Anwendbarkeit der Einkunftsgrenze bei Ehegatten; Zusammenrechnung der Einkünfte beider Ehegatten unabhängig von der Ausübung des Veranlagungswahlrechts verfassungsgemäß
Gesetze: EigZulG § 5, EStG § 26, GG Art. 3, GG Art. 6
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die im Streitjahr (2005) zur Einkommensteuer getrennt veranlagten Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) errichteten auf ihrem Grundstück ein Einfamilienhaus, das im Streitjahr fertig gestellt wurde und das die Kläger seither selbst bewohnen.
Die Klägerin beantragte im Streitjahr Eigenheimzulage und bezeichnete sich allein als Anspruchsberechtigte. Die für die Eigenheimzulage maßgeblichen Einkünfte im Streitjahr (Erstjahr) und im vorangegangenen Jahr betrugen insgesamt 165 442 €.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) lehnte den Antrag ab, weil die Summe der positiven Einkünfte der Kläger im Erstjahr (Streitjahr) und im vorangegangenen Jahr den nach § 5 Satz 2 des Eigenheimzulagegesetzes in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 (HBeglG 2004) vom (BGBl I 2003, 3076) —EigZulG— von 140 000 € übersteige.
Die hiergegen gerichtete Klage, mit der die Kläger Eigenheimzulage von 1 250 € pro Jahr begehrten, hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gewährte der Klägerin entsprechend ihrem Miteigentumsanteil Eigenheimzulage von 625 € und wies die Klage im Übrigen ab. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 1406 veröffentlichten Urteil führte es zur Begründung aus, § 5 Satz 2 EigZulG sei in der Weise auszulegen, dass die Eheleute im Erstjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden müssten. Nur in diesem Fall könne eine Summe der positiven Einkünfte gebildet werden. Diese am Wortlaut und der Systematik orientierte Auslegung sei auch verfassungsrechtlich zwingend geboten. Denn sonst würden Eheleute im Verhältnis zu nicht verheirateten Lebenspartnern benachteiligt. Letztere könnten den Fördergrundbetrag für den geringer verdienenden Partner in Höhe des ihm entsprechenden Miteigentumsanteils erhalten. Deshalb sei es auch Ehepaaren nicht zu verwehren, über die Wahl der getrennten Veranlagung nach § 26a des Einkommensteuergesetzes (EStG) den nämlichen Effekt zu erzielen.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die es auf die Verletzung von § 5 Satz 2 EigZulG stützt und beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu der Frage einzuholen, ob die Vorschrift des § 5 Satz 2 EigZulG in ihrer Fassung ab dem mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist.
II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat § 5 Satz 2 EigZulG verletzt, indem es der Klägerin Eigenheimzulage in Höhe von 625 € gewährt hat. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Eigenheimzulage.
1. Ehegatten, die im Erstjahr die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG erfüllen, können Eigenheimzulage ab dem Jahr (Erstjahr) beanspruchen, in dem die Summe der positiven Einkünfte der Eheleute nach § 2 Abs. 2 EStG des Erstjahres zuzüglich der positiven Einkünfte der Eheleute des vorangegangenen Jahrs 140 000 € nicht übersteigt. Das Gesetz stellt nach seinem Wortlaut auf die in § 26 Abs. 1 EStG enthaltenen Voraussetzungen der Ehegattenveranlagung ab und nicht auf ein im Sinne der Zusammenveranlagung nach § 26b EStG ausgeübtes Wahlrecht. Es kommt mithin nicht darauf an, ob die Ehegatten die Zusammenveranlagung (§ 26b EStG), die getrennte Veranlagung (§ 26a EStG) oder die besondere Veranlagung (§ 26c EStG) wählen. Maßgebend ist nur, dass sie nicht dauernd getrennt leben (vgl. dazu jüngst Bundesfinanzhof —BFH—, Urteil vom I R 64/06, BFH/NV 2007, 1893, m.w.N.).
a) Eine vom Wortlaut der Vorschrift abweichende Auslegung, die auf die tatsächlich von den Ehegatten gewählte Veranlagungsform der Zusammenveranlagung abhebt, ist entgegen der Auffassung des FG systematisch nicht geboten.
aa) Zwar werden nur bei einer Zusammenveranlagung die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, nach § 26b EStG mit der Folge einer gemeinsamen Summe der Einkünfte zusammengerechnet. Indes muss die Summe der positiven Einkünfte unabhängig von § 26b EStG aufgrund des § 5 Satz 2 EigZulG für die Zwecke der Eigenheimzulage gesondert berechnet werden, und zwar auch schon nach § 5 Satz 2 EigZulG in der Fassung vor der hier maßgebenden durch das HBeglG 2004 (a.a.O.) —EigZulG a.F.— für die Einkünfte des dem Erstjahr vorangehenden Jahres; denn für dieses Jahr forderte das Gesetz keine Zusammenveranlagung der Ehegatten.
bb) Überdies würde eine vom Wortlaut abweichende Auslegung die Intention des Gesetzgebers verfehlen; denn die Änderung des Gesetzeswortlauts durch das HBeglG 2004 (a.a.O.) bestand gerade darin, statt —wie noch nach § 5 Satz 2 EigZulG a.F.— auf die Zusammenveranlagung im Erstjahr nunmehr auf die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG abzustellen; und zwar gerade vor allen Dingen deshalb, um Gestaltungen wie im Streitfall zu vermeiden. Dies ergibt sich aus der Begründung zum Entwurf eines Steuervergünstigungsabbaugesetzes, dem die nunmehr geltende, erst durch den Vermittlungsausschuss (BT-Drucks 15/2261 S. 2 f.) —und damit ohne Begründung— in das Gesetz eingefügte Fassung des § 5 Satz 2 EigZulG entspricht. Dadurch sollen Umgehungseffekte verhindert werden, die dadurch entstehen, dass Ehepaare mit einem Hauptverdiener, die grundsätzlich über der Einkunftsgrenze liegen, im Erstjahr eine getrennte Veranlagung durchführen und der Ehegatte, der alleine unter der Einkunftsgrenze liegt, als Alleineigentümer des erworbenen Objekts die gesamte Eigenheimzulage in Anspruch nehmen kann (so BT-Drucks 15/119 S. 55 f.).
b) Eine vom Wortlaut abweichende Auslegung ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten. § 5 Satz 2 EigZulG entspricht vielmehr Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG.
Zwar mag es sein, dass Ehegatten durch diese Regelung gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften insoweit benachteiligt werden, als sie nicht wie einzelne Anspruchberechtigte je für sich Eigenheimzulage begehren können und deshalb auch der innerhalb der Einkunftsgrenze des § 5 Satz 1 EigZulG verdienende Ehegatte keine Förderung beanspruchen kann. Indessen ist diese punktuelle gesetzliche Benachteiligung hinzunehmen, weil die gesetzliche Regelung im Ganzen betrachtet keine Schlechterstellung von Eheleuten bewirkt (vgl. , BVerfGE 107, 205 ff.).
aa) Die Norm behandelt zusammenlebende Eheleute, indem sie deren positive Einkünfte zusammenrechnet, vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 GG folgerichtig wie eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs, in der ein Ehegatte an den Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils zur Hälfte teilhat (vgl. u.a., BGBl I 1982, 1594, BVerfGE 61, 319). Hierzu ist der Gesetzgeber nicht zuletzt deshalb berechtigt, weil Konsumentscheidungen, zu denen nach der Konsumgutlösung (Ersatz der Nutzungswertbesteuerung durch direkte Förderung) auch die Entscheidung über den Erwerb einer eigengenutzten Wohnung gehört, in der Regel nicht isoliert von jedem Ehegatten für sich, sondern typischerweise von und für die Ehegatten, also ehebezogen getroffen werden (so explizit , BVerfGE 32, 260). Das ist auch der Grund, warum das Gesetz Ehegatten selbst bei der dem Prinzip der Individualbesteuerung folgenden getrennten Veranlagung hinsichtlich einzelner Aufwendungen als Einheit behandeln kann (z.B. § 26a Abs. 2 EStG, vgl. dazu , BFH/NV 1994, 229, m.w.N.).
bb) Diese rechtliche Behandlung der Eheleute als Wirtschaftgemeinschaft wirkt sich insgesamt zu ihren Gunsten aus, wobei die Nachteile gegenüber Unverheirateten ausschließlich darauf beruhen, dass das Gesetz Eheleute gemäß dem aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Gebots der Folgerichtigkeit (vgl. , BFH/NV 2005, Beilage 4, 361) eben nicht als Einzelne betrachtet. So sind die Einkünfte der Ehegatten insgesamt maßgeblich mit der —logisch umgekehrt zum Streitfall— günstigen Folge, dass sie auch dann Eigenheimzulage beanspruchen können, wenn die Einkünfte eines Ehegatten die Grenze des § 5 Satz 1 EigZulG überschreiten. Ferner können Ehegatten unabhängig von den Eigentumsverhältnissen Eigenheimzulage für insgesamt zwei Objekte beanspruchen, während bei nicht miteinander verheirateten Steuerpflichtigen schon dann bei beiden Objektverbrauch eintritt, wenn sie gemeinschaftlich eine Wohnung erwerben. Insgesamt enthält daher das Eigenheimzulagengesetz eine die Ehe begünstigende Regelungstendenz in folgerichtiger Ausprägung der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft (vgl. , BFH/NV 2003, 770, und vom III R 51/00, BFH/NV 2003, 1399).
c) Nach diesen Maßstäben haben die Kläger keinen Anspruch auf Eigenheimzulage, weil sie die Einkunftsgrenze des § 5 Satz 2 EigZulG nicht einhalten. Sie erfüllen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG; die Summe ihrer positiven Einkünfte im Erstjahr und dem vorangegangenen Jahr beträgt unstreitig 165 442 € und übersteigt damit 140 000 €.
2. Weil das angefochtene Urteil diesen Grundsätzen nicht entspricht, ist es aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen; denn die Kläger haben keinen Anspruch auf Eigenheimzulage. Auch der Hilfsantrag der Kläger ist zurückzuweisen. § 5 Satz 2 EigZulG ist —wie sich aus den Ausführungen unter II. 1 b) ergibt— verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liegt kein Grund vor, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1128 Nr. 7
EStB 2008 S. 242 Nr. 7
HFR 2008 S. 796 Nr. 8
KÖSDI 2008 S. 15924 Nr. 3
KÖSDI 2008 S. 15928 Nr. 3
KÖSDI 2008 S. 15934 Nr. 3
StBW 2008 S. 6 Nr. 12
NAAAC-78861