Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BGB § 626 Abs. 1; BMT-G II § 53 Abs. 1; HPVG § 77 Abs. 1; HPVG § 78 Abs. 2
Instanzenzug: ArbG Wiesbaden, 3/8 Ca 2731/04 vom Hessisches LAG, 19/3 Sa 1353/05 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.
Der am geborene, verheiratete und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit dem bei der beklagten Stadt als Kraftfahrer in deren Entsorgungsbetrieb, der nach dem Hessischen Eigenbetriebsgesetz (idF vom - GVBl. I S. 154) als Eigenbetrieb organisiert ist, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme der Bundesmanteltarifvertrag für die Arbeiter der gemeindlichen Verwaltungen und Betriebe - BMT-G II - Anwendung.
Nachdem der Kläger in den letzten zwei Jahren zwölf Verkehrsunfälle mit Müllfahrzeugen der Beklagten verursacht hatte, bei denen zum Teil erhebliche Sachschäden von der Haftpflichtversicherung, dem Kommunalversicherer GVV, reguliert worden sind, setzte die Beklagte nach dem den Kläger bei unveränderter Vergütung als Mülllader ein. Ein auf Veranlassung der Beklagten erstelltes medizinisches Gutachten vom attestierte dem Kläger eine Fahrtauglichkeit.
Nach Häufung von Verkehrsunfällen mit Müllfahrzeugen der Beklagten war bei der GVV der Verdacht entstanden, Mitarbeiter der Beklagten würden vorsätzlich und in kollusivem Zusammenwirken mit Unfallgegnern Verkehrsunfälle herbeiführen. Eine Auswertung von Verkehrsunfällen der letzten drei Jahre durch die GVV hatte ergeben, dass bei Unfällen mit Müllfahrzeugen der Beklagten häufig hochwertige Fahrzeuge betroffen und den Unfallgegnern hohe Schäden (mindestens 5.000,00 Euro) entstanden waren sowie eine eindeutige Schuldfrage vorlag. Darüber hinaus waren wiederholt dieselben Anspruchsgegner und beschädigten Fahrzeuge betroffen und zudem persönliche Verbindungen zwischen den Mitarbeitern als Schädiger und den Anspruchsgegnern als Geschädigte erkennbar geworden. Die GVV erstattete deshalb Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden.
Am erhielt die beklagte Stadt von den Ermittlungsbehörden eine Liste mit elf Namen von Mitarbeitern - ua. des Klägers - gegen die wegen Betrugs zu Lasten der GVV ermittelt werden sollte. Nach Ansicht der Ermittlungsbehörden bestand bei dem Kläger der dringende Tatverdacht, in Absprache mit Unfallgegnern zahlreiche Unfälle mit einem Sachschaden von ca. 100.000,00 Euro vorsätzlich herbeigeführt zu haben.
Am wurde der Kläger in den Räumen der Beklagten von einem Ermittlungsbeamten der Sonderkommission der Kriminalpolizei "T" vernommen, sein Mobiltelefon beschlagnahmt und sein Spind im Betrieb und seine Wohnung durchsucht.
Am fand ein Personalgespräch mit dem Kläger statt, in dem er zu dem Verdacht, "vorsätzlich zum Schaden der Entsorgungsbetriebe Verkehrsunfälle mit Fahrzeugen der E herbeigeführt zu haben", angehört wurde.
Am teilte der Leiter der Sonderkommission der Beklagten mit, nach Auswertung der Asservate, dem Ergebnis der Durchsuchungen und der Vernehmung des Klägers habe sich der Verdacht gegen ihn erhärtet.
Mit Schreiben vom hörte die Beklagte den Personalrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Verdachtskündigung und mit Schreiben vom zu einer beabsichtigten ordentlichen Verdachtskündigung an. Eine Stellungnahme gab der Personalrat nicht ab.
Mit Schreiben vom kündigte die beklagte Stadt das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos. Mit Schreiben vom kündigte sie das Arbeitsverhältnis erneut vorsorglich ordentlich zum .
