Sperrbetrag im Anrechnungsverfahren
Leitsatz
Dem EuGH wird die folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Stehen Art. 52 EGV (jetzt Art. 43 EG) bzw. Art. 73b EGV (jetzt Art. 56 EG) der Regelung eines Mitgliedstaates entgegen, nach welcher im Rahmen eines nationalen Systems der Körperschaftsteueranrechnung die Wertminderung von Anteilen durch Gewinnausschüttungen von einem Einfluss auf die Bemessungsgrundlage der Steuer ausgeschlossen wird, wenn ein zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigter Steuerpflichtiger einen Anteil an einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft von einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner erworben hat, während im Anschluss an den Erwerb von einem anrechnungsberechtigten Anteilseigner eine solche Wertminderung die Bemessungsgrundlage der Steuer des Erwerbers mindert?
Gesetze: EStG 1990 § 50c Abs. 1, Abs. 4, Abs. 7KStG 1991 § 50 Abs. 1 Nrn. 1 und 2KStG 1991 § 51UmwStG 1995 § 4 Abs. 4, Abs. 5, Abs. 6 Satz 1UmwStG 1995 § 5 Abs. 3 Satz 1UmwStG 1995 § 13 Abs. 4EGV Art. 52 (= EG Art. 43)EGV Art. 73b(= EG Art. 56)
Instanzenzug: (EFG 2006, 820), ,
Gründe
I. Sach- und Streitstand
Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, ist zum durch eine formwechselnde Umwandlung einer GmbH, der GW GmbH, entstanden. Im Zeitpunkt der Umwandlung waren an der GW GmbH zu 99 % die GV GmbH und zu 1 % (seit ) die S GmbH, eine 100 %ige Tochtergesellschaft der GV GmbH, beteiligt. Da zwischen der GV GmbH und der S GmbH ein Ergebnisabführungsvertrag bestand, gingen die Beteiligten für das vorliegende Verfahren davon aus, dass der GV GmbH (wirtschaftlich gesehen) im Umwandlungszeitpunkt alle Anteile an der GW GmbH zuzurechnen waren. Die GV GmbH hatte zuvor (am ) ihren 95 %igen Anteilsbesitz an der GW GmbH durch den Erwerb der restlichen Anteile (5 %) von ihrer britischen Konzern-Muttergesellschaft —der GG Ltd.— aufgestockt (Kaufpreis: 25 Mio. DM).
Vor der Umwandlung der GW GmbH war auf diese eine weitere GmbH verschmolzen worden. Die GW GmbH hatte —im Zuge einer länderübergreifenden Umstrukturierung— am von der GG Ltd. 99,98 % der Anteile an der deutschen W GmbH (Kaufpreis: 327,5 Mio. DM) und am von einer britischen Gesellschaft, der W Ltd., die restlichen 0,02 % (Kaufpreis: 65 500 DM) erworben. Die W GmbH wurde sodann mit einem Verschmelzungsvertrag rückwirkend zum und ohne Ausgabe neuer Anteile auf ihre alleinige Gesellschafterin —die GW GmbH— verschmolzen. Dadurch ergab sich für die GW GmbH aus der Differenz zwischen dem Bilanzansatz ihrer Anteile an der W GmbH und dem steuerlichen Eigenkapital der W GmbH zum ein Verschmelzungsverlust von 306 028 396 DM, der sich aber steuerlich nicht auswirkte (§ 12 Abs. 2 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes 1995 —UmwStG 1995—).
Die Umwandlung der GW GmbH in die Klägerin erfolgte zu Buchwerten. Zum Umwandlungsstichtag () waren die Anteile an der GW GmbH bei der GV GmbH (einschließlich der S GmbH) mit 500 Mio. DM bilanziert. Die Klägerin berechnete einen Übernahmeverlust (§ 4 Abs. 4 und 5 UmwStG 1995) unter Ansatz eines sogenannten Sperrbetrages nach § 50c des Einkommensteuergesetzes 1990 i.d.F. des Gesetzes zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen Binnenmarkt (Standortsicherungsgesetz) vom (BGBl I 1993, 1569, BStBl I 1993, 774) —EStG 1990— von 22 887 706 DM (Erwerb des 5 %igen Anteils an der GW GmbH von der GG Ltd.) mit 328 096 563 DM. Mit diesem Übernahmeverlust stockte sie den Bilanzansatz eines auf sie übergegangenen Grundstücks auf (§ 4 Abs. 6 Satz 1 UmwStG 1995) und aktivierte einen Marktwert, der unter Ansatz einer Absetzung für Abnutzung in den Folgejahren fortgeschrieben wurde.
Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) vertrat die Auffassung, dass nicht nur der Erwerb der Anteile an der GW GmbH durch die GV GmbH von der Muttergesellschaft GG Ltd. einen die erworbenen Anteile belastenden Sperrbetrag nach § 50c EStG 1990 in Höhe von 22 887 706 DM ausgelöst habe. Auch die Anteile an der W GmbH, die die Klägerin von der GG Ltd. und der W Ltd. erworben hatte, seien mit einem Sperrbetrag in Höhe von 322 565 500 DM belastet gewesen. Dieser zweite Sperrbetrag sei im Zuge der Verschmelzung der W GmbH mit der GW GmbH in Anwendung von § 13 Abs. 4 UmwStG 1995 auf die von der GV GmbH gehaltenen Anteile an der GW GmbH „übergesprungen”. Der sich aus dem Formwechsel der GW GmbH ergebende Übernahmeverlust reduziere sich daher unter Berücksichtigung der Sperrbeträge auf 5 531 063 DM. Dieser Verlust sei ausschließlich als Aufstockungsbetrag für das Grundstück zu verwenden (§ 4 Abs. 6 Satz 1 UmwStG 1995). Die Aktivierung eines Marktwerts und die jährlichen Absetzungen für Abnutzung hierauf entfielen somit. Insoweit stellte das FA in Änderungsbescheiden unter jeweiliger Anpassung der Gewerbesteuer-Rückstellungen erhöhte Gewinne aus Gewerbebetrieb fest.
Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg, soweit es um den Ansatz der Sperrbeträge ging (, Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2006, 820). Sowohl das FA als auch die Klägerin rügen mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen Rechts. Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Revision der Klägerin zurückzuweisen. Die Klägerin beantragt zum Streitpunkt „Sperrbetrag”, die Revision des FA zurückzuweisen; im Übrigen beantragt sie den Ansatz einer höheren Gewerbesteuer-Rückstellung.
II. Rechtslage nach deutschem Recht
Die Entscheidung über die Revision ist von der Beantwortung der im Leitsatz genannten Vorlagefrage abhängig. Sofern diese Frage zu verneinen ist, muss das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage insoweit abgewiesen werden. Ist sie aber zu bejahen, ist die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
1. Geht das Vermögen einer Körperschaft durch Umwandlung auf eine Personengesellschaft über, ist auf der Ebene der Personengesellschaft durch Gegenüberstellung des Wertes, mit dem die übergehenden Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, und dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Körperschaft der Übernahmegewinn/-verlust zu ermitteln (§ 4 Abs. 4 UmwStG 1995). Dies gilt für den Fall, dass eine Körperschaft formwechselnd in eine Personengesellschaft umgewandelt wird, entsprechend (§ 14 UmwStG 1995). Der so ermittelte Übernahmegewinn/-verlust „1. Stufe” ist gemäß § 4 Abs. 5 UmwStG 1995 um die nach § 10 Abs. 1 UmwStG 1995 anzurechnende Körperschaftsteuer und um einen Sperrbetrag i.S. des § 50c EStG 1990 zu erhöhen bzw. zu mindern, soweit die Anteile an der übertragenden Körperschaft am steuerlichen Übertragungsstichtag zum Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft gehörten. Ergibt sich danach weiterhin ein Übernahmeverlust („2. Stufe”), sind die Wertansätze der übergegangenen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter bis zu ihren Teilwerten aufzustocken; ein dann immer noch verbleibender Betrag mindert den Gewinn der übernehmenden Personengesellschaft (§ 4 Abs. 6 UmwStG 1995).
