Richtlinie 2005/89/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Januar 2006 über Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Elektrizitätsversorgung und von Infrastrukturinvestitionen (RL 2005/89/EG)
v. 4. 2. 2006
(ABl Nr. L 33 S. 22)
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DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT
UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –
gestützt auf den
Vertrag zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 95,
auf Vorschlag der
Kommission,
nach Stellungnahme des
Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
,
nach Anhörung des
Ausschusses der Regionen,
gemäß dem Verfahren
des Artikels 251 des Vertrags
,
in Erwägung nachstehender
Gründe:
(1) Die
Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den
Elektrizitätsbinnenmarkt
war ein
äußerst wichtiger Beitrag zur Schaffung des
Elektrizitätsbinnenmarktes. Die Gewährleistung einer hohen Sicherheit
der Elektrizitätsversorgung ist eine Grundvoraussetzung für das
erfolgreiche Funktionieren des Binnenmarktes; nach der genannten Richtlinie
können die Mitgliedstaaten den Elektrizitätsunternehmen
gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen, unter anderem im Hinblick auf
die Versorgungssicherheit. Diese gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen sollten
so genau und präzise wie möglich definiert werden und sollten nicht
zur Schaffung von Erzeugungskapazitäten in einem Umfang führen, der
über das zur Verhinderung unzumutbarer Unterbrechungen der
Elektrizitätsversorgung der Endverbraucher notwendige Maß
hinausgeht.
(2) Die Nachfrage nach
Elektrizität wird im Allgemeinen auf der Grundlage von Szenarien, die von
den Übertragungsnetzbetreibern oder anderen hierfür befähigten
Stellen auf Ersuchen eines Mitgliedstaats erstellt werden, mittelfristig
prognostiziert.
(3) Ein
wettbewerbsorientierter Elektrizitätsbinnenmarkt in der Europäischen
Union erfordert transparente und diskriminierungsfreie Politiken für die
Sicherheit der Elektrizitätsversorgung, die mit den Erfordernissen eines
solchen Marktes vereinbar ist. Das Fehlen einer entsprechenden Politik in
einzelnen Mitgliedstaaten oder das Bestehen erheblicher Unterschiede zwischen
den Politiken verschiedener Mitgliedstaaten würde Wettbewerbsverzerrungen
nach sich ziehen. Die Festlegung klarer Rollen und Zuständigkeiten
für die zuständigen Behörden und die Mitgliedstaaten selbst
sowie für alle betroffenen Marktteilnehmer ist daher von wesentlicher
Bedeutung, um die Sicherheit der Elektrizitätsversorgung und ein
reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten sowie
gleichzeitig die Entstehung von Hindernissen für neue Marktteilnehmer, wie
etwa Elektrizitätserzeugungs- oder Versorgungsunternehmen in einem
Mitgliedstaat, die vor kurzem ihre Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat
aufgenommen haben und von Verzerrungen im Elektrizitätsbinnenmarkt sowie
ernster Schwierigkeiten für Marktteilnehmer einschließlich
Unternehmen mit geringen Marktanteilen wie etwa Erzeugungs- oder
Versorgungsunternehmen mit einem sehr geringen Anteil am jeweiligen
Gemeinschaftsmarkt zu verhindern.
(4) Die Entscheidung
Nr. 1229/2003/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
legt eine Reihe von
Leitlinien für die Gemeinschaftspolitik über die
transeuropäischen Netze im Energiebereich fest. Die Verordnung
(EG) Nr. 1228/2003 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über die
Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel
enthält unter anderem
allgemeine Grundsätze und detaillierte Vorschriften für das
Engpassmanagement.
(5) Sofern es aus
technischen Gründen erforderlich ist, ist bei der Förderung der
Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energiequellen sicherzustellen,
dass die damit verbundene Reservekapazität zur Erhaltung der
Zuverlässigkeit und Sicherheit des Netzes zur Verfügung
steht.
(6) Um den
umweltpolitischen Verpflichtungen der Gemeinschaft nachzukommen und ihre
Abhängigkeit von importierter Energie zu mindern, ist es wichtig, die
Langzeitwirkungen der steigenden Elektrizitätsnachfrage zu
berücksichtigen.
(7) Die Zusammenarbeit
zwischen nationalen Übertragungssystembetreibern in Fragen der
Netzsicherheit sowie bei der Festlegung von Übertragungskapazitäten,
der Bereitstellung von Informationen und der Netzmodellierung ist von
ausschlaggebender Bedeutung für die Entwicklung eines gut funktionierenden
Binnenmarktes und könnte weiter verbessert werden. Mangelnde Koordinierung
bei der Netzsicherheit beeinträchtigt die Entwicklung gleicher
Wettbewerbsbedingungen.
(8) Der vorrangige Zweck
der einschlägigen technischen Regeln und Empfehlungen, wie etwa derjenigen
des Betriebshandbuchs der UCTE (Union for the Coordination of Transmission of
Electricity), und ähnlicher Regeln und Empfehlungen, die von NORDEL, dem
Baltic Grid Code und für die Systeme des Vereinigten Königreichs und
Irlands entwickelt worden sind, besteht darin, den technischen Betrieb der
zusammen geschalteten Netze zu unterstützen und somit dazu beizutragen,
den notwendigen unterbrechungsfreien Betrieb des Netzes bei einem Systemausfall
an einer oder mehreren Stellen im Netz aufrechtzuerhalten und die durch das
Auffangen einer solchen Versorgungsunterbrechung entstehenden Kosten auf ein
Minimum zu beschränken.
