BFH Beschluss v. - I B 18/08

Keine Beiladung bei widerstreitender Steuerfestsetzung

Gesetze: AO § 174 Abs. 5

Instanzenzug:

Gründe

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Beiladung gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) in einem finanzgerichtlichen Verfahren.

In einem Rechtsstreit der Klägerin und Beschwerdeführerin zu 1. (Klägerin), einer GmbH, gegen die Festsetzungen zur Körperschaftsteuer 2000 und zum Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2000 bzw. gegen die Feststellungen gemäß § 47 Abs. 1 und 2 des Körperschaftsteuergesetzes zum hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) beantragt, die X-GmbH & Co. KG —als Rechtsnachfolgerin der Y-GmbH— (Beigeladene und Beschwerdeführerin zu 2. —Beigeladene—) beizuladen. Die Beigeladene hatte sich im Rahmen eines sogenannten Rücklagenmanagementsystems —das mit anderen Beteiligten Gegenstand des Senatsurteils vom I R 97/05 (BFHE 214, 276) und des Senatsbeschlusses vom I B 98/07 (BFH/NV 2007, 2276) war— an der Klägerin beteiligt und war Empfängerin einer Gewinnausschüttung. Die Klägerin hatte insoweit zunächst Anmeldungen zur Kapitalertragsteuer (und zum Solidaritätszuschlag) abgegeben; später hat das FA die angemeldeten Beträge auf Antrag der Klägerin auf Null DM herabgesetzt. Das Finanzgericht (FG) hat dem Antrag des FA auf Beiladung entsprochen (). Das FG hat den von der Klägerin und der Beigeladenen erhobenen Beschwerden nicht abgeholfen (Beschlüsse vom 13 K 5369/04 R 4/08 und vom 13 K 5369/04 R 13/08).

Mit den Beschwerden, die beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem einheitlichen Aktenzeichen I B 18/08 erfasst sind, wird beantragt, die Beiladung aufzuheben.

Das FA hat auf eine Stellungnahme verzichtet.

II. Die Beschwerde ist begründet. Da die Voraussetzungen für eine Beiladung der Beigeladenen gemäß § 174 Abs. 5 AO nicht erfüllt sind, ist der angefochtene Beiladungsbeschluss rechtsfehlerhaft und daher aufzuheben (§ 132 der Finanzgerichtsordnung).

1. Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden (§ 174 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AO). Dies gilt auch gegenüber Dritten, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides geführt hat, beteiligt waren (§ 174 Abs. 5 Satz 1 AO). Ihre Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig (§ 174 Abs. 5 Satz 2 AO). Eine Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO setzt voraus, dass ein Steuerbescheid möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben oder zu ändern ist, dass sich hieraus möglicherweise steuerrechtliche Folgerungen für einen Dritten durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides ziehen lassen und dass das FA die Beiladung veranlasst und beantragt hat. Dabei hat das FG im Beiladungsverfahren noch nicht abschließend zu prüfen, ob die formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Änderung des Steuerbescheides vorliegen; denn die Beiladung darf die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen. Sie dient vielmehr lediglich der frühzeitigen Beteiligung aller Betroffenen und damit der richtigen Besteuerung. Danach reicht es für eine Beiladung gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO aus, dass sich bei einem Erfolg der Klage eine Folgeänderung i.S. des § 174 Abs. 4 und 5 AO ergeben kann. Hingegen ist nicht zu prüfen, ob eine etwaige Folgeänderung Bestand hätte. Die der Rechtswahrung dienende Drittbeteiligung ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn eindeutig feststeht, dass es zu einer Heranziehung des Dritten, z.B. wegen Festsetzungsverjährung, nicht mehr kommen, dieser also eindeutig rechtlich nicht betroffen sein kann (vgl. , BFH/NV 2007, 199, m.w.N.).

2. In Anwendung dieser Grundsätze hat das FG die Beigeladene zu Unrecht beigeladen.

a) Das FG hat die Beiladung damit begründet, dass es sinnvoll sei, eine widerspruchsfreie Besteuerung zu ermöglichen. Die Beiladung trage dem Umstand Rechnung, dass die steuerliche Behandlung der Vorzugsdividende bei der ausschüttenden Gesellschaft und dem empfangenden Gesellschafter in getrennten und eigenständigen Verfahren entschieden werde. Es reiche aus, dass sich bei einem Erfolg der Klage eine Folgeänderung i.S. des § 174 Abs. 4 und 5 AO ergeben könne. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Eintritt der Festsetzungsverjährung möglichen Folgeänderungen bei der Beigeladenen entgegenstehe.

b) Der Streitfall ist dadurch gekennzeichnet, dass zwischen der Klägerin und der Beigeladenen vertragliche Beziehungen bestehen, die den festsetzenden bzw. feststellenden Finanzämtern bekannt sind, und sich nach dem Verständnis der Vertragsparteien dahin auswirken, dass bei der Klägerin die Ausschüttungsbelastung herzustellen (Körperschaftsteuer-Minderung) und bei der Beigeladenen ein steuerpflichtiger Ertrag (Gewinnausschüttung) anzusetzen ist. Das FA hat bei der streitgegenständlichen Besteuerung der Klägerin bewusst eine davon abweichende rechtliche Würdigung in der Weise in den im Klageverfahren angefochtenen Bescheiden umgesetzt, dass die Ausschüttungsbelastung bei der Klägerin nicht anzusetzen ist. § 174 Abs. 4 und 5 AO hat die Aufgabe, zu gewährleisten, dass bei dem Dritten „nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgen gezogen werden”, wenn der angefochtene Steuerbescheid zugunsten des Steuerpflichtigen geändert wird. Wenn der angefochtene Steuerbescheid im Streitfall zugunsten der Klägerin geändert wird (deklarationsentsprechende Besteuerung unter steuerrechtlicher Anerkennung eines Beteiligungserwerbes mit nachfolgender Gewinnausschüttung unter Herstellung der Ausschüttungsbelastung), könnte § 174 Abs. 4 und 5 AO allenfalls eine belastende Folgeänderung bei der Beigeladenen auslösen (hier: Ansatz von Betriebseinnahmen infolge einer erhaltenen Gewinnausschüttung). Ein solcher Ansatz ist aber (zur Verwirklichung des mit der Gestaltung verfolgten Zwecks) bereits erfolgt. Der darüber geführte Rechtsstreit ist durch das Senatsurteil in BFHE 214, 276 rechtskräftig in der Weise abgeschlossen, dass bei der Beigeladenen Betriebseinnahmen auszusetzen sind. Es stehen damit, wenn die Klägerin im Klageverfahren obsiegen sollte, keine (weiteren) belastenden Folgen für die Steuerfestsetzung bzw. Einkünftefeststellung der Beigeladenen im Raum.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen; die Kosten des Rechtsmittels gegen eine Zwischenentscheidung gehören bei einem Erfolg des Rechtsmittels zu den Kosten der Hauptsache (z.B. BFH-Beschlüsse vom VIII B 33/02, BFH/NV 2003, 927; vom VI B 57/03, BFH/NV 2005, 71).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1109 Nr. 7
RAAAC-80266