SGB II) kann bei pauschalierender Betrachtung von einer Unterhaltssicherung des Leistungsempfängers ausgegangen werden. Als Versicherungsleistung nach dem SGB III knüpft der Existenzgründungszuschuss allein an die Person des Leistungsempfängers an, nicht an die Bedarfssituation einer Bedarfsgemeinschaft, sodass die fehlende Bedarfssicherung für eine Bedarfsgemeinschaft nicht gegen die grundsätzlich unterhaltssichernde Funktion der Leistung spricht.
Hinsichtlich der Höhe der Sozialversicherungsbeiträge ist weiter zu berücksichtigen, dass für Existenzgründer mit dem Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BGBl I 2002, 4621) auch besondere Regelungen für die Beitragsbemessung in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung geschaffen wurden. Nach § 165 Abs 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) bemisst sich der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung bei selbstständig Tätigen bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Tag der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit grundsätzlich nach 50 vH der Bezugsgröße. § 165 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI eröffnet die Möglichkeit, die Bemessung nach einem tatsächlich geringeren Arbeitseinkommen vorzunehmen, mindestens sind monatlich 400,-- Euro zu Grunde zu legen. Auf dieser Mindestbeitragsbemessungsgrundlage hat der Kläger zu 2) Beiträge in Höhe von 78,-- Euro monatlich entrichtet, die die Beklagte auch zutreffend in Abzug gebracht hat. Nach § 240 Abs 4 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch gilt für Bezieher eines Existenzgründungszuschusses nach § 421 l SGB III der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag. Der 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße betrug im Jahr 2002 39,09 Euro, was für den mit 30 Tagen anzusetzenden Kalendermonat bei einem Beitragssatz von 14 vom Hundert einen Monatsbeitrag von 164,10 Euro ergab (BT-Drucks 15/26 S 26). Angesichts dieser besonderen Vorschriften für die Beitragsbemessung ist nicht davon auszugehen, dass im Regelfall die zu zahlenden Beiträge zur Sozialversicherung den Existenzgründungszuschuss gänzlich oder zum überwiegenden Teil aufzehren. Bestätigt wird die Einschätzung durch die Regelung der Leistungshöhe des ab dem an die Stelle des Überbrückungsgeldes und des Existenzgründungszuschusses getretenen Gründungszuschusses nach § 57 SGB III (in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 <BGBl I 1706> hierzu Link SGb 2007, 17; ders in Link/Kranz, Der Gründungszuschuss für Existenzgründer, 2007, 1. Teil RdNr 20). Dieser wird in den ersten neun Monaten in Höhe des zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes zuzüglich weiterer 300,-- Euro monatlich gewährt. Der Betrag von 300,-- Euro soll dem Arbeitnehmer zur sozialen Sicherung dienen, mithin die Tragung der Versicherungsbeiträge ermöglichen (vgl BT-Drucks 16/1696 S 31 zu § 58).
Dass der Gesetzgeber dem Existenzgründungszuschuss einen unterhaltssichernden Zweck beigemessen hat, ist aber vor allem der Begründung zur Regelung des § 421 l Abs 4 SGB III (BT-Drucks 15/26 S 23 zu Abs 4) zu entnehmen, wonach die Förderung mit einem Existenzgründungszuschuss ausgeschlossen ist, wenn die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit durch Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III gefördert wird. Mit dem Überbrückungsgeld bestehe eine weitere, dem Zweck nach gleich gerichtete Leistung an Arbeitnehmer im Dritten Buch. Durch den Anspruchsausschluss bei Förderung nach § 57 SGB III werde eine Doppelförderung ausgeschlossen. In § 57 Abs 1 SGB III heißt es ausdrücklich, dass Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf Überbrückungsgeld haben. Der Hinweis auf die Zweckidentität der Leistungen macht deutlich, dass auch der Existenzgründungszuschuss unterhaltssichernde Funktion haben soll, auch wenn dies, anders als in § 57 SGB III, nicht ausdrücklich im Gesetzestext des § 421 l SGB III festgelegt ist. Dass mit dem Zweck im Sinne dieser Begründung nicht die Unterhaltssicherung, sondern lediglich allgemein die Förderung der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gemeint sein soll (so AS ER), lässt sich weder mit der Entstehungsgeschichte, noch mit dem Leistungsausschluss nach § 421 l Abs 4 Nr 1 SGB III vereinbaren. Würde der Existenzgründungszuschuss tatsächlich, wie das LSG Nordrhein-Westfalen aaO meint (so auch AS-ER sowie ) und wofür es in den Gesetzesmaterialien keinerlei Anhaltspunkte gibt, der Anschaffung und dem Unterhalt von Betriebsmitteln dienen, gäbe es keinen Grund, den Zuschuss nicht neben dem der Unterhaltssicherung dienenden Überbrückungsgeld zu zahlen. Die gleichzeitige Gewährung von Überbrückungsgeld (§ 57 SGB III) und Existenzgründungszuschuss (§ 421 l SGB III) ist ausdrücklich ausgeschlossen, weil sich diese Leistungen hinsichtlich ihrer Zielrichtung überschneiden.
