Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 349 Abs. 2; StGB § 53 Abs. 2 Satz 2
Instanzenzug: LG Bielefeld, vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwölf Fällen, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge "unter Beisichführung eines Schlagringes" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Es hat ferner in der Urteilsformel ausgesprochen, von einer "Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom " abzusehen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Die Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Revisionsrechtfertigung zeigt auch zum Strafausspruch keinen durchgreifenden Rechtsmangel auf.
1. Zwar hat das Landgericht der Verurteilung durch das Amtsgericht Bielefeld vom zu der noch nicht vollständig erledigten Gesamtgeldstrafe von 75 Tagessätzen zu je 8 Euro rechtsfehlerhaft keine Zäsurwirkung beigemessen. Die Möglichkeit, nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB gesondert auf eine Geldstrafe zu erkennen, wovon das Landgericht Gebrauch gemacht hat, führt nicht dazu, dass die Zäsurwirkung der auf Geldstrafe lautenden Vorverurteilung entfällt (vgl. BGHSt 32, 190, 194; BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 9). Dies hat das Landgericht verkannt.
Der Senat schließt jedoch aus, dass sich dieser Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Bei Berücksichtigung der Zäsurwirkung des Urteils des Amtsgerichts Bielefeld wären zwei Gesamtfreiheitsstrafen zu bilden gewesen, nämlich eine solche aus den Einzelstrafen für die zwölf Taten des Tatkomplexes II 1 (je ein Jahr Freiheitsstrafe) und für die zwei Taten des Tatkomplexes II 2 (je ein Jahr sechs Monate Freiheitsstrafe) sowie eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe aus den für die Taten II 3 und 4 verhängten Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und einem Jahr neun Monaten. Die Ausführungen des Urteils (UA 17) belegen, dass das Landgericht diese Gesamtfreiheitsstrafen in ihrer Gesamtheit keinesfalls niedriger bemessen hätte, als die im angefochtenen Urteil festgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren.
Nicht gänzlich auszuschließen ist zwar, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Gesamtstrafenbildung und unter Berücksichtigung eines insgesamt angemessenen Gesamtstrafenübels auf zwei Gesamtfreiheitsstrafen erkannt hätte, die jeweils zwei Jahre Freiheitsstrafe nicht überschritten hätten. In Anbetracht der Darlegungen des Landgerichts auf UA 17 und angesichts des Gewichts der Taten kann der Senat jedoch ausschließen, dass das Landgericht in diesem Falle von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte, die Vollstreckung der beiden Gesamtfreiheitsstrafen jeweils zur Bewährung auszusetzen.
2. Der Angeklagte ist auch nicht dadurch beschwert, dass das Verfahren zwischen Eröffnung des Hauptverfahrens am und der eintägigen Hauptverhandlung am aus Gründen, die allein im Verantwortungsbereich der Justiz liegen, nicht angemessen gefördert und dieser Umstand im Urteil nicht ausdrücklich erörtert worden ist.
Die beanstandete Verfahrensverzögerung begründet unter den hier gegebenen Umständen zwar einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK. Der Angeklagte, der bezüglich der abgeurteilten Taten bereits im Ermittlungsverfahren geständig war, war - nach Vollzug einer dreimonatigen Untersuchungshaft - wegen des seit dem bis zur Hauptverhandlung unter Meldeauflagen außer Vollzug gesetzten Haftbefehls durch die lange Verfahrensdauer besonderen Belastungen ausgesetzt. Das Verfahren musste deshalb mit besonderer Beschleunigung betrieben werden (vgl. BVerfG StV 2003, 30 und 2006, 87, 88). Dies ist nicht in der gebotenen Weise geschehen. Soweit sich die Strafkammer wegen der Bearbeitung von aus ihrer Sicht vordringlicheren Strafsachen an einer früheren Terminierung gehindert sah, vermag dieser ersichtlich nicht nur vorübergehend bestehende Engpass in der Verhandlungskapazität die eingetretene Verfahrensverzögerung nicht zu rechtfertigen (vgl. Senatsbeschluss vom - 4 StR 456/05 = wistra 2006, 226).
Die durch die späte Terminsanberaumung eingetretene Verfahrensverzögerung ist jedoch denkbar gering. Wäre die Hauptverhandlung nur wenige Monate früher als geschehen durchgeführt worden, hätte dies dem sich aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK ergebenden Gebot der Verfahrensbeschleunigung genügt. Der Senat kann unter diesen Umständen und insbesondere mit Blick auf die insgesamt milde Gesamtstrafe deshalb ausschließen, dass die Strafkammer dem Angeklagten zur Kompensation der eingetretenen Verfahrensverzögerung über die bloße Feststellung des Rechtsverstoßes hinaus eine weitergehende Entschädigung zugebilligt hätte, indem sie - der Rechtslage bei Urteilserlass entsprechend - von den an sich verwirkten Strafen einen bezifferten Abschlag vorgenommen hätte (vgl. - Rdn. 56; - Rdn. 23). Die hier zur Kompensation ausreichende Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK kann der Senat nachholen. Dass durch die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom ein Systemwechsel bei der Vornahme der Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung herbeigeführt worden ist, vermag an dem vorstehenden Ergebnis nichts zu ändern.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
GAAAC-77485
1Nachschlagewerk: nein