BGH Beschluss v. - V ZB 107/07

Leitsatz

[1] a) Nach § 98 Satz 2 ZVG beginnt die Beschwerdefrist im Falle der Zuschlagserteilung auch dann mit der Verkündung des Beschlusses im Versteigerungstermin zu laufen, wenn sich der Bieter in dem Termin vertreten lässt und der Vertreter über eine uneingeschränkte Verfahrensvollmacht verfügt.

b) Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn der Bieter bei Einlegung der Zuschlagsbeschwerde anwaltlich vertreten war.

Gesetze: ZVG § 98 Satz 2; ZPO § 233 D; ZPO § 234 B; ZPO § 236 Abs. 2 C

Instanzenzug: AG Hanau, 42 K 267/04 vom LG Hanau, 3 T 129/07 vom

Gründe

I.

Am fand die öffentliche Teilungsversteigerung von zwei Eigentumswohnungen statt, die im Miteigentum des Antragstellers und der Antragsgegnerin standen. In diesem Termin ließ sich die Antragsgegnerin von ihrem Sohn vertreten. In der dem Vollstreckungsgericht vorgelegten öffentlich beglaubigten Vollmacht heißt es:

"Ich bevollmächtige hiermit Herrn B. ... mich in beiden Verfahren betreffend die Zwangsversteigerung 42 K 267/04 und 42 K 268/04 ... zu vertreten. Es soll auch ermächtigt sein, für mich zu bieten, den Zuschlag für mich zu beantragen, die Rechte aus dem Meistgebot an einen anderen abzutreten oder für mich zu übernehmen, den auf mich entfallenden Teil des Versteigerungserlöses für mich in Empfang zu nehmen, Eintragungen aller Art im Grundbuch zu bewilligen und zu beantragen, Vereinbarungen über das Bestehenbleiben von Rechten zu treffen, überhaupt alle Erklärungen für mich abzugeben, die in dem Verfahren in Betracht kommen."

Nachdem der Sohn die höchsten Einzelgebote abgegeben hatte, wurde der Antragsgegnerin am Ende des Termins der Zuschlag erteilt.

Mit Fax vom hat die mittlerweile anwaltlich vertretene Antragsgegnerin gegen den Zuschlagsbeschluss "Einspruch" einlegen lassen. Mit Schriftsatz vom hat sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen und hierzu ausgeführt, die sofortige Beschwerde sei nicht fristgerecht eingelegt worden. Die Zweiwochenfrist des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO sei bereits am in Lauf gesetzt worden (§ 98 Satz 1, 1. Alt. ZVG). Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Die Antragsgegnerin sei nicht ohne Verschulden an einer fristwahrenden Beschwerdeeinlegung gehindert gewesen. Da das Vollstreckungsgericht über das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nicht habe belehren müssen, scheide auch eine Wiedereinsetzung analog § 44 Satz 2 StPO aus. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihre Anträge weiter.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde zu Recht als unzulässig verworfen.

1. Die Antragsgegnerin hat ihr als sofortige Beschwerde auszulegendes Rechtsmittel nicht innerhalb der gesetzlichen Zweiwochenfrist (§ 96 ZVG i.V.m. § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO) eingelegt.

a) Nach § 98 Satz 2 ZVG beginnt die Beschwerdefrist im Falle der Zuschlagserteilung für die im Versteigerungstermin oder im Verkündungstermin anwesenden Beteiligten bereits mit der Verkündung des Beschlusses zu laufen. Für den Fall, dass sich ein Beteiligter vertreten lässt, gilt jedenfalls dann nichts anderes, wenn der Vertreter über eine uneingeschränkte Verfahrensvollmacht verfügt (Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 98 Rdn. 2.1; vgl. auch OLG Stuttgart, JurBüro 1976, 972, 974; OLG Frankfurt, Rpfleger 1977, 417, 418).