Die Zweckidentität von Existenzgründungszuschuss und Alg II hat der Gesetzgeber in der Begründung für die Herausnahme des Existenzgründungszuschusses aus dem Leistungskatalog des § 16 SGB II durch das Kommunale Optionsgesetz vom (BGBl I 2014) bestätigt. In der Ursprungsfassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 schloss § 22 Abs 4 SGB III die Erbringung von Leistungen ua nach § 421 l SGB III von der Agentur für Arbeit an solche erwerbsfähige Hilfebedürftige aus, für die entsprechende Leistungen in § 16 SGB II vorgesehen sind, damit dies nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft gehe (BT-Drucks 15/1516 S 69 zu Nr 4). Diese Vorschrift korrespondierte mit der gleichzeitig eingeführten Fassung des § 16 Abs 1 SGB II, damit für die Bezieher von Alg II als Eingliederungsleistung auch ein Existenzgründungszuschuss erbracht werden konnte (BT-Drucks 15/1749 S 32 zu Art 1 § 16 Abs 1). Die Vorschriften sind noch vor ihrem Inkrafttreten durch das Kommunale Optionsgesetz wieder geändert worden; § 421 l SGB III ist sowohl aus der Ausschlussvorschrift des § 22 Abs 4 SGB III als auch aus dem Leistungskatalog des § 16 Abs 1 SGB II gestrichen worden. Damit sollte klargestellt werden, dass die Leistungen des Überbrückungsgeldes und des Existenzgründungszuschusses ausschließlich im Dritten Buch aufgeführt bleiben und insoweit auch grundsätzlich für Leistungsbezieher nach dem Zweiten Buch offen stehen sollen. Die Leistungen seien nicht auf die Systematik des Zweiten Buches übertragbar, weil sie trotz ihrer lebensunterhaltssichernden Funktion bei Verbleib im Leistungskatalog des § 16 Abs 1 SGB II kumulativ zum Alg II zu zahlen wären (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit vom , BT-Drucks 15/2997, S 24 zu Art 1 Nr 9a). Leistungen nach § 16 Abs 1 SGB II sind nämlich gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II ("mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch") bei Geldleistungen des Zweiten Buches nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Stattdessen wurde das Einstiegsgeld gemäß § 29 Abs 1 SGB II ausdrücklich auf die Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit erstreckt, um Beziehern von Grundsicherungsleistungen ein vergleichbares Instrumentarium zur Verfügung zu stellen (BT-Drucks 15/2997, S 24 zu Art 1 Nr 9a). Damit wurde zugleich klargestellt, dass der Existenzgründungszuschuss als Einkommen im Rahmen des § 11 Abs 1 SGB II Berücksichtigung finden soll. Dies führt entgegen der Auffassung des LSG nicht zu einem Wertungswiderspruch, sondern ist Ausdruck des in § 5 Abs 1 SGB II normierten Nachrangs der SGB II-Leistungen gegenüber dem beitragsfinanzierten Existenzgründungszuschuss.