(9) Die Übertragungs-
und Verteilernetzbetreiber sollten verpflichtet sein, in Bezug auf die
Häufigkeit und Dauer von Versorgungsunterbrechungen hochwertige
Dienstleistungen für den Endverbraucher zu erbringen.
(10) Etwaige
Maßnahmen, mit denen gewährleistet werden soll, dass angemessene
Erzeugungskapazitätsreserven vorgehalten werden, sollten marktorientiert
und nicht diskriminierend sein; diese Maßnahmen könnten vertragliche
Garantien und Vereinbarungen, kapazitätsbezogene Optionen oder
kapazitätsbezogene Verpflichtungen einschließen. Diese
Maßnahmen könnten auch durch andere nicht diskriminierende
Instrumente wie Kapazitätszahlungen ergänzt werden.
(11) Um zu
gewährleisten, dass angemessene Vorabinformationen zur Verfügung
stehen, sollten die Mitgliedstaaten Maßnahmen veröffentlichen, die
ergriffen werden, um ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage bei den
tatsächlichen und potenziellen Investoren im Erzeugungssektor und bei den
Elektrizitätsverbrauchern aufrechtzuerhalten.
(12) Unbeschadet der
Artikel 86, 87 und 88 des Vertrags ist es wichtig, dass die
Mitgliedstaaten einen klaren, angemessenen und stabilen Rahmen schaffen, der
die Sicherheit der Elektrizitätsversorgung erleichtert und zu
Investitionen in Erzeugungskapazität und Bedarfssteuerungstechniken
führt. Daneben ist es wichtig, dass geeignete Maßnahmen zur
Gewährleistung eines gesetzlichen Rahmens getroffen werden, der Anreize
für Investitionen in neue Verbindungsleitungen insbesondere zwischen den
Mitgliedstaaten schafft.
(13) Der Europäische
Rat von Barcelona am 15. und 16. März 2002 hat einen Verbundgrad
zwischen den Mitgliedstaaten vereinbart. Geringe Verbundgrade führen zu
einer Fragmentierung des Marktes und behindern die Entwicklung des Wettbewerbs.
Das Bestehen angemessener physikalischer Verbindungsleitungskapazität
– unabhängig davon, ob sie grenzüberschreitend ist oder
nicht – ist eine notwendige, aber nicht ausreichende Voraussetzung
für die volle Entfaltung des Wettbewerbs. Im Interesse der Endverbraucher
sollten die potenziellen Vorteile neuer Verbundvorhaben und die Kosten dieser
Vorhaben in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.
(14) Es ist wichtig, die
maximal vorhandenen Übertragungskapazitäten zu bestimmen, die ohne
Verstoß gegen die Sicherheitsanforderungen des Netzbetriebs möglich
sind; es ist auch wichtig, beim Verfahren der Kapazitätsberechnung und
-zuteilung volle Transparenz zu gewährleisten. So könnte die
bestehende Kapazität besser genutzt werden und es würden keine
falschen Knappheitssignale an den Markt gesandt, was zur Verwirklichung eines
voll wettbewerbsfähigen Binnenmarkts im Sinne der
Richtlinie 2003/54/EG beitragen wird.
(15) Die
Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber bedürfen für ihre
Investitionsentscheidungen sowie für die Wartung und Erneuerung der Netze
eines sachgerechten und stabilen gesetzlichen Rahmens.
(16) Gemäß
Artikel 4 der Richtlinie 2003/54/EG müssen die Mitgliedstaaten
die Sicherheit der Elektrizitätsversorgung überwachen und einen
Bericht darüber vorlegen. Dieser Bericht sollte die für die
Versorgungssicherheit relevanten kurz-, mittel- und langfristigen Aspekte
umfassen, einschließlich der Absicht der Übertragungsnetzbetreiber,
in das Netz zu investieren. Bei der Erstellung dieses Berichts wird von den
Mitgliedstaaten erwartet, dass sie sich auf Informationen und Beurteilungen
stützen, die von den Übertragungsnetzbetreibern sowohl einzeln als
auch kollektiv – auch auf europäischer Ebene – schon
erstellt wurden.
(17) Die Mitgliedstaaten
sollten die wirksame Durchführung dieser Richtlinie
gewährleisten.
(18) Da die Ziele dieser
Richtlinie, nämlich eine sichere Elektrizitätsversorgung auf der
Grundlage eines fairen Wettbewerbs und die Schaffung eines voll
funktionsfähigen Elektrizitätsbinnenmarkts, auf Ebene der
Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen
des Umfangs und der Wirkung der Maßnahme besser auf Gemeinschaftsebene zu
erreichen sind, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des
Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden.
Entsprechend dem in demselben Artikel genannten
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geht diese Richtlinie nicht
über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß
hinaus –