Dass es hier so liegt, hat das Beschwerdegericht ohne Rechtsfehler angenommen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht dem die Überschrift in der Vollmachtsurkunde "Zwangsversteigerungsvollmacht mit Ermächtigung zum Bieten" nicht entgegen. In der Erklärung ist unzweideutig und ohne jede Einschränkung von einer Vollmachterteilung für die Verfahren 42 K 267/04 und 42 K 268/04 die Rede. Sodann wird lediglich beispielhaft aufgeführt, zu welchen Handlungen die Vollmacht "auch ermächtigt". Beschränkungen der Vollmacht lassen sich daraus nicht herleiten. Begann danach die Zweiwochenfrist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde bereits mit der Verkündung des Zuschlagsbeschlusses am zu laufen, konnte das erst am eingelegte Rechtsmittel diese Frist nicht mehr wahren.

b) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das Vollstreckungsgericht keine Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Eine solche Belehrung sieht weder das Zwangsversteigerungsgesetz noch die grundsätzlich auch im Zwangsversteigerungsverfahren anwendbare Zivilprozessordnung (§ 869 ZPO) vor. Allerdings hat der Senat eine dahingehende Verpflichtung für das frühere - von dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beherrschte - WEG-Verfahren unmittelbar aus der Verfassung unter dem Blickwinkel des Anspruchs der Rechtssuchenden auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 i.V.m dem Rechtsstaatsprinzip und Art. 3 Abs. 1 GG) hergeleitet (BGHZ 150, 390, 393 ff.; ebenso für das gesamte Verfahren FGG-Verfahren nunmehr OLG Hamm, OLGR 2003, 302 ff.). Ob eine solche Verpflichtung zur Rechtsmittelbelehrung auch für das Zwangsversteigerungsverfahren anzunehmen ist, braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden. Unterbleibt nämlich eine von der Verfahrensordnung nicht vorgesehene, aber gleichwohl von Verfassungs wegen gebotene Rechtsmittelbelehrung, hindert dies nicht den Beginn des Laufs der Rechtsmittelfrist. Vielmehr ist der Rechtssuchende in solchen Fällen auf den Weg der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verwiesen. Dabei kommt ihm - entsprechend dem Rechtsgedanken aus § 44 Satz 2 StPO - die unwiderlegliche Vermutung zugute, dass ihn an der Versäumung der Rechtsmittelfrist kein Verschulden trifft, sofern der Belehrungsmangel für die Versäumung der Rechtsmittelfrist ursächlich geworden ist (Senat, BGHZ, aaO., 397 ff.).

2. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor. Der Antrag ist unzulässig.

a) Nach § 234 Abs. 1 ZPO muss die Wiedereinsetzung innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden, die mit dem Tag beginnt, an dem das Hindernis behoben ist (§ 234 Abs. 2 ZPO). Behoben ist das Hindernis, wenn sein Weiterbestehen nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann. Bei der Vertretung durch einen Rechtsanwalt, dessen Verschulden dem Wiedereinsetzung Beantragenden nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist (Senat, Beschl. v. , V ZB 12/94, NJW 1994, 2299; , NJW 2000, 592), beginnt diese Frist daher spätestens in dem Zeitpunkt, in dem der Anwalt bei Anwendung der unter den gegebenen Umständen zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Säumnis hätte erkennen können (vgl. nur aaO; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 234 Rdn. 5b m.w.N.); auch der Wegfall des Hindernisses vor Ablauf einer später versäumten Notfrist setzt die Frist des § 234 ZPO in Lauf (, NJW-RR 1990, 830 m.w.N.). Dabei liegt es auf der Hand, dass von einem Rechtsanwalt ohne weiteres erwartet werden muss, dass er sich bei der Einlegung eines Rechtsmittels vergewissert, ob dieses noch innerhalb der dafür vorgesehenen Frist eingelegt werden kann und ob - sofern eine Fristwahrung nicht mehr möglich ist - ein Wiedereinsetzungsantrag veranlasst ist.

aa) Da zur Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen und damit zum notwendigen Inhalt eines Wiedereinsetzungsgesuchs grundsätzlich Sachvortrag gehört, aus dem sich ergibt, dass der Antrag rechtzeitig nach der Behebung des Hindernisses (§ 234 Abs. 2 ZPO) gestellt worden ist (, BGHReport 2004, 57 m.w.N.), scheitert das Wiedereinsetzungsgesuch vom schon daran, dass entgegen § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO weder darlegt noch glaubhaft gemacht worden ist, wann der Verfahrensbevollmächtigte mit der Sache betraut worden ist und wann er sich mit ihr erstmals befasst hat. Von einer entsprechenden Darlegung und Glaubhaftmachung kann nur abgesehen werden, wenn die Frist nach Lage der Akten offensichtlich eingehalten worden ist (vgl. , NJW 2000, 592 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.

bb) Davon abgesehen ist das in der behaupteten Unkenntnis der Antragsgegnerin liegende Hindernis spätestens am , dem Tag der Einlegung des als Einspruch bezeichneten Rechtsmittels, entfallen; jedenfalls von diesem Zeitpunkt an begann die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist zu laufen. Aus der Rechtsmittelschrift vom ergibt sich, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin über die Zuschlagserteilung im Versteigerungstermin vom informiert war und damit bereits zu diesem Zeitpunkt die Notwendigkeit der Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages unschwer hätte erkennen können. Dass der Antragsgegnerin nach ihrem Vorbringen erst nach dem bekannt geworden ist, dass die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde bereits abgelaufen war, ändert hieran nichts.

b) Die Zurechnung des Anwaltsverschuldens führt nicht zu Wertungswidersprüchen mit der hier in Rede stehenden Heranziehung des Rechtsgedanken aus § 44 Satz 2 StPO. Wie bereits dargelegt, wird fehlendes Verschulden nur dann unwiderlegbar vermutet, wenn der Belehrungsmangel für die Versäumung der Rechtsmittelfrist ursächlich geworden ist. Dieser Zusammenhang zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumnis erlaubt es, insbesondere die Fälle von einer Wiedereinsetzung auszunehmen, in denen ein Beteiligter zur effizienten Verfolgung seiner Rechte der Unterstützung durch eine Rechtsmittelbelehrung nicht (vgl. dazu Senat, BGHZ 150, 390, 399 m.w.N.; zur Entbehrlichkeit einer Rechtsmittelbelehrung in Notarsachen wegen Rechtskenntnis der Beteiligten vgl. BGHZ 42, 390, 391 f; , DNotZ 1979, 373, 375; Beschl. v. , NotZ 4/81, DNotZ 1982, 381) oder - wie hier - nicht mehr bedarf (vgl. KG, NJW-RR 2002, 1583). Zudem hat der Senat zur Wiedereinsetzung nach § 22 Abs. 2 Satz 2 FGG bereits entschieden, dass der geringeren Schutzbedürftigkeit eines anwaltlich vertretenen Beteiligten Rechnung getragen werden kann (Beschl. v. , aaO, m.w.N.). Unterstellt man das Erfordernis einer Rechtsmittelbelehrung in Konstellationen der vorliegenden Art, kann vor dem Hintergrund der Zurechnungsnorm des § 85 Abs. 2 ZPO für das Wiedereinsetzungsverfahren nach der Zivilprozessordnung nichts anderes gelten.

III.

Ein Ausspruch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens scheidet aus, weil sich die Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen. Das steht einer Anwendung von § 97 Abs. 1 ZPO entgegen (vgl. dazu insbesondere Senat, BGHZ 170, 378, 381; ferner Beschl. v. , V ZB 142/05, WM 2006, 1727, 1730). Etwas anderes kann zwar im Verfahren der Teilungsversteigerung gelten, wenn sich Miteigentümer mit entgegengesetzten Interessen und Anträgen gegenüber stehen (Senatsbeschl. v. , V ZB 168/05, NJW-RR 2007, 143). So liegt es hier jedoch nicht, weil sich die Antragsgegnerin lediglich in ihrer Eigenschaft als Bieterin gegen den Zuschlag und die damit einhergehenden finanziellen Belastungen wendet. Dass sie zugleich als Antragsgegnerin in dem Verfahren beteiligt ist, ändert hieran nichts.

Fundstelle(n):
NJW-RR 2008 S. 1084 Nr. 15
WM 2008 S. 1567 Nr. 33
UAAAC-79861

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja