BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 2325/07

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 33 Abs. 5

Instanzenzug: BSG, B 12 KR 18/06 R vom

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass seit dem auf Versorgungsbezüge Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz erhoben werden.

I.

Die 1921 geborene Klägerin ist seit Juli 1982 Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse und seit August 1982 bei dieser als Rentnerin pflichtversichert. Sie bezieht neben einer Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von der Wehrbereichsverwaltung West ein Witwengeld nach dem Soldatenversorgungsgesetz. Im Januar 2004 betrug ihre Witwenrente 619,14 € und das Witwengeld 2.069,48 €.

Seit dem werden aus dem Witwengeld Beiträge zur Krankenversicherung nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz der Krankenkasse statt wie bisher nach dem halben allgemeinen Beitragssatz erhoben. Die dagegen gerichtete Klage ist vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit erfolglos geblieben. Das -, JURIS) hat ausgeführt, die Verdoppelung der Beitragslast auf Versorgungsbezüge sei auch für Rentner-Pensionäre mit dem Grundgesetz vereinbar. Verfassungsrechtliche Prinzipien der Beamtenversorgung verletze dies jedenfalls deshalb nicht, weil die Beschwerdeführerin zu früheren Zeitpunkten die Möglichkeit gehabt habe, sich von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung befreien zu lassen, hiervon jedoch keinen Gebrauch gemacht habe. Diese Wahlentscheidung könne bei einer alle in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Rentner treffenden Änderung des Beitragsrechts nicht unberücksichtigt bleiben und zu einer Privilegierung gegenüber anderen pflichtversicherten Rentnern führen.

Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 33 Abs. 5 GG.

Die Neuregelung führe zu einer übermäßigen, gleichheitswidrigen und mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums unvereinbaren Beitragsbelastung der Empfänger beamtenrechtlicher Versorgungsbezüge. Zum Kernbestand der beamtenrechtlichen Strukturprinzipien gehöre die amtsangemessene Besoldung und Versorgung. Erforderliche Krankenversicherungsprämien dürften den amtsangemessenen Lebensunterhalt nicht gefährden. Die Neuregelung der Beitragssätze der gesetzlichen Krankenversicherung verletze diesen Grundsatz. Ihr würden unverhältnismäßig hohe Beiträge abverlangt, für welche die beamtenrechtliche Beihilfe wegen des Sachleistungsgrundsatzes der gesetzlichen Krankenversicherung keine Kompensation biete. Die existenzsichernde Vollversorgung für einen Beamten und seine Hinterbliebenen dürfe beitragsrechtlich nicht mit Zusatzleistungen gleichgestellt werden, die private Arbeitnehmer neben ihrer die existenzielle Grundsicherung bildenden Rente ergänzend erhielten. Dementsprechend müsse es für die Versorgungsbezüge der Beamten und ihrer Hinterbliebenen wie bei der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei dem Grundsatz einer hälftigen Beitragsbelastung verbleiben. Bei der Einführung einer vollen Beitragsbelastung der Beamtenruhegehälter habe daher die Notwendigkeit bestanden, den Dienstherrn an der Beitraglast zu beteiligen.

Der Hinweis des Bundessozialgerichts auf eine von ihr getroffene Wahlentscheidung für die gesetzliche Krankenversicherung gehe an der Wirklichkeit vorbei. Die 1982 eingetretene Mitgliedschaft sei Folge des Rentenbezugs. Zu einem späteren Zeitpunkt sei eine Befreiung nicht in Betracht gekommen, da eine private Krankenversicherung nicht finanzierbar gewesen sei.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu. Die hier mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen sind in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt; denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Das , JURIS) eine Verfassungsbeschwerde, die sich gegen § 248 Satz 1 SGB V in der Fassung des Art. 1 Nr. 148 Buchstabe a des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom (BGBl I S. 2190) richtete, nicht zur Entscheidung angenommen. Denn die seit dem geltende Regelung, dass auf Versorgungsbezüge Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz erhoben werden, ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Auf die Gründe dieses Beschlusses wird Bezug genommen.

2. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 33 Abs. 5 GG rügt, scheidet diese Vorschrift als verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab aus. Denn zu den Beamten im Sinne dieses Artikels gehören nicht die Soldaten und demzufolge erst recht nicht ihre Hinterbliebenen. Art. 33 Abs. 5 GG enthält nach Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck keine institutionelle Garantie des Berufssoldatentums (vgl. BVerfGE 3, 288 <334>; 16, 94 <110 f.>). Auch wenn das Recht der Berufssoldaten dem der Beamten in vielem ähnlich ist, besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung zu einer solchen Angleichung (Maunz in Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, Art. 33 Rn. 51). Jedoch ist der Versorgungsanspruch der Soldaten und ihrer Hinterbliebenen durch Art. 14 GG in gleicher Weise geschützt wie derjenige des Berufsbeamten; die Maßstäbe des Art. 33 Abs. 5 GG sind auch im Rahmen des Art. 14 GG zugrunde zu legen (vgl. BVerfGE 16, 94 <110 ff.>; 76, 256 <294>). Im Rahmen einer zulässig erhobenen Verfassungsbeschwerde kann das Bundesverfassungsgericht die Prüfung auch an nicht ausdrücklich als verletzt gerügten Grundrechten ausrichten (vgl. BVerfGE 71, 202 <204>; stRspr).

3. Bei einer Prüfung am Maßstab des Art. 14 GG ist die angegriffene Vorschrift nicht zu beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in der Entscheidung vom (2 BvL 18/84, BVerfGE 79, 223 ff.), welche die Berücksichtigung der Versorgungsbezüge neben der Rente bei Rentner-Pensionären betraf, dargelegt, dass die krankenversicherungsrechtlichen Bestimmungen über die Beitragspflicht auf die Höhe der dem Rentner-Pensionär gewährten Alimentation keinen Einfluss haben, also das zustehende Ruhegehalt nicht verringern. Die Vorschriften bewirken lediglich, dass der Rentner-Pensionär den Teil seiner Alimentation, den er als Beitrag an die Krankenversicherung der Rentner abführt und damit für seine Krankheitsvorsorge aufwendet, nicht mehr anderweitig verwenden kann. Darüber, in welcher Weise ein Ruhegehaltsteil für die Krankheitsvorsorge zu verwenden ist, enthalten die für die Alimentation geltenden verfassungsrechtlichen Grundsätze aber keine näheren Vorgaben. Für den soldatenrechtlichen Versorgungsbezug gilt nichts anderes.

Die Erhebung von Beiträgen nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz bedeutet für die Beschwerdeführerin auch keine unverhältnismäßige Belastung. Die Verdoppelung der Beitragslast für Versorgungsbezüge ist zwar erheblich, aber nicht mit einer grundlegenden Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse verbunden (vgl. hierzu - im Hinblick auf Art. 14 Abs.1 GG - BVerfGE 82, 159 <190>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2137/06, JURIS). Einen darüber hinausgehenden, aus dem Soldatenrechtsverhältnis herrührenden Schutz vermittelt Art. 14 Abs. 1 GG der Beschwerdeführerin nicht. Insoweit kann nicht unbeachtet bleiben, dass die Pflichtmitgliedschaft der Beschwerdeführerin in der Krankenversicherung der Rentner die Folge einer von ihr getroffenen Entscheidung für diese Form der Absicherung gegen das Risiko der Krankheit ist. Bei Versicherungsbeginn im Juli 1982 hatte sie die Möglichkeit, sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen und stattdessen private Vorsorge zu treffen (§ 173a RVO). Hiervon hat sie ebenso wenig Gebrauch gemacht wie von der - im Hinblick auf die ab eingeführte Beitragspflicht auf Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen - durch das Rentenanpassungsgesetz 1982 vom (BGBl I S. 1205) in § 534 Abs. 1 RVO nochmals eröffneten Möglichkeit der Befreiung. Als Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung genießt die Beschwerdeführerin aber nicht nur die damit verbundenen Vorteile, sondern trägt mit den anderen Versicherten auch die Risiken (vgl. BVerfGE 69, 272 <314>).

Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, wegen der mit der Verdoppelung der Beitragspflicht einhergehenden Belastung müsse sich der Dienstherr an der Beitragslast beteiligen, kann dies eine Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung stehenden Vorschrift nicht begründen. Verfassungsrechtlich ist es nicht geboten, an der Finanzierung des Beitrages aus Versorgungsbezügen Dritte in der Weise zu beteiligen, wie dies im Rahmen der Arbeitnehmerversicherung für die Arbeitgeber und im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner für die Rentenversicherungsträger durch §§ 249, 249a SGB V gesetzlich angeordnet ist (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2137/06 -, JURIS). Sofern die zur Abwendung von krankheitsbedingten Belastungen erforderlichen Krankenversicherungsbeiträge einen solchen Umfang erreichen, dass der angemessene Lebensunterhalt nicht mehr gewährleistet ist, wäre eine entsprechende Korrektur der Besoldungs- und Versorgungsgesetze, die das Alimentationsprinzip konkretisieren, geboten (vgl. BVerfGE 58, 68 <77 f.>; 83, 89 <98>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 2566/94 -, JURIS).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
QAAAC-79161