2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund streiten die Beteiligten im Wesentlichen darum, ob der von der Klägerin erzielte Übernahmeverlust um einen Sperrbetrag i.S. des § 50c EStG 1990 gemindert wird, der auf dem Erwerb der Anteile an der W GmbH durch die GW GmbH beruht. Diese Frage ist —entgegen der Annahme der Vorinstanz— nach deutschem Recht zu bejahen.
a) Nach § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 kann ein zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigter Steuerpflichtiger, der einen Anteil an einer in dem Zeitpunkt des Erwerbs oder in dem Zeitpunkt der Gewinnminderung unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft von einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner erwirbt, Gewinnminderungen, die (u.a.) durch den Ansatz des niedrigeren Teilwerts im Jahr des Erwerbs oder in einem der folgenden neun Jahre entstehen, bei der Gewinnermittlung nicht berücksichtigen, soweit der Ansatz des niedrigeren Teilwerts nur auf Gewinnausschüttungen (u.a.) zurückgeführt werden kann und die Gewinnminderungen insgesamt den Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten und dem Nennbetrag des Anteils (sogenannter Sperrbetrag, vgl. § 50c Abs. 4 EStG 1990) nicht übersteigen; wirtschaftlich entspricht dieser Sperrbetrag den vom Erwerber als Teil des Kaufpreises bezahlten offenen Rücklagen bzw. stillen Reserven der Kapitalgesellschaft. Dieser (begrenzten) Nichtberücksichtigung einer Gewinnminderung liegt in erster Linie die Zielsetzung zugrunde, in Fällen der Veräußerung einer Beteiligung durch einen nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner (vgl. § 51 des Körperschaftsteuergesetzes —KStG— 1991 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3, § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1990) die „Abgeltung” des Körperschaftsteuerguthabens über den Kaufpreis zu neutralisieren und dadurch aus Sicht des Anrechnungsverfahrens missbräuchlichen Gestaltungen entgegenzuwirken (vgl. BTDrucks 8/3648, S. 22 ff.; BTDrucks 8/4157, S. 5 f.). Da der Veräußerungsgewinn der inländischen Besteuerung regelmäßig entzogen ist, wird, um dieses Regelungsziel durchzusetzen, in gewisser Weise systemwidrig verfahren und nicht an die Besteuerung des nichtanrechnungsberechtigten Anteilsveräußerers, sondern an die Gewinnermittlung des anrechnungsberechtigten Steuerpflichtigen angeknüpft, indem der ausschüttungs- oder abführungsbedingte Ansatz des niedrigeren Teilwerts bei diesem unberücksichtigt bleibt. Die Belastung der Erträge mit Körperschaftsteuer während der Besitzzeit des Nichtanrechnungsberechtigten wird dadurch bei dem (anrechnungsberechtigten) Anteilserwerber definitiv; eine „Einmalbesteuerung” im Inland wird sichergestellt (Senatsurteil vom I R 41/05, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2008, 501, m.w.N.).
b) Die Voraussetzungen für die Bildung eines Sperrbetrages gemäß § 50c Abs. 1 EStG 1990 waren im Augenblick des Erwerbs der 5 %igen Beteiligung an der GW GmbH durch die GV GmbH und der insgesamt 100 %igen Beteiligung an der W GmbH durch die GW GmbH erfüllt. Dies gilt auch für das zwischen den Beteiligten allein streitige Tatbestandsmerkmal des Erwerbs von einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner.
Die Vorinstanz hat die jeweiligen Anteilsveräußerer —in Großbritannien ansässige Kapitalgesellschaften— nicht als nichtanrechnungsberechtigte Anteilseigner i.S. des § 50c Abs. 1 EStG 1990 angesehen. Dazu hat das FG darauf verwiesen, dass ein in Großbritannien ansässiger Anteilseigner ähnlich dem in Deutschland geltenden Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren eine Steuergutschrift in Höhe der von seiner Kapitalgesellschaft für die ausgeschütteten Gewinne bezahlten „advance corporation tax” erhalte und dass dabei gemäß Art. XVIII Abs. 1 Buchst. b des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom (BGBl II 1966, 359, BStBl I 1966, 730) i.d.F. des Revisionsprotokolls vom (BGBl II 1971, 46, BStBl I 1971, 140) jedenfalls auch die Körperschaftsteuer einzubeziehen sei, die eine deutsche ausschüttende Gesellschaft in Deutschland zu entrichten hatte. Auf dieser Grundlage („Anrechnungsberechtigung”) sei schon der Wortlaut des § 50c Abs. 1 EStG 1990 nicht erfüllt. Dieser Ansicht folgt der Senat nicht.
Der Tatbestand des § 50c Abs. 1 EStG 1990, der einen Erwerb eines Anteils an einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft durch einen zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigten Steuerpflichtigen von einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner erfasst, nimmt auf den Ausschluss von der Anrechnung der Körperschaftsteuer durch § 50 Abs. 5 Satz 2 EStG 1990 und § 51 i.V.m. § 50 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 KStG 1991 Bezug. Dass eine Steueranrechnung im ausländischen Wohnsitz- bzw. Sitzstaat des Anteilseigners auf der Grundlage eines Doppelbesteuerungsabkommens nicht tatbestandserheblich ist, folgt insbesondere aus dem Zweck der Vorschrift, die Einmalbesteuerung in Deutschland erzielter Gewinne mit inländischer Ertragsteuer zu gewährleisten. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn eine —nach welchen Maßgaben auch immer ausgestaltete— Anrechnung deutscher Körperschaftsteuer auf eine ausländische Steuer den Tatbestand des § 50c EStG 1990 ausschließen könnte. Auch zeigt § 50c Abs. 6 EStG 1990, der den Wechsel eines bisher nicht anrechnungsberechtigten Anteilseigners in die Anrechnungsberechtigung regelt, was insbesondere dem Wechsel von der beschränkten in die unbeschränkte Steuerpflicht entspricht (z.B. BTDrucks 8/3648, S. 24), den tatbestandlichen Bezug zu dem auf unbeschränkt Steuerpflichtige abzielenden Anrechnungsverfahren des nationalen Rechts auf. Auf dieser Grundlage geht die ganz herrschende Ansicht davon aus, dass der Tatbestand des § 50c Abs. 1 EStG 1990 bei beschränkter Steuerpflicht des Veräußerers stets anzuwenden ist, ohne dass es auf eine kraft Doppelbesteuerungsabkommens im ausländischen Staat eingeräumte Anrechnungsmöglichkeit ankommt (z.B. Dötsch in Dötsch/Jost/ Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 50c EStG Rz 40; Blümich/ Hofmeister, EStG/KStG/GewStG, § 50c EStG Rz 10; Krebs/ Bödefeld, Betriebs-Berater —BB— 2004, 407, 408; Engl/Raupach in Herrmann/Heuer/Raupach, § 50c EStG Rz 48). Dem schließt sich der Senat an.
Ein abweichendes Ergebnis lässt sich für den Fall, dass der nichtanrechnungsberechtigte beschränkt Steuerpflichtige innerhalb der Europäischen Union ansässig ist, vor dem Hintergrund der einschlägigen Spruchpraxis des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— (vgl. etwa Urteile vom Rs. C-35/98 „Verkooijen”, EuGHE I 2000, 4071; vom Rs. C-324/00 „Lankhorst-Hohorst”, EuGHE I 2002, 11779; vom Rs. C-319/02 „Manninen”, EuGHE I 2004, 7477) auch nicht im Wege einer gemeinschaftsrechtskonformen Regelungsauslegung erreichen. Wortlaut und Zweck der Vorschrift belassen insoweit keine Auslegungsspielräume.
c) Der den Anteilen an der W GmbH anhaftende Sperrbetrag ist im Zuge der Verschmelzung der W GmbH auf die GW GmbH nicht untergegangen. Zwar ist er, da die Verschmelzung ohne Ausgabe neuer Anteile vollzogen wurde, entgegen der Revision des FA nicht gemäß § 13 Abs. 4 UmwStG 1995 (i.d.F. vor dem Inkrafttreten des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 —StEntlG 1999/2000/2002— vom , BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) auf die Anteile an der GW GmbH „verlagert” worden. Eine Berücksichtigung des Sperrbetrages bei der Ermittlung des Übernahmeergebnisses der Klägerin folgt jedoch aus § 50c Abs. 7 EStG 1990. Dies hat der Senat für eine dem Streitfall vergleichbare Konstellation im Urteil in DStR 2008, 501 entschieden; für Einzelheiten wird auf diese Entscheidung verwiesen.
3. Vor diesem gesetzlichen Hintergrund wäre die Klage im Streitfall insoweit abzuweisen.
III. Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht
Der vorlegende Senat erachtet den Ansatz eines Sperrbetrages gemäß § 50c EStG 1990 aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht jedoch nicht als zweifelsfrei. Der Ansatz könnte gegen die in Art. 52 bzw. Art. 73b des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) bzw. in Art. 43 bzw. Art. 56 des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG) sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— 1997 Nr. C 340, 1) verbürgten Freiheiten der Niederlassung bzw. des Kapitalverkehrs verstoßen, deren Auslegung dem EuGH vorbehalten ist (vgl. Art. 234 Abs. 1 Buchst. a EG).
1. Die direkten Steuern fallen zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten; diese müssen aber ihre Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben. Nach Art. 52 EGV (jetzt Art. 43 EG) ist die Niederlassungsfreiheit zugunsten der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu gewährleisten, die auch die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen erfasst; nach Art. 73b Abs. 1 EGV (jetzt Art. 56 Abs. 1 EG) sind im Rahmen der Bestimmungen über den Kapital- und Zahlungsverkehr u.a. alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Von letzterem Verbot erfasst werden unmittelbare oder mittelbare, aktuelle oder potenzielle Behinderungen, Begrenzungen oder Untersagungen für den Zufluss, Abfluss oder Durchfluss von Kapital (vgl. Ress/Ukrow in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 56 EG Rz 35, m.w.N.).
2. Der Ansatz eines Sperrbetrages gemäß § 50c EStG 1990 fällt in den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit; er kann in einer Beherrschungssituation auch in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit eingreifen (s. auch Senatsurteil in DStR 2008, 501). Im Streitfall ist sowohl ein „übergegangener” Sperrbetrag als auch ein „originärer” Sperrbetrag für die Ermittlung des Übergangsergebnisses der Klägerin erheblich. Insoweit können im Streitfall festzustellende Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs durch den Ansatz von Sperrbeträgen sowohl die unvermeidliche Folge einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (s. insoweit „Lasertec”, Internationales Steuerrecht —IStR— 2007, 439 Tz. 18 ff.; „Holböck”, IStR 2007, 441 Tz. 22, je m.w.N.) als auch eigenständig zu würdigen sein.
a) In seinen Urteilen vom I R 120/04 (BFHE 213, 25, BStBl II 2007, 321) und in DStR 2008, 501 hat der erkennende Senat ausgeführt, dass jedenfalls nicht auszuschließen ist, dass die durch § 50c EStG 1990 bewirkte Versagung der Teilwertabschreibung einen mittelbaren Eingriff in den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit bewirkt. Denn der Steuerpflichtige wird steuerlich unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob er Anteile von einem anrechnungsberechtigten oder einem nicht anrechnungsberechtigten Anteilseigner (gerade im Sinne eines ausländischen Anteilseigners) erwirbt. Dies hat zur Folge, dass in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Anleger davon abgehalten werden können, Beteiligungen an Gesellschaften von Anteilseignern, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, zu erwerben.
Umgekehrt können sich die in Rede stehenden Regelungen gegenüber ausländischen Anteilseignern beschränkend auswirken, indem sie diese darin behindern, in Deutschland Kapital zu sammeln. Denn der inländische Anteilseigner wird als Anteilserwerber mit Blick auf die Rechtsfolge des § 50c EStG 1990 dem ausländischen Veräußerer für die zu übertragenden Anteile einen um das Körperschaftsteuerguthaben niedrigeren Preis zahlen. Dadurch können ausländische Investoren davon abgehalten werden, ihr Kapital in Gesellschaften mit Sitz in Deutschland anzulegen (vgl. etwa EuGH-Urteile in EuGHE I 2000, 4071 Tz. 34; in EuGHE I 2002, 11779 Tz. 32; in EuGHE I 2004, 7477 Tz. 22). Der Erwerb von Beteiligungen an Gesellschaften mit Sitz in Deutschland wird für Anleger, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, weniger attraktiv, als für Anleger, die in Deutschland ansässig sind.
b) Der „Meilicke” (IStR 2007, 247) in vergleichbaren Beschränkungen durch Steuerregelungen, die bei inländischen Anteilseignern, die sich an Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat beteiligen, den Ausschluss der Körperschaftsteueranrechnung auf Ausschüttung von Dividenden jener Gesellschaften nach sich ziehen, wohingegen ihnen die Anrechnung bei Ausschüttungen inländischer Gesellschaften zusteht, als Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gesehen (s. bereits EuGH-Urteil in EuGHE I 2004, 7477). Nach dieser gemeinschaftsrechtlichen Maßgabe könnte sich ein unmittelbarer Einfluss auf sämtliche mit dem (inzwischen durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom , BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428 aufgehobenen) körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahren im Zusammenhang stehenden Regelungen ergeben. Dazu gehört auch § 50c EStG 1990. Die Vorschrift dient letztlich dazu, den Anrechnungsausschluss durchzusetzen. Dass dabei, um den Besteuerungszugriff zu erleichtern, gesetzestechnisch an den inländischen Steuerpflichtigen angeknüpft wird und nicht an den nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner als eigentlichen „Adressaten” des Normzwecks, ändert daran nichts.
Dass § 50c EStG 1990 auch die Situation eines Anteilserwerbs von einem inländischen nichtanrechnungsberechtigten Veräußerer betreffen konnte, berührt die Frage, ob ein Eingriff in den Schutzbereich der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten vorliegt, nicht. Ausschlaggebend ist, dass in Deutschland ansässige Anteilseigner, was die große Mehrheit unter ihnen betrifft, anrechnungsberechtigt sind, ausländische Anteilseigner im Allgemeinen hingegen nicht (s. EuGH-Urteil in EuGHE I 2002, 11779 Tz. 28; zu einer vergleichbaren Konstellation s. auch das „Eurowings”, EuGHE I 1999, 7447, BStBl II 1999, 851).
c) Allerdings betraf das Urteil des EuGH in IStR 2007, 247, abweichend von der hier in Rede stehenden Konstellation eine sog. Outbound-Konstellation, also die Beteiligung eines Gebietsansässigen an einer gebietsfremden Kapitalgesellschaft. Im Streitfall geht es hingegen um eine sog. Inbound-Konstellation, mithin die Beteiligung eines Gebietsfremden an einer inländischen Kapitalgesellschaft und in diesem Zusammenhang um die Frage, ob nicht nur der Ansässigkeitsstaat, sondern auch der Quellenstaat des Anteilseigners zur Anrechnung der Körperschaftsteuer gezwungen ist. Bejaht man das, könnte es namentlich dann zu doppelten Steuerentlastungen kommen, wenn der Anteilseigner auch in dem Ansässigkeitsstaat —im Einklang mit dem dortigen System zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Gewinnen und Gewinnausschüttungen sowie den gemeinschaftsrechtlichen Erfordernissen— zur Anrechnung der im Quellenstaat gezahlten Körperschaftsteuer berechtigt wäre. Trägt der Quellenstaat der Dividenden dafür Sorge, dass die an den gebietsfremden Anteilseigner ausgeschütteten Gewinne nicht einer mehrfachen Belastung oder einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung unterworfen werden, könnte dies letztlich bedeuten, dass dieser Staat auf sein Recht zur Besteuerung jener Gewinne im Ergebnis verzichten müsste ( „Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation”, EuGHE I 2006, 11673 Tz. 58 ff.).
Andererseits hat der Gerichtshof der European Free Trade Association (EFTA) im Urteil vom E-1/04 „Fokus Bank” (IStR 2005, 55) ausgeführt, es sei mit Art. 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom (BGBl II 1993, 267), der inhaltlich mit Art. 56 EG übereinstimmt, nicht vereinbar, dass ansässige Anteilseigner ein Steuerguthaben auf Dividendenzahlungen einer gebietsansässigen Gesellschaft erhalten, gebietsfremde Anteilseigner dagegen nicht. Gebietsfremde und Gebietsansässige befänden sich in einer vergleichbaren Situation. Dividenden, die ansässige Gesellschaften an gebietsfremde Anteilseigner zahlten, seien daher nicht anders zu behandeln als Dividenden, die nicht ansässige Gesellschaften an ansässige Anteilseigner zahlten. Der Zweck des Anrechnungssystems sei es, die wirtschaftliche Doppelbelastung zu vermeiden, die eintrete, wenn Gewinne, die bereits auf der Ebene der Kapitalgesellschaften besteuert worden seien, nachfolgend auf der Ebene der Gesellschafter besteuert würden. Dieser Zweck könne nur erreicht werden, wenn allen Anteilseignern der Vorteil des Anrechnungsguthabens gewährt werde, unabhängig davon, wo sie ansässig seien. Aus diesen Grundsätzen könnte zu folgern sein, dass Inbound- und Outbound-Konstellationen in der Frage der Körperschaftsteueranrechnung in gleicher Weise zu behandeln wären (s. dazu auch das Vorabentscheidungsersuchen des Senats an den , BFHE 212, 460, zur Rs. C-284/06 „Burda”). Diese Sichtweise schlüge dann auf eine Regelung, wie sie in § 50c EStG 1990 enthalten ist, durch.
3. Ein durch § 50c EStG 1990 bewirkter Eingriff in den Schutzbereich der Niederlassungs- bzw. der Kapitalverkehrsfreiheit dürfte nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein (s. insoweit allgemein „Oy AA”, IStR 2007, 631 Tz. 44 ff.; zur Parallelität der Prüfungsmaßstäbe für die Rechtfertigung von Verstößen gegen die Grundfreiheiten s. z.B. das Senatsurteil vom I R 95/05, BFHE 214, 504, BStBl II 2007, 279, zu II.3.c bb bbb der Gründe, m.w.N.). Insbesondere kann § 50c EStG 1990 nicht als Norm zur Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen bzw. zur Vermeidung einer Steuerumgehung eingestuft werden, wenn sein Zweck gerade dahin geht, den nicht gemeinschaftsrechtskonformen Ausschluss der Anrechnungsberechtigung von Steuerausländern zu sichern. Ein Grundsatz der nationalen Einmalbesteuerung stellt keinen Rechtfertigungsgrund dar; die eventuell rechtfertigende „Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten” (s. insoweit z.B. „Rewe Zentralfinanz”, IStR 2007, 291 Tz. 42; in IStR 2007, 631 Tz. 51, m.w.N.) ist damit nicht angesprochen.
4. Der Senat erachtet die Gemeinschaftsrechtslage zu den erwähnten Punkten nicht als derart eindeutig, dass er von einer Vorlage an den EuGH gemäß Art. 234 Abs. 3 EG absehen dürfte (vgl. 283/81 „C.I.L.F.I.T.”, EuGHE 1982, 3415). Insbesondere mit den Fragen im Zusammenhang mit der Körperschaftsteueranrechnung in sog. Inbound-Fällen war der EuGH, soweit ersichtlich, bislang nicht in abschließender Weise befasst.
IV. Vorlage an den EuGH
Der Senat setzt das Revisionsverfahren deshalb gemäß § 74 i.V.m. § 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung aus und legt dem EuGH die im Leitsatz genannte Rechtsfrage gemäß Art. 234 Abs. 3 EG zur Vorabentscheidung vor.
Fundstelle(n):
BB 2008 S. 1087 Nr. 21
BFH/NV 2008 S. 1032 Nr. 6
BFH/PR 2008 S. 294 Nr. 7
DB 2008 S. 1133 Nr. 21
DStR 2008 S. 1034 Nr. 21
DStRE 2008 S. 786 Nr. 12
EStB 2008 S. 204 Nr. 6
FR 2008 S. 965 Nr. 20
GStB 2008 S. 30 Nr. 8
GmbH-StB 2008 S. 161 Nr. 6
GmbHR 2008 S. 603 Nr. 11
HFR 2008 S. 706 Nr. 7
IStR 2008 S. 443 Nr. 12
KÖSDI 2008 S. 16043 Nr. 6
NWB-EN Nr. 536/2008 (Sperrbetrag im Anrechnungsverfahren)
RIW 2008 S. 732 Nr. 10
SJ 2008 S. 7 Nr. 14
StB 2008 S. 230 Nr. 7
StBW 2008 S. 5 Nr. 10
StuB-Bilanzreport Nr. 10/2008 S. 402
ZIP 2008 S. 1282 Nr. 28
UAAAC-78610