Auch der Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom zur Neufassung des § 57 SGB III durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom (BGBl I 1706) unterstreicht die unterhaltssichernde Funktion des Existenzgründungszuschusses (BT-Drucks 16/1696 S 30). Dort wird darauf abgestellt, dass die Sicherung des Lebensunterhalts zu Beginn der selbstständigen Tätigkeit das größte Problem für Gründungen aus der Arbeitslosigkeit darstelle. Das wegfallende Arbeitslosengeld müsse kompensiert werden. Erfahrungen mit dem Existenzgründungszuschuss zeigten darüber hinaus, dass die soziale Absicherung auch für Selbstständige bedeutsam werde. Der neue Gründungszuschuss trete an die Stelle von Überbrückungsgeld und Existenzgründungszuschuss, die für unterschiedliche Zielgruppen von Arbeitslosen attraktiv gewesen seien. Hieraus wird einmal mehr deutlich, dass sich beide Förderleistungen an denselben Personenkreis mit derselben Zwecksetzung richten. Welches der unterschiedlich ausgestalteten Förderinstrumente im konkreten Fall günstiger war, hing von den Umständen des Einzelfalls ab, etwa von der Höhe der zuvor bezogenen Entgeltersatzleistungen.
Dass der Existenzgründungszuschuss wegfällt, wenn ein Einkommen von mehr als 25.000,-- Euro erzielt wird, stützt ebenfalls die Annahme seiner unterhaltssichernden Funktion. Zwar handelt es sich um eine erhebliche Summe; dass der Zuschuss neben Einkommen bis zu 25.000,-- Euro treten kann, folgt aber schon daraus, dass er nach seiner Höhe keine vollumfänglich bedarfsdeckende Funktion hat. Zu Recht weist die Beklagte außerdem darauf hin, dass die in § 421 l Abs 1 Nr 2 SGB III vorgesehene Obergrenze von 25.000,-- Euro für das zu erwartende Jahreseinkommen den Zweck der Lebensunterhaltssicherung unterstreicht, weil oberhalb dieser Grenze der Lebensunterhalt als gedeckt angesehen werden muss. Dieser Gedanke wird beim Blick auf das kaum höhere vorläufige Durchschnittsentgelt in der Rentenversicherung im Jahr 2003 in Höhe von 29.230,-- Euro bestätigt (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2003 vom , BGBl I 4561).
Schließlich überzeugt auch der Hinweis der Beklagten auf den nach § 421 l Abs 1 Nr 3 SGB III erforderlichen Nachweis einer tragfähigen Existenz. Das Gesetz stellt insofern nicht darauf ab, ob prognostisch die Betriebsausgaben gedeckt werden, sondern ob mit dem Existenzgründungszuschuss nur eine vorübergehende soziale Abfederung in der Gründungsphase erfolgt. Für die Frage der Tragfähigkeit ist wie beim Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III zu fragen, ob zu erwarten ist, dass die selbstständige Tätigkeit auf Dauer eine ausreichende Lebensgrundlage bilden wird (vgl Götze in GK-SGB III, Stand November 2007, § 57 RdNr 16; Winkler in Gagel, SGB III, Stand September 2007, § 421 l RdNr 13 f).
Da die Zweckbestimmung des Existenzgründungszuschusses als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts durch den Gesetzgeber getroffen wird, ist die subjektive Vorstellung der zuschussgewährenden Behörde, soweit sie im Wortlaut des Bewilligungsbescheides ihren Ausdruck findet, anders als die Kläger meinen, für die Zweckbestimmung des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II nicht maßgeblich. Mit der Bezugnahme auf "die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am " wird im übrigen nur der Beginn des Leistungszeitraumes verbindlich festgelegt, nicht der Zweck der Leistung.
Das LSG wird für die Berechnung der Leistungshöhe noch im Einzelnen festzustellen haben, ob und in welcher Höhe der Kläger zu 2) tatsächlich Einkommen aus seiner selbstständigen Tätigkeit erzielt hat und welche Beträge nach § 11 Abs 2 SGB II hiervon abzuziehen sind. Nachzuholen sind auch Feststellungen zu sonstigem Einkommen sowie etwaigem Vermögen, das nach §§ 11 und 12 SGB II zu berücksichtigen sein könnte. Schließlich sind die nach § 22 SGB II von der Beklagten zu übernehmenden Kosten für Unterkunft und Heizung betragsmäßig festzustellen. Im Rahmen der Zurückverweisung wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 7/2009 S. 473
PAAAC-80686