Mit seiner Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigungen gewandt und ausgeführt: Es liege weder ein wichtiger Grund für eine außerordentliche noch ein verhaltensbedingter Grund für eine ordentliche Kündigung vor. Für eine Verdachtskündigung fehle es bereits an einem auf Tatsachen gestützten dringenden Verdacht. Er habe keine Verkehrsunfälle vorsätzlich zu Lasten der Beklagten herbeigeführt und mit Unfallbeteiligten abgesprochen. Allein die zahlreichen von ihm verursachten Verkehrsunfälle reichten nicht aus, den von der Beklagten behaupteten Betrugsvorwurf und -verdacht zu begründen. Die Beklagte habe ihn nicht hinreichend zu den behaupteten Verdachtsaspekten angehört. Im Personalgespräch seien ihm nur die Daten von 17 Verkehrsunfällen genannt, aber keine Verdachtsmomente detailliert präsentiert oder ihm mitgeteilt worden, auf welche konkreten Tatsachen sich der Verdacht stützen solle. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen zur Aufklärung beizutragen. Im Übrigen habe die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt. Sie habe, wie das von ihr verhängte Fahrverbot zeige, bereits weit vor dem von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis gehabt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die mit Schreiben vom erklärte außerordentliche Kündigung noch durch die mit Schreiben vom erklärte ordentliche Kündigung aufgelöst worden ist.
Die beklagte Stadt hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen: Die Kündigung sei sowohl aus wichtigem Grund als auch aus verhaltensbedingten Gründen wegen des dringenden Verdachts, der Kläger habe zu ihren bzw. zu Lasten der GVV Verkehrsunfälle vorsätzlich und in kollusivem Zusammenwirken mit den Unfallgegnern herbeigeführt, gerechtfertigt. Der dringende Tatverdacht ergebe sich aus den Gesamtumständen und beruhe vor allem auf dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und der gerichtlichen Durchsuchungsanordnung. Weitere eigene Ermittlungen habe sie nicht durchführen müssen und seien ihr auch nicht möglich gewesen. Die GVV sei im Alleinbesitz der notwendigen Akten und verfüge über die erforderlichen Informationen. Sie habe erstmals durch die Übersendung der Listen am Kenntnis von den konkreten Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden und den betroffenen Arbeitnehmern erhalten. Am sei sie durch die Sonderkommission über das Ausmaß der Unfälle und des Gesamtschadens von ca. 100.000,00 Euro in den letzten zwei Jahren informiert worden. In einem weiteren Telefonat sei ihr von der Ermittlungsbehörde am mitgeteilt worden, der Verdacht habe sich erhärtet und die Unfallgegner bildeten eine homogene Gruppe. Unter den elf Beteiligten der Beklagten bestünden familiäre oder freundschaftliche Beziehungen. Es habe telefonische und persönliche Kontakte zwischen den Tatbeteiligten und den Unfallgegnern gegeben. Die Mitarbeiter seien von den Unfallgegnern entlohnt worden. Ein geständiger Mitarbeiter habe nicht nur seine Beteiligung eingeräumt, sondern andere Mitarbeiter belastet. Bei seiner Vernehmung habe ein Mitarbeiter eingeräumt, er sei im Betrieb angesprochen, zu einem Unfall überredet und für diesen Unfall bezahlt worden. Auf Grund der vom ihm verursachten Unfälle und der hohen Schadensquote habe der Kläger im Fokus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gestanden. Der Kläger habe insbesondere am , , , , , und Unfälle mit jeweils hochwertigen Fahrzeugen verursacht. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Ihm seien mit Schreiben vom die einzelnen Unfallereignisse noch einmal mitgeteilt worden.
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Gründe
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Auf Grund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts steht noch nicht fest, ob im Entscheidungsfall die Voraussetzungen einer außerordentlichen oder ordentlichen Verdachtskündigung erfüllt sind.
