Dacherneuerung wegen Asbestbelastung als außergewöhnliche Belastung
Gesetze: EStG § 33
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatten die asbesthaltige Dacheindeckung ihres Wohnhauses im Streitjahr 2000 ersetzt. Die dafür entstandenen Aufwendungen von 71 634 DM machten sie ohne Erfolg als außergewöhnliche Belastung geltend.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es war der Auffassung, die Aufwendungen seien nicht zwangsläufig gewesen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe erst mit Urteil vom III R 6/01 (BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240) und damit nach der Neueindeckung des Daches durch die Kläger über die steuerliche Berücksichtigung von Asbestsanierungen und die dabei zu führenden Nachweise entschieden, sodass im Streitfall ausnahmsweise auch ein nachträglich erstelltes Gutachten ausreichen könnte. Das von den Klägern vorgelegte und am ergänzte Gutachten vom stelle aber lediglich fest, dass die Kunstschiefer-Dachschindeln asbesthaltig gewesen seien und Fasern durch Verwitterung hätten frei werden können. Es belege nicht, dass eine konkrete Gesundheitsgefährdung vorgelegen habe oder unmittelbar bevorgestanden habe. Die Kläger seien bestrebt gewesen, mögliche Gefährdungen zu vermeiden. Dies sei auch daran ersichtlich, dass sie ihr Haus 1996 auf Hausstaub hätten untersuchen lassen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die auf Verfahrensmängel gestützte Beschwerde der Kläger. Sie tragen vor, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht und ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Die nach Auffassung des FG dem Gutachten nicht zu entnehmenden entscheidungserheblichen Informationen hätte der Gutachter darlegen können; der mit der Sanierung beauftragte Dachdeckermeister hätte bestätigt, dass die begutachteten Asbestplatten tatsächlich vom Dach ihres Wohnhauses stammten. Der Gutachter hätte Angaben über Herkunft, Alter, Art und Zustand der untersuchten Platten nachreichen können. Das FG sei aber diesbezüglichen Beweisangeboten nicht gefolgt. In der mündlichen Verhandlung sei nicht mehr über den Anspruchsgrund gesprochen worden, sondern lediglich über die Höhe des Klagebegehrens. Da das FG keine Zweifel am Grund des Klagebegehrens habe erkennen lassen, hätten sie, die Kläger, sich dazu sowie zu dem in der mündlichen Verhandlung unerwähnt gebliebenen, 1996 wegen möglicher Ursachen einer Hausstauballergie angefertigten und deshalb für den vorliegenden Rechtsstreit bedeutungslosen Gutachten nicht äußern können. Eine Rüge in der mündlichen Verhandlung sei nicht möglich gewesen, weil der Verfahrensmangel erst im FG-Urteil zum Ausdruck gekommen sei. Das FG habe insoweit eine Überraschungsentscheidung getroffen.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die von den Klägern gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor.
1. Das FG hat seine Sachaufklärungspflicht nicht verletzt.
a) Auf die Einhaltung des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes kann ein Beteiligter —ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge— verzichten (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung —ZPO—). Ist für ihn erkennbar, dass das FG den vor der mündlichen Verhandlung beantragten Beweis nicht erheben will und unterlässt er es, dies zu rügen, so hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust zur Folge (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom V B 225/03, BFH/NV 2005, 1330, und vom III B 119/05, BFH/NV 2006, 1844, jeweils m.w.N.; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 101 und § 116 Rz 49). Aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG ergibt sich kein Hinweis, dass der Klägervertreter die Vernehmung des Gutachters oder des Dachdeckers (nochmals) beantragt oder das Übergehen eines zuvor schriftsätzlich gestellten Beweisantrages gerügt hätte.
b) Das FG hat allerdings zur Erfüllung seiner Sachaufklärungspflicht den entscheidungserheblichen Sachverhalt so vollständig wie möglich und bis zur Grenze des Zumutbaren, d.h. unter Ausnutzung aller verfügbaren Beweismittel, aufzuklären (, BFH/NV 2000, 1097; BFH-Beschlüsse vom VII B 19/99, BFH/NV 1999, 1635, und vom II B 109/02, BFH/NV 2004, 156) und im Zweifel auch unabhängig von den Beweisanträgen der Beteiligten (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO) von sich aus Beweise zu erheben (, BFH/NV 1989, 38, und vom IX R 101/90, BFHE 174, 301, BStBl II 1994, 660). Lässt das FG Tatsachen oder Beweismittel außer Acht, deren Ermittlungen sich ihm hätten aufdrängen müssen, so verletzt es seine Sachaufklärungspflicht (, BFH/NV 2004, 1498).
Da die materiell-rechtliche Auffassung des FG den Umfang der Sachaufklärungspflicht bestimmt (ständige Rechtsprechung, Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 76 Rz 14, m.w.N.), brauchte das FG den Gutachter und den Dachdecker nicht zu vernehmen. Denn das FG hat die Klage unter Hinweis auf das Senatsurteil in BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240 abgewiesen, weil dem nachträglich erstellten Gutachten nicht zu entnehmen sei, dass bereits Asbestfasern ins Innere des Hauses gelangt gewesen seien oder dies unmittelbar bevorgestanden habe und es damit am Nachweis der konkreten Gefährdung fehle. Die vom FG vermissten Angaben zur Lagerung der Platten im Zeitraum zwischen Dacherneuerung und Begutachtung sowie zu Herkunft, Alter, Verarbeitung und Zustand der Schindeln hätten der Klage danach nicht zum Erfolg verhelfen können.
2. Das FG hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) auch nicht durch eine Überraschungsentscheidung verletzt. Eine verfahrensfehlerhafte Überraschungsentscheidung, wie sie von den Klägern behauptet wird, liegt nur dann vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bisher nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht hätte rechnen können (, BFH/NV 2007, 266).
Eine solche Überraschungsentscheidung ist im Streitfall nicht gegeben, weil der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) zuvor u.a. geltend gemacht hatte, dem Gutachten lasse sich eine unmittelbare und konkrete Gesundheitsgefährdung nicht entnehmen, und sodann in der mündlichen Verhandlung an seinem Antrag auf Abweisung der Klage festhielt. Es handelte sich somit nicht um einen neuen Gesichtspunkt.
Das rechtliche Gehör ist auch nicht dadurch verletzt worden, dass sich das FG zur Begründung seiner Ansicht, die Kläger hätten mögliche Gefährdungen vermeiden wollen, auf die aus den Steuerakten ersichtliche, 1996 erfolgte Untersuchung des Wohnhauses auf Hausstaub bezog. Denn das FG kann Unterlagen, die sich in den ihm vorgelegten —und von den Klägern einsehbaren (§ 78 FGO)— Steuerakten befinden, auch ohne vorherigen Hinweis verwenden (, BFHE 92, 390, BStBl II 1968, 569; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 16 —Verletzung von Hinweis- und Informationspflichten—). Im Übrigen handelte es sich dabei um eine für die Entscheidung —fehlender Nachweis der konkreten Gefährdung— nicht erforderliche Hilfserwägung.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1194 Nr. 7
DAAAC-78847