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine der Klage stattgebende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Zwar könne der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren oder sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber einem verdächtigen Arbeitnehmer darstellen. Eine Verdachtskündigung sei aber rechtlich nur zulässig, wenn starke auf objektiven Tatsachen beruhende Verdachtsmomente vorlägen, die geeignet seien, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören. Im Entscheidungsfall seien solche Tatsachen zum Kündigungszeitpunkt nicht gegeben. Der Beklagten sei zum Zeitpunkt der Kündigung nur bekannt gewesen, dass der Kläger einer von elf Arbeitnehmern gewesen sei, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen eines Betrugsverdachts ermittele. Auch sei ihr die Anzahl von Unfällen (zwölf), die wegen ihrer Häufigkeit und Schadenshöhe ungewöhnlich gewesen sein möge, sowie das laufende Ermittlungsverfahren und der richterliche Durchsuchungsbeschluss bekannt gewesen. Allein auf Grund der Häufigkeit der Unfälle und der Schadenshöhe sei aber der Verdacht, die Unfälle vorsätzlich begangen zu haben, nicht begründet. Dass die Unfälle verabredet gewesen seien, stelle lediglich eine Meinungsäußerung des Leiters der Sonderkommission dar; sie sei jedoch nicht durch objektive Tatsachen belegt. Die Beklagte habe zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht alles ihr Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan.
Die von der Beklagten mit ihrem Schriftsatz vom näher dargelegten Unfallumstände von sieben Unfällen könnten nicht als weitere Verdachtsmomente herangezogen werden. Hierzu sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Zwar sei er noch vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung ergänzend über die Unfälle vom , , , , und informiert und dieses Vorbringen mit Schriftsatz vom in den Prozess eingeführt worden. Die fehlerhafte vorherige Anhörung des Personalrats werde dadurch nicht geheilt. Der Arbeitgeber könne nicht Kündigungsgründe ohne Anhörung des Personalrats zunächst in den Prozess einführen und nachschieben und sie, nachdem er den Mangel entdeckt habe, nunmehr nach Anhörung der Personalvertretung im Prozess erneut verwenden. Die Beklagte könne sich schließlich auch deshalb nicht auf die nachgeschobenen Kündigungsgründe berufen, weil sie zu ihnen den Kläger zuvor nicht angehört habe.
B. Dem folgt der Senat weder im Ergebnis noch in der Begründung.
Ob die Beklagte hinreichende Tatsachen und Umstände dargetan hat, um den dringenden Verdacht einer erheblichen Pflichtverletzung zu begründen, kann auf Grund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden. Deshalb ist der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, insbesondere zur weiteren Aufklärung und Würdigung der Umstände, die den Verdacht einer vom Kläger begangenen erheblichen Pflichtverletzung begründen können, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
I. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 BMT-G II bzw. § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Der in § 53 Abs. 1 Satz 1 BMT-G II enthaltene und inhaltsgleich in § 626 Abs. 1 BGB verwandte Rechtsbegriff des wichtigen Grundes ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Seine Anwendung durch die Tatsachengerichte kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat (st. Rspr. Senat - 2 AZR 158/95 - BAGE 82, 124; - 2 AZR 427/98 - AP BGB § 626 Nr. 150 = EzA BGB § 626 nF Nr. 177; - 2 AZR 743/98 - BAGE 93, 1).
II. Dieser eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle hält das angegriffene Berufungsurteil nicht stand.
1. Das Landesarbeitsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass nicht nur eine erwiesene erhebliche Vertragspflichtverletzung, sondern auch schon der dringende Verdacht einer strafbaren Handlung mit Bezug zum Arbeitsverhältnis oder einer Verletzung von erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichten einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen kann (vgl. - BAGE 95, 78; - 2 AZR 631/02 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2).
Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar.
Eine Verdachtskündigung kommt aber nur in Betracht, wenn dringende auf objektiven Tatsachen beruhende schwerwiegende Verdachtsmomente vorliegen und diese geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen bei einem verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zu zerstören. Der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben ( - BAGE 16, 72; - 2 AZR 540/81 -; zuletzt - 2 AZR 189/04 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 3). Dabei sind an die Darlegung und Qualität der schwerwiegenden Verdachtsmomente besonders strenge Anforderungen zu stellen, weil bei einer Verdachtskündigung immer die Gefahr besteht, dass ein "Unschuldiger" betroffen ist (vgl. schon - BAGE 16, 72; zuletzt - 2 AZR 424/01 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1 mwN). Der notwendige, schwerwiegende Verdacht muss sich aus den Umständen ergeben bzw. objektiv durch Tatsachen begründet sein. Er muss ferner dringend sein, dh., bei einer kritischen Prüfung muss eine auf Beweisanzeichen (Indizien) gestützte große Wahrscheinlichkeit für die erhebliche Pflichtverletzung (Tat) gerade dieses Arbeitnehmers bestehen (vgl. zu dem Maßstab und den Anforderungen: Senat - 2 AZR 540/81 -; - 2 AZR 743/98 - BAGE 93, 1; - 2 AZR 496/00 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 11; - 2 AZR 424/01 - aaO; - 2 AZR 631/02 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2; zuletzt - 2 AZR 722/06 -). Bloße auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus ( - - 2 AZR 189/04 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 3). Schließlich muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan haben ( - aaO und - 2 AZR 189/04 - aaO).
2. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes kann auf Grund der bisherigen Feststellungen dem Landesarbeitsgericht im Ergebnis nicht darin gefolgt werden, im Entscheidungsfall bestehe kein hinreichender dringender Verdacht einer strafbaren Handlung bzw. eines erheblichen arbeitsvertragswidrigen Verhaltens des Klägers. Das Landesarbeitsgericht hat nicht alle von der Beklagten in den Prozess eingeführten Tatsachen bei der Beurteilung eines möglichen dringenden Verdachts berücksichtigt.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht zunächst davon aus, dass ein Arbeitnehmer, der während seiner Tätigkeit mit einem Kraftfahrzeug des Arbeitgebers Unfälle bewusst verursacht, um dessen Haftpflichtversicherung zu schädigen, eine strafbare Handlung begeht und erheblich seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Eine solche Pflichtverletzung ist genauso wie ein entsprechender dringender Verdacht geeignet, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen. Dies gilt umso mehr, wenn eine solche Straftat in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit und dem Arbeitsverhältnis steht.
b) Nicht zu folgen ist dem Landesarbeitsgericht, soweit es angenommen hat, es gebe keine hinreichenden Indizien für den dringennden Verdacht, der Kläger hab vorsätzlich und in kollusivem Zusammenwirken mit Arbeitskollegen oder Dritten Unfälle zu Lasten der beklagten Stadt bzw. der GVV verursacht. Damit hat es seinen tatrichterlichen Beurteilungsspielraum überschritten und wesentlichen Sachvortrag der Beklagten nicht berücksichtigt und gewürdigt.
aa) Aus den Darlegungen der Beklagten ergeben sich, wenn die Umstände sich als zutreffend herausstellen sollten, weitere und hinreichende Anhaltspunkte für eine vorsätzliche, abgesprochene Unfallverursachung und eine bewusste Schädigung der Beklagten bzw. des Versicherers GVV. Zwar stellt jeder einzelne von der beklagten Stadt aufgeführte Unfall und der jeweils eingetretene Schaden an einem hochwertigen Fahrzeug für sich allein noch kein hinreichendes Indiz dafür dar. Jeder dieser Aspekte ist für sich und alleine genommen "neutral". Sie können auch bei einem nur fahrlässig verursachten Unfall vorliegen, beispielsweise wenn ein Schädiger unachtsam auf ein haltendes (hochwertiges) Fahrzeug auffährt.
bb) Durch die eklatante Häufigkeit der Unfälle und die vergleichbaren Unfallverursachungen sowie die daraus resultierenden wesentlichen Schädigungen an hochwertigen Fahrzeugen der Unfallgegner gewinnen sie aber erheblich an Gewicht. Sie ergeben durchaus ein aussagekräftiges Indiz für eine vorsätzliche und abgesprochene Unfallverursachung und damit erhebliche Pflichtverletzung des Klägers. Dies gilt umso mehr, wenn der Vortrag der Beklagten sich erhärten und zutreffen sollte, die Unfälle seien im Betrieb abgesprochen worden bzw. der Kläger habe einen bestimmten Mitarbeiter im Betrieb angesprochen oder sogar ihn zu einem Unfall gegen Bezahlung überredet, was ein Mitarbeiter eingeräumt habe. Schließlich hat das Landesarbeitsgericht als weiteres Indiz nicht gewürdigt, dass der Kläger den Mercedes Benz 550 SL Cabrio des Geschädigten I sowohl mit einem Fahrzeug der Beklagten am als auch mit seinem Privatfahrzeug am erheblich beschädigt hat.
c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Beklagte auch nicht gehindert, sich auf diese Indiztatsachen, insbesondere die Vielzahl von Unfällen zu berufen, weil sie weder den Kläger überhaupt noch den Personalrat vor der erstmaligen Verwendung im Prozess angehört bzw. informiert habe.
aa) Bei den erwähnten Unfällen handelt es sich nicht um Tatsachen, die erst nach dem Zugang der Kündigung entstanden sind und deshalb grundsätzlich nicht mehr zur Begründung der Kündigung herangezogen werden könnten. Vielmehr können die den dringenden Verdacht erhärtenden oder entkräftenden, zum Kündigungszeitpunkt bereits objektiv gegebenen Tatsachen grundsätzlich bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorgetragen werden und sind auch zu berücksichtigten (vgl. insbesondere - BAGE 78, 18; - 2 AZR 631/02 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2).
bb) Einer Berücksichtigung dieser Tatsachen steht nicht entgegen, dass der Kläger zu ihnen vor Einführung in den Prozess nicht (erneut) angehört worden ist. Die Anhörung des Klägers hierzu war entbehrlich. Die Verdachtskündigung war bereits ausgesprochen. Die Stellungnahme des Klägers hätte den Ausspruch der Kündigung gar nicht mehr beeinflussen können. Auch kann der betroffene Arbeitnehmer sich ohne Weiteres im bereits anhängigen Kündigungsschutzprozess gegen den ausgedehnten Tatverdacht adäquat verteidigen (KR-Fischermeier 8. Aufl. § 626 BGB Rn. 216; ArbRBGB-Corts § 626 Rn. 173).
cc) Ob eine Berücksichtigung nachgeschobener Aspekte deshalb ausscheidet, weil der Personalrat hierzu gar nicht beteiligt worden ist (vgl. - BAGE 49, 39; - 2 AZR 587/94 - BAGE 81, 27), bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung.
(1) Nach § 77 Abs. 1 Nr. 2 HPVG bestimmt der Personalrat bei der ordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses mit und ist bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 78 Abs. 2 Satz 1 HPVG anzuhören. Im Rahmen des personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahrens ist dem Personalrat der Kündigungssachverhalt mitzuteilen.
(2) Die Beklagte hat den Personalrat über die weiteren nachgeschobenen Verdachtsgründe mit Schreiben vom eingehend informiert. Der Hinweis des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte hätte den Personalrat schon vor der erstmaligen Einführung der Tatsachen in den Prozess informieren müssen, eine nachträgliche "Heilung" komme nicht in Betracht, findet im Gesetz keine Stütze. Aus dem Sinn und Zweck der Personalratsbeteiligung und der daraus resultierenden Informationspflichten ergibt sich keine Notwendigkeit, eine solche Handlungsweise des Arbeitgebers mit einem "Verwertungsverbot" zu belegen. Der Personalrat ist jedenfalls vor Abschluss des Kündigungsschutzprozesses noch über die nachgeschobenen Gründe ausreichend informiert worden.
III. Da die Kündigungsschutzklage des Klägers nicht aus anderen Gründen unwirksam ist, war der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Das Landesarbeitsgericht wird im Einzelnen prüfen müssen, ob unter Berücksichtigung der weiteren Indiztatsachen sowie des Ausgangs des Strafverfahrens ein hinreichender dringender Tatverdacht besteht und ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorlag.
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WAAAC